Filmkritik: Napoleon im Rausch zwischen Liebe und Macht
Altmeister Ridley Scotts bildgewaltiger Film mit Joaquin Phoenix
Altmeister Ridley Scott hat sich mit „Napoleon“ nun an Frankreichs berühmten Kaiser gewagt. Verstörende Schlachtenbilder wechseln sich mit Szenen von Napoleon Bonaparte und seiner Frau Joséphine de Beauharnais ab. Ein bildgewaltiges Schauspiel mit Hollywoodstar Joaquin Phoenix, das heute in den Kinos anläuft. In „Napoleon“ zeichnet Scott ein Porträt, das eine Parallele zwischen seiner Machteroberung und seiner turbulenten Beziehung zu Joséphine zieht, der er ebenso verfallen war wie seinem Hunger nach Macht. Er habe die Welt erobert, um ihre Liebe zu gewinnen, und als ihm das nicht gelungen sei, habe er sie erobert, um sie zu zerstören, und habe sich dabei selbst zerstört, erklärte die Regielegende ihre Absicht für den Film.
Für rund 130 Millionen hat der 85-Jährige ein großes Schlacht- und Ausstattungskino gedreht und neben Vanessa Kirby nach 23 Jahren wieder Joaquin Phoenix vor seine Kamera geholt. Der Hollywoodstar spielte in „Gladiator“ aus dem Jahr 2000 die Nebenrolle des irren und erbarmungslosen Kaisers Commodus.
Der 49-jährige Darsteller gibt auf dem Schlachtfeld eine strenge und düstere Figur ab, gleichzeitig spielt er den Clown, wenn er vor Politikern flieht und der Mumie eines Pharaos tief in die Augen schaut.
Wer eine imposante historische Persönlichkeit wie Napoleon auf die große Leinwand bringt, läuft zwangsläufig Gefahr, sich dem Urteil einer breiten Öffentlichkeit mit vielen Experten auszusetzen. Kaum war der Trailer im Netz, kamen die ersten Reaktionen. Napoleon-Spezialisten kritisierten unter anderem, dass der Film Bonaparte während der Hinrichtung von Königin Marie-Antoinette zeigt (wo er nicht gewesen sein soll). Eine Szene, mit der der Film aber beginnt.
Scott hat einen Film an der Grenze zwischen Geschichte und Fiktion gedreht. Er konstruiert eine interessante, sowohl romantische als auch tragische Liebe und spätere Freundschaft. Die Beziehung zwischen den beiden, die den emotionalen Kern der Geschichte bildet, lässt einen jedoch etwas kalt. Zwei Stunden und 38 Minuten sind nicht viel, um den Aufstieg und Fall von Napoleon auf detaillierte Weise behandeln zu können.
„Napoleon“: GB/USA 2023 158 min. Regie: Ridley Scott, Bewertung: Vier von sechs Sternen