Uraltes Totengedenken an den Felswänden
Wie sich unsere Vorfahren aus prähistorischer Zeit die Seelenwanderung vorstellten.
Auf dem alten Hohlweg zwischen dem Schwarzensee und dem Wolfgangsee muss einst ein besonderer Geist geherrscht haben. Auf mehreren Felswänden befinden sich Ritzzeichnungen voller alter Symbole, die nicht zu deuten sind. Außer man wird begleitet von Wolfgang Kauer. Der in Salzburg lebende gebürtige Linzer hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren den Ruf erarbeitet, die Geheimnisse der Felsbildsymbolik lüften zu können. Er liest aus den prähistorischen Zeichen ein "starkes Verlangen" der Lebenden heraus, "den Seelen der Verstorbenen weiterzuhelfen".
Solche Felswände der meist schattig-schaurigen Art waren früher als "Frauenwände" bekannt, auch als "Gitschenwände". Dies bezog sich wohl auf eine seit frühesten Zeiten imaginierte Frauengöttin, die für Erde, Mond und Venus, gelegentlich auch für die Sonne zuständig war. Als Körper dieser Erdmutter stellte man sich Gebirge oder Felsformationen vor. "Daher findet man Felsbilder meist entlang von Felskaminen, Klüften und Spalten, die ins Innere des Berges zu führen versprechen. Ein Ritzbild in Traunkirchen ist ein Paradebeispiel dafür, denn ein Seelenschiff bewegt sich hier direkt auf die zentrale Felskluft zu."
Barke über den Styx
Die Vorstellung von einem Seelenschiff stammt aus dem Vorderen Orient, wo die indoeuropäische Bevölkerung Europas ihre Wurzeln hat. "Die meisten Seelenkähne auf den Felswänden sind jedoch gen Himmel gerichtet, wie in der Höll bei Windischgarsten und am Sparber am Wolfgangsee", sagt Kauer. Denn neben dem Berginneren müsse man sich demnach als zweiten sicheren Platz für die Seele des Verstorbenen das Himmelshaus vorgestellt haben.
Die ältesten Felsbilder stammen aus dem vierten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, vermutet Kauer, etliche Ritzungen dürften während der Bronzezeit und der Hallstattzeit entstanden sein. Mittelalterliche Zeichen gibt es ebenso wie manche jüngeren Datums, wie ein Hakenkreuz samt Jahreszahl 1943 zeigt.
Was die Wanderung der "Seelen" aus vorchristlicher Zeit betrifft, so hält Kauer nicht an Wörtern fest. "Ob Seelen oder Geister – wir kennen die Vorstellungen der damaligen Menschen nicht", von den Kelten sei allerdings bekannt, dass sie sich mit Seelenwanderung auseinandergesetzt hätten.
In den prähistorischen Ritzungen will Kauer mehrere Formen erkennen, die Seelen bezeichnen. Speicherbäume der Mondseer Pfahlbaukultur, Näpfchen oder ein Leiternsegment, das aussieht wie der Buchstabe H. Was die Seelen am Ende solcher Leitern im Himmel erwartete? "In der Höll von Windischgarsten oder in der Kienbachklamm bei St. Wolfgang gibt es Hinweise, dass sich Menschen in Insekten verwandeln, die dem Erdmutter-Symbol Biene nachfliegen", sagt Kauer.
Auf matriarchale Einflüsse der Münchshöfener Kultur, auf altägyptische und minoische Jenseitsvorstellungen führt der Forscher so manche Zeichen zurück. Ihr exaktes Alter sei schwer zu bestimmen. Meist könne es nur aufgrund von Vergleichen mit Symbolen aus anderen, besser datierbaren Fundstätten geschätzt werden.
Zerstörerische Neuheiden
Totengedenken an Felswänden war auch in der Neuzeit verbreitet. Davon zeugen zahlreiche Einträge von RIP (lateinisch: Requiescat in pace = Ruhe in Frieden). Oft komme nur ein IP oder ein einzelnes P vor, wie an der Baalsteinwand in Traunkirchen.
Kauer berichtet auch von "Neuheiden", die in der Kienbachklamm ein riesiges Dreieck in den Fels gravierten und damit alte Bilder ruinierten. "Das muss nicht sein", rügt er. "Wenn einer nicht anders kann, als sich im Gestein zu verewigen, so möge er besser einen anderen Felsen wählen als jenen mit einem alten Felsbild." Wobei es die besten Felsbilder ohnehin "in Büchern zu finden gibt".
Wolfgang Kauer: "Felsbilder der Alpen" – Motive im internationalen Vergleich", Pustet-Verlag, 272 Seiten, 500 Farbfotos, 28 Euro
Wirklich ist, was sich träumen läßt.
Ist heut noch genau so wenn man das Unbekannte oder sein Nichtwissen in den Hokuspokus verwandelt😁