Verein unsichtbar: Selbsthilfegruppe für unsichtbare Behinderungen
Krankheiten ohne Gesicht: Viele Handicaps sind auf den ersten Blick nicht zu erkennen.
Autismus, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung), Diabetes Typ 1, Zerebralparese: Das Feld der Krankheiten und Behinderungen, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind, ist weit. Um betroffene Kindern und deren Eltern sowie erwachsene Patienten zu unterstützen, hat Selina Junger die Selbsthilfegruppe "unSICHTBAR" gegründet: "Ich arbeite im Sozialbereich, bin jedoch auch familiär betroffen. Ich habe einen Bruder mit Autismus und mein Sohn hat das auch. Ich finde, wenn es um unsichtbare Behinderungen geht, haben wir noch Aufholbedarf."
Vorteil oder Nachteil?
Dass man eine Behinderung nicht sieht, scheint im ersten Moment ein Vorteil zu sein. Denn niemand fällt gerne auf, niemand wünscht sich Diskussionen, was das Kind – oder man selbst – denn "hat". Doch die Erfahrung zeigt, dass Eltern besonders oft blöd angeredet werden, wenn sie etwa ein dreijähriges Kind noch im Buggy herumführen oder ihr Sohn oder ihre Tochter nicht die Hand geben oder "ordentlich grüßen" möchte.
Sich in der Gesellschaft zu bewegen, ist jedoch nur eines von vielen Problemen. "Leider gibt es noch viele Lücken im Gesundheitssystem. Bei Autismus etwa muss man 1,5 bis zwei Jahre warten, bis man einen Termin und in der Folge eine Diagnose und Therapiemöglichkeiten bekommt."
Behindertenpass, Parkausweis, Pflegegeld – all das sei für Menschen mit unsichtbaren Handicaps viel schwieriger zu bekommen als etwa für Patienten die offensichtlich behindert seien, etwa im Rollstuhl säßen.
Viele schämen sich
Scham sei ein großes Thema, es sei jedoch wichtig, zu seiner Situation zu stehen – und Akzeptanz auch von der Umwelt einzufordern: "Bevor Leute einen verurteilen, sollten sie lieber fragen. Mein Ziel ist, dass sich etwas verändert." In der Selbsthilfegruppe finden Betroffene nicht nur Menschen mit ähnlichen Themen, auch viele Angebote bereichern das Leben der Mitglieder: Seminare und Workshops, Erholungstage, Auftritte auf Messen und bei Veranstaltungen – das Thema ins Bewusstsein zu rücken und Betroffenen Therapie- und Freizeitangebote zu bieten oder zu vermitteln, ist das Ziel.
Mehr Infos über das vielfältige Angebot des Vereins gibt es auf verein-unsichtbar.at.
"muss man 1,5 bis zwei Jahre warten"
Ich werde immer wütend, wenn großmächtig Werbung für Vorsorgeuntersuchungen gemacht werden. Es ist grauslig, dass man 1000 gesunden Menschen eine Untersuchung zukommen lässt, um vielleicht einen Menschen zu finden, der eventuell mal Probleme bekommen wird, während für Menschen mit manifesten Symptomen die Kapazität fehlt.
Für Kinder sind 2 Jahre eine lange Zeit die für mögliche Intervention verloren ist. Nicht nur bei der Zeit für Diagnosen mangelt es. Auch mögliche Behandlungen stecken noch in den Kinderschuhen. Es wird zu diesen Themen viel zu wenig geforscht.
Ich wünsche der Selbsthilfegruppe von ganzem Herzen Erfolg. Es gibt noch viel zu tun.