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Architekturkritik: Schule und Schloss

Von Georg Wilbertz, 01. November 2024, 11:00 Uhr
Die Schule und das Schloss
Der L-förmige Neubau umschließt mit dem älteren Bestand (rechts im Bild) einen Hof. Bild: Kurt Hoerbst

VÖCKLABRUCK. Beim Gymnasium Schloss Wagrain ergänzten Urmann Radler Architekten einen neuen Schultrakt und schufen eine harmonische Einheit aus Alt und Neu

Der zeitgenössische Schulbau Österreichs genießt aufgrund seiner Qualität und der Ernsthaftigkeit, mit der die Planung und die Realisierung dieser Bauaufgabe betrieben werden, einiges Ansehen über die Grenzen des Landes hinweg. Man ist durchaus experimentierfreudig, neue und alternative Konzepte werden architektonisch erprobt, und eine lange, erfolgreiche Tradition bildet ein solides Fundament. Dies gilt auch für Oberösterreich, wo unter anderen Architekten wie Julius Schulte (vor 1930) oder Karl Odorizzi (ab den 1960er Jahren) prägende, die Entwicklung vorantreibende Schulbauten schufen.

Die Architektur der Schulen hat über die Jahrzehnte hinweg immer wieder Veränderungen erfahren. Dies lag einerseits an sich wandelnden pädagogischen Prinzipien, andererseits an neuen Raum- und Aufenthaltsqualitäten, die von den Nutzern gewünscht wurden. In jüngster Zeit treten technische Anforderungen durch die Digitalisierung hinzu. Ob diese allerdings auf die Architektur oder das Raumangebot eines neuen Schulbaus Einfluss haben, obliegt weitestgehend den Wünschen der für die Realisierung verantwortlichen Auftraggeber.

Die Schule und das Schloss
Das Schloss Wagrain in Vöcklabruck Bild: BRG

"Klassisches" Raumprogramm

Bei der zweiten großen Erweiterung des Bundesrealgymnasiums (BRG) Schloss Wagrain in Vöcklabruck nach dem Jahr 2000 durch das Linzer Architekturbüro Urmann Radler Architekten verbindet sich der Anspruch der Schule, hinsichtlich der Digitalisierung topaktuell zu sein, mit einem eher konservativ ausgelegten Raumprogramm. Architekt Martin Urmann betont denn auch, dass er eine abwechslungsreichere und flexiblere Raumanordnung bevorzugt hätte. Dies entsprach jedoch nicht den Wünschen der Bauherrenschaft.

Und so gliedert sich der neue, L-förmige Erweiterungsbau in ein Erdgeschoß, das die Verwaltung und den großzügigen Bereich für das Kollegium aufnimmt, sowie ein Obergeschoß für die elf hinzugekommenen Klassenräume. Diese sind völlig ident gestaltet und – mit modernster Ausstattung – vorwiegend auf Frontalunterricht hin ausgelegt. Die Erschließungsflächen des unregelmäßigen Gebäudegrundrisses sind beim aktuellen Bauteil auf das Notwendige reduziert.

Die Schule und das Schloss
Harmonische Raum- und Farbwirkung: der Gang zu den Klassenräumen Bild: Kurt Hoerbst

Selbstbewusst zurückhaltend

Urmann Radler Architekten schufen im Inneren klare, hell durchlichtete Raum- und Gangsituationen, die eine saubere Detailausführung zeigen. Durch eine fein aufeinander abgestimmte Palette von Grautönen wird eine atmosphärisch stimmige, harmonisch-unaufgeregte Gesamtwirkung erzielt. Der raue Putz der Wände wie auch der aus sechseckigen Betonfliesen bestehende Bodenbelag tragen trotz aller formalen Reduktion zu einer bewegten Lichtführung bei. Wesentliches Ziel der inneren Erschließung war es, den Neubau mit dem Schlossgebäude und der ersten Erweiterung aus dem Jahr 2000 zu einer funktionierenden, attraktiven Schullandschaft zu verbinden. Hierzu wurden die bestehenden Erschließungswege und Flure beibehalten und mit dem neuen Trakt verbunden.

Der Außenbau ist ebenfalls durch eine zurückhaltende, funktionale Architektursprache gekennzeichnet. Das um drei Höfe gruppierte Ensemble des BRG wird optisch vom historischen Schlossbau dominiert. Für Martin Urmann war es wichtig, sich mit dem eigenen Entwurf zwar gestalterisch von diesem zu emanzipieren, ohne jedoch einen spektakulären Bruch zu inszenieren. Dies gelang durch die zurückhaltende Materialität, die dezent silberne Farbgebung und eine eigenständige Gliederung der Fassadenelemente und Öffnungen. Lange Fensterbänder betonen die Horizontalität des flachgedeckten Baukörpers. Eine feinkörnige, durchlaufende Vertikalriffelung der Außenwände bringt ein bewegtes, sanft konturiertes Licht- und Schattenspiel auf den Fassaden.

Auf den ersten Blick mag die fast traditionelle Anordnung der Klassen im neuen Schultrakt irritieren. Bedenkt man jedoch, dass das Ensemble insgesamt für die Schulgemeinschaft ein spannendes und reiches Raumangebot bereithält, fällt dieser Aspekt weit weniger ins Gewicht. Gelungen ist jedenfalls eine ästhetisch und funktional überzeugende Synthese aus Altbestand und Neubau, die hohe gestalterische Ansprüche verwirklicht.

Datenblatt

  • Planung/Entwurf: Urmann Radler ZT GmbH, Linz
  • Bauherrin: Bundesimmobiliengesellschaft mbH (BIG)
  • Nutzer: Bundesrealgymnasium Schloss Wagrain, Vöcklabruck
  • EU-weiter Wettbewerb 2020 / Planung 2020 -2022 / Fertigstellung 2024
  • Bauweise: Massivbauweise mit hinterlüfteter Fassade
  • Ökologie: PV-Anlage auf dem extensiv begrünten Dach, energieoptimierte Materialien mit „Klimaaktiv“-Standards, Fernwärme
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Autor
Georg Wilbertz
Georg Wilbertz
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