Stift Schlierbach: Wo längst nicht alles Käse ist

Wer im Stift Schlierbach Ruhe und Stille sucht, wird sicherlich fündig, darüber hinaus präsentiert es sich dem Besucher als vielfältiger und lebendiger Ort.
Die oben angeführte Lebendigkeit mag auch an den 500 Schülerinnen und Schülern liegen, die hier im Stiftsgymnasiums täglich ein und aus gehen, aber längst nicht nur. Während sie im Idealfall bis zur Maturareife geführt werden, reifen andernorts auf dem Gelände jährlich über zehn Millionen Stück Schlosskäse. Der würzige Weißkäse war das erste Produkt der 1924 gegründeten Käserei. Seither hat sich viel getan. Die Käserei ist mittlerweile ein eigenständiges Unternehmen, geführt von Friedrich Mitterhumer. Unter ihm und seinen 40 Mitarbeitern ist das Sortiment auf 15 Produkte gewachsen, die in 40 Sorten das Stiftsgelände verlassen. Seit 2012 ist alles bio, und der Schlierbacher Käse wird auch im Ausland zunehmend geschätzt. Lag die Exportquote vor zehn Jahren noch im niedrigen einstelligen Bereich, beträgt sie mittlerweile 42 Prozent.
Auch Kardinal Christoph Schönborn schätzt die auf dem Stiftgelände hergestellten Köstlichkeiten. Ein Besuch in Wien ginge stets mit der Lieferung "einer Tasche Schlierbacher" einher, erzählt Abt Nikolaus lachend. Seine Lieblingskäsesorte gibt er nur "off the records" preis. So viel sei verraten: Der Kirchenmann ist eher Deftigerem zugetan.
Vom Landpfarrer zum Abt
Vor vier Jahren wurde Nikolaus Thiel zum 19. Abt von Schlierbach gewählt. "Ich war leidenschaftlich gerne Landpfarrer, liebte es, so unmittelbar unter den Menschen zu sein", sagt der 50-Jährige. Die Nähe zu den Menschen hat er dennoch nicht verloren. Regiert der gebürtige Linzer als Abt doch neun Pfarren und ist von knapp der Hälfte der 150 im Bereich des Stifts arbeitenden Menschen der Chef. "Allen Bereichen gleichermaßen gerecht zu werden, das habe ich erst lernen müssen", sagt er.
Denn hinter den Klostermauern wird nicht nur gebetet, unterrichtet und Käse produziert, sondern ist auch Platz für jede Menge Kreativität. "Oh, du kommst gerade recht", sagt Abt Nikolaus, als Christa Limberger seinen Weg kreuzt. 220 Kurse und Seminare biete man im Jahr an, erklärt die Leiterin des stiftseigenen Bildungszentrums, bevor sie enteilt, um mit einem umfangreichen Programmheft zurückzukehren. So kann man sich etwa in der Kunst des schönen Schreibens oder der Kalligraphie anleiten lassen, lernen, Holzbrillen zu bauen oder Zwirnknöpfe zu machen, oder ein Kabarett-Seminar belegen. In einer der Räumlichkeiten wird gerade ein alter Thonet-Stuhl mit einer neuen Sitzfläche ausgestattet. Um "die Kunst des Wiener Geflechts" zu erlernen, sind die beiden Studenten der Architektur aus Wien gekommen. "Es ist eine schöne Abwechslung zur Theorie des Studiums", sagen sie.

Modern und traditionell
Unweit, in der stiftseigenen Glaswerkstätte, ist man trotz der mittäglichen Stunde ebenfalls nicht untätig. An zwei Werktischen werden alte, sakrale Bleiglasfenster restauriert. Auch die Glasmalerei hat Tradition in Schlierbach, seit mehr als 130 Jahren gehört die Glaswerkstätte zum Stift, fertigt heute jedoch nicht nur für den sakralen, sondern auch für den öffentlichen und privaten Bereich leuchtend bunte Glasobjekte verschiedenster Art.
In der Stiftskirche nimmt indes das Auge nur eine Farbe wahr. "Oh goldenes Haus" habe der Passauer Erzbischof gerufen, als er das Gotteshaus anlässlich der Einweihung 1726 erstmals betrat, erzählt der Abt. Wer es ihm gleichtut, kann nur beipflichten. Beinahe jeder Zentimeter an Wänden und Decke, der nicht Altar oder Gemälde ist, scheint mit Stuckaturen oder Fresken bedeckt. Ein barockes Meisterwerk, für das die Künstlerfamilie Carlone verantwortlich zeichnete – wenn auch nicht für das viele Gold. Weil die neue Stiftskirche bereits kurz nach ihrer Fertigstellung als altmodisch galt, ließ der damalige Abt sie überarbeiten. "Eine wahnwitzige Idee" nennt es Abt Nikolaus humorvoll, während er auf die goldenen Ranken und Blumenmuster aus Holz zeigt, die seither die Pilaster zieren. Dennoch ist die Stiftskirche sein Lieblingsplatz. Hier trifft er sich dreimal täglich mit seinen Mitbrüdern zum Gebet. Das prunkvolle Gotteshaus ist aber auch sein Sorgenkind. Feuchtigkeit, Holzwurmbefall und Schimmel setzen seinem prunkvollen Inneren arg zu. Eine Restaurierung ist ein kostspieliges und zeitaufwändiges Unterfangen. Dennoch: Der Anfang ist gemacht. Im September 2026 soll die Stiftskirche zur Gänze in neuem Glanz erstrahlen, exakt 300 Jahre nach ihrer Einweihung.
Die Geschichte von Stift und Käserei
Wie alles begann …
1355–1556 Im Jahr 903 als Burg erbaut, wurde das heutige Stift 200 Jahre als Frauenkloster geführt.
1620 Nach 64 Jahren, in denen das Stift leer stand, begannen am 9. Mai 1620 drei Zisterziensermönche von Stift Rein in Graz mit einer Wiederbesiedelung.
1917 Die Ära von Abt Alois Wiesinger, des mit 32 Jahren österreichweit jüngsten und am längsten dienenden Abtes (38 Jahre) beginnt. Er gründet das Stiftsgymnasium (1925), die Landwirtschaftsschule („Winterschule“ genannt), ein Laienbrüderinstitut und ein Kloster in Bolivien.
1924 Bruder Leonhard Kitzler gründet die heute größte Klosterkäserei Europas.
2020 Dem Konvent Stift Schlierbach gehören derzeit 24 Mitbrüder an, 18 leben im Haus, ihr Durchschnittsalter beträgt 58 Jahre. Als einziges Stift im Land wurden in Schlierbach heuer zwei Priesterweihen durchgeführt.
Mit Abt Nikolaus durch das Stift Schlierbach
Die OÖNachrichten, Stift und Käserei Schlierbach machen zwei mal zwei Personen ein besonderes Geschenk: Am Samstag, 21. November, (13.30 Uhr) werden die Gewinner von Abt Nikolaus Thiel persönlich durch das Stift mit seinen prunkvollen Räumlichkeiten geführt. Den Abschluss bildet ein Kaffee im Abt-Zimmer, außerdem bekommen Sie ein Genuss-Paket der Käserei mit auf den Heimweg.
Großartig!