Bürgermeister Josef Lechner dankt ab
GERETSBERG. Bürgermeister Josef Lechner (VP) hängt seinen Zweitberuf an den Nagel und übergibt die 15 Quadratmeter kleine, mintgrüne Amtsstube im Herbst an seinen Nachfolger.
Die Tage bis zum Ruhestand sind gezählt. Im Herbst, ein Jahr vor der Bürgermeisterwahl, dankt Josef Lechner ab. Dann wird auch das mintgrüne und mit Möbeln aus Birnenholz bestückte Bürgermeisterbüro im zweiten Stock übergeben. Der Nachfolger ist noch unbekannt.
Außer persönlichen Andenken, wie die 15 Jahre alte Aufnahme, die seine drei Kinder im Jugendalter zeigt, will der gelernte Tischler alles zurücklassen, obwohl Lechner zugibt, sich schwer von Dingen trennen zu können. "Ich hab’ mittlerweile drei Amtsleiter, drei Firmenchefs und drei Vizebürgermeister überdauert – nur meine Frau ist noch immer dieselbe", lacht der Sohn eines Landwirts.
"Ich bin kein Büromensch"
Was dem VP-Politiker weniger fehlen wird, ist die Zeit am Schreibtisch. "Ich bin kein Büromensch, sondern eher Handwerker. Denn die Aufgabe des Bürgermeisters ist nicht, sich im Büro aufzuhalten, sondern bei den Menschen zu sein", erklärt der gelernte Tischler. Seine gestalterischen Fähigkeiten spiegeln sich auch in der Einrichtung, die trotz seines früheren Berufs nicht von Lechner stammen, wieder. Die rund 15 Quadratmeter kleine Amtsstube wird größtenteils vom u-förmigen Schreibtisch ausgefüllt. "Der ist besonders g’schickt. Der Arbeitsbereich ist direkt vorm Fenster. Von dort aus seh’ ich, wer zu uns ins Gemeindeamt kommt", erklärt der Pensionist. Der Computer am Tischende ist selten im Einsatz. Ebenso der früher umstrittene Monitor in der Ecke. "Den hab’ ich vor 15 Jahren angeschafft, damit ich mitbekomme, was unten (Anm.: im Bürgerservice im Erdgeschoss) los ist. Mir wurde anfangs auch vorgeworfen, ich wolle alles überwachen."
Ton in Ton mit der hellen Wandfarbe ist auch ein kleines Gemälde vom Knauerteich, der an der nördlichen Ortseinfahrt von Geretsberg liegt. "Dazu fällt mir folgender Spruch ein: Geretsberg am Knauerteich. Rundherum liegt Österreich", sagt Lechner. Besucher, die zum Besprechungstisch gebeten werden, blicken direkt auf eine Zeichnung vom Krämerhaus, dem ältesten Gebäude im Zentrum von Geretsberg. Was besonders in der ordentlich aufgeräumten Stube ins Auge sticht, ist eine Ausgabe der OÖNachrichten vom 2. Juni 1951, dem Geburtstag von Josef Lechner. Neben dem eingerahmten Sonderdruck auf dem Wandregal sammelt der Bürgermeister auch Andenken. Zahlreiche Bücher werden im gegenüberliegendem Wandschrank aufbewahrt.
Neben Mostkrügen und Glastrophäen hebt sich Josef Lechner ein besonderes Werbegeschenk, das vor einer Wahl an die Bürger verteilt wurde, auf: ein kleiner Holzhobel mit dem Spruch "offen für Ihre Anliegen", der als Bieröffner dienen soll. "Wenn ich bei Geretsbergern auf Besuch komme, dann machen mir viele damit die Bierflasche auf", erzählt der einstige Ortsparteiobmann, der vor 40 Jahren den Schritt in die Politik wagte, Teil des Gemeinderats wurde und exakt vor 24,5 Jahren das Bürgermeisteramt von Alois Silberer übernahm.
Die Pflege der großen grünen Zimmerpflanze neben dem Wandverbau wird tunlichst den Kollegen überlassen. "Ich bin zwar sehr erdverbunden, aber kein Gärtner. Zuhause übernimmt meine Frau diesen Part. Wenn ich was erledige, dann wird’s mir angeschafft", erklärt der scheidende Bürgermeister. Neben den Pflichten im Garten soll auch endlich Zeit fürs Mundharmonikaspielen bleiben. "Außerdem reise ich gerne, betreibe viel Sport und geh’ Bergwandern. Mir wird in der Pension nicht fad."
Serie: Der Arbeitsplatz des Bürgermeisters
Geretsberg
Einwohner: 1121 Haupt- und 76 Nebenwohnsitze
Gemeindeamt: Das 1950 errichtete, schlossähnliche Gebäude wurde 1999 erweitert und saniert und thront vor dem Ortsplatz neben der Kirche. Neben der Amtsstube sowie dem Bürgerservice beherbergt das multifunktionelle Haus auch eine Zweitordination des Gemeindearztes, statt des Postamts einen Landjugendraum, die Spielgruppe und einen Mehrzweckraum.
Josef Lechner (63) ist gelernter Tischler. Der Vater von drei Kindern und vierfache Großvater wollte als Kind Maurer werden.