Schnitzel, zwei Flaschen Bier und dann der Galgen
STEYR. Ein Richterspruch, basierend auf falschen Zeugenaussagen, kostete den Schlosser Josef Ahrer sein junges Leben.
Der Ständestaat machte mit dem 26-jährigen Schlosser Josef Ahrer kurzen Prozess, was mit dem während der Februartage verhängten Standrecht geschah. Bereits am Samstag, 17. Februar, wurde der Schutzbündler vor das Schnellgericht in Steyr gestellt. Ahrer soll am Montag, an dem der Arbeiteraufstand begonnen hat, einen Doppelmord begangen haben.
Als Ahrer mit Kameraden vom Schutzbund in der Baracke in der Kammermayrstraße 10, in der er mit seiner Lebensgefährtin wohnte, Waffen hervorgeholt hatte, die unter dem Fußboden versteckt waren, kam es zu einer Auseinandersetzung mit Heimwehrern, die ebenfalls in der Behausung wohnten. Angehörige der beiden Toten, der Heimwehrleute Johann Zehetner und Josefa Nagleseder, bezichtigten Ahrer als Todesschützen. Nicht nur, dass bei dem Standrechtsprozess überhaupt kein einziger Augenzeuge namhaft gemacht werden konnte, verwickelten sich auch die Belastungszeugen in gröbste Widersprüche. Heute ist bewiesen, dass Ahrer unschuldig gehenkt wurde.
Der Kreisrichter Dr. Ganzwohl kam trotzdem zu einem Todesurteil. Aus heutiger Sicht könnte man fragen, ob er nicht sogar befangen war: In seiner Einvernahme schilderte Ahrer als unbeteiligter Augenzeuge auch die Ermordung des Werksdirektors der Steyr-Werke, Wilhelm Herbst, nur eine Viertelstunde nach der Schießerei in der Baracke. Herbst, der wenig Umgang pflegte, hat sich erst beim Polizeiball am 6. Februar mit Ganzwohl recht gut amüsiert, wie die "Steyrer Zeitung" schrieb. Jedenfalls legt das eine gewisse Freundschaftsbeziehung zwischen den beiden Honoratioren nahe.
Ganzwohl verurteilte noch am Samstagabend Ahrer wegen zweifachen Mordes zum Tod durch den Strang. Vom Vorwurf des "politischen Aufruhrs" sprach er den Angeklagten hingegen frei. Das war alles andere als ein (ohnehin belangloser) Gnadenakt: Ahrer hatte sich bei seinem Verhör nämlich gegenteilig als politischer Kämpfer gerechtfertigt, aber die beiden Morde stets geleugnet. Das Regime hatte es mit der Vollstreckung des Todesurteiles dann sehr eilig. Ahrer wurden gerade noch drei Stunden Aufschub für die Henkersmahlzeit – ein Wiener Schnitzel und zwei Flaschen Bier – gewährt. Dann holte man als Aushilfe einen gewissen Franz Wurm aus Garsten, der Ahrer fast eine Viertelstunde im Todeskampf quälte, weil sein Henkersknoten dem Verurteilten nicht gleich das Genick brach. Wurm hätte später eine Stelle in den Steyr-Werken bekommen sollen, aber die Arbeiter verhinderten seine Einstellung mit einem Streik.