Wenn Kinder trauern
Ulrike Pribil (55) leitet die Abteilung Mobiles Hospiz Palliative Care der Caritas und ist Geschäftsführerin des KinderPalliativNetzwerks OÖ.
OÖN: Welche Konzepte des Todes begegnen Ihnen bei Kindern?
Pribil: Kinder haben ihrem Alter und ihrer Entwicklung entsprechend unterschiedliche Konzepte von Krankheit, Tod und Trauer. Kinder können trauern. Das größte Problem ist oft, dass Kinder, vor allem jüngere Kinder, gar nicht als Trauernde wahrgenommen werden. Dadurch werden sie von Vorgängen rund um das Versterben einer nahestehenden Bezugsperson ausgeschlossen: "Sie sollen Oma so in Erinnerung behalten, wie sie war, bevor sie so krank wurde", heißt es. "Um es zu beschützen, lassen wir das Kind nicht am Begräbnis teilnehmen." Aber Kinder brauchen in der Regel diese Erfahrungen, um begreifen zu können, was passiert ist. Sonst nehmen wir ihnen wichtige Möglichkeiten des Abschiednehmens und geben einer oft beängstigenden Fantasie viel Raum.
Wenn Kinder schwer krank sind, hadern sie mit der Vorsehung, mit Gott, den Eltern …?
Über ein Verständnis von der Endgültigkeit des Todes, wie wir Erwachsene es haben, verfügen Kinder erst ab etwa zehn bis zwölf Jahren. Vorstellungen von kleinen Kindern sind oft sehr fantasievoll und auch tröstlich– "Papa ist im Himmel", "meine Schwester wohnt jetzt auf der schönsten Wolke". Jugendliche, die an einer unheilbaren Erkrankung leiden, hadern oft sehr mit ihrem Schicksal, fühlen sich um ihre Zukunft und ihr Leben betrogen. Sie setzen sich intensiv mit Sinnfragen auseinander, fragen nach dem Warum, suchen nach Antworten auf Fragen wie: "Was kommt nach dem Tod?" Sie brauchen ihre Peer-Group, die Auseinandersetzung mit Ethikfragen und Gestaltungsfreiraum ihr eigenes Sterben, das Abschiednehmen und ihre Trauer betreffend. Ein von mir betreuter 16-Jähriger hat seinem besten Freund gesagt, welche Musikstücke er bei seiner Verabschiedung wollte. Die Eltern, sagte er, möchte er damit nicht belasten. "Das würde sie nur sehr traurig machen, wenn sie wüssten, welche Gedanken ich mir mache."
Wie kommen Eltern über das fürchterliche Erlebnis, ein Kind zu verlieren, hinweg?
Indem die Erinnerungen an dieses Kind lebendig bleiben, über dieses Kind weiter gesprochen und erzählt wird, bekommen auch wieder mehr schöne und unbeschwerte Momente Raum und Zeit. Ein Vater hat mir rund ein Jahr nach dem Tod seiner kleinen Tochter gesagt: "Es ist schwer, ohne sie weiterzuleben, wir vermissen sie sehr. Wir sind aber auch sehr dankbar, dass wir sie kennenlernen durften und sie bei uns gehabt haben, obwohl die Zeit eine so kurze war. Das, was uns am meisten wehtut, ist, dass wir über unsere Tochter, über das, was wir mit ihr erlebt haben, bei unseren Familien, im Freundeskreis nicht mehr erzählen können.
"Ist Raum und Zeit zum Trauern in unserer Gesellschaft weniger geworden?
Der Umgang mit Abschied, Tod und Trauer ist grundsätzlich einem gesellschaftlichen Wandel unterzogen. Auch gibt es große kulturelle Unterschiede, die wir insbesondere in der Begleitung von Familien mit Migrationshintergrund beachten müssen. In unseren Erwachsenenteams sterben mehr als die Hälfte der Menschen ihrem Wunsch entsprechend zu Hause. Hier findet eine in der Regel viel intensivere Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer statt. Der Wunsch eines Schwerkranken, zu Hause betreut zu werden, zu Hause zu sterben, ist eine große Herausforderung für die gesamte Familie. Oft äußern die Angehörigen große Dankbarkeit und Stolz, wenn sie diesen Wunsch erfüllen konnten und betonen, wie wichtig diese Zeit des Abschiednehmens für den Umgang mit ihrer eigenen Trauer ist.
Wie gehen Sie mit so viel Trauer um?
Ich schätze mich sehr glücklich, dass der Teil meiner Arbeit, in dem ich Kinder und ihre Familien in der Zeit der Erkrankung, in der Zeit des Abschiednehmens und der Trauer begleite, für mich zur Berufung geworden ist.
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