Aufbruch an Ground Zero: Tief hinunter, hoch hinaus
Mit der Eröffnung des "Nationalen 9-11-Museums" und der baldigen Fertigstellung des "One World Trade Centers" erreicht New York einen wichtigen Meilenstein. OÖNachrichten-Korrespondent Thomas J. Spang über den Aufbruch an Ground Zero.
Plötzlich denkt Virginia "Ginny" Bauer, es sei wieder der 11. September. Die Stimmen am Ende der Rampe klingen wie die ersten Info-Fetzen, die sie an jenem Dienstagmorgen in ihrer Küche hörte. Ein Flugzeug. 8 Uhr 46. World Trade Center. Ein zweites. "Ich spürte noch einmal die Angst um David, der sein Büro auf der 105. Etage im Nordturm hatte", erzählt die Witwe des Investment-Bankers, die vorbei an einem übriggebliebenen Stahldreizack der Außenfassade über eine Rampe immer weiter in das "Nationale 9-11-Museum" hingezogen wird.
Sieben Stockwerke geht es hinunter in die Tiefen von "Ground Zero", wo sich das Museum unter den schwarzen Granitbecken des vor zwei Jahren eingeweihten Denkmals auf dem Grundriss der ehemaligen Zwillingstürme über 11.000 Quadratmeter ausbreitet. Das von Michael Arad entworfene Monument mit seinen reflektierenden Wasserwänden sitzt gewissermaßen als Dach auf der unterirdischen Ausstellungsfläche, die Präsident Barack Obama am Donnerstag eingeweiht hat. Ginny erlebt den Weg in die Tiefe nicht nur als physische Annäherung, sondern emotional überwältigend.
Stille Trauer
"Der härteste Tag in meinem Leben seit dem 11. September", sagt sie nach der exklusiven Vorbesichtigung des Museums, das am 21. Mai für den Publikumsverkehr öffnet. Mit dem Verlust Davids hat die Witwe umzugehen gelernt. Ihre Trauer behält sie für sich, wenn sie zärtlich über den im Beckenrand eingravierten Namen ihrer großen Liebe streicht. Auch als Opfer wollte sich die Power-Frau nie sehen.
Stattdessen zog sie ihre drei Kinder groß, engagierte sich für die Entschädigung der Betroffenen, landete im Aufsichtsrat der Port Authority, der das Gelände des World-Trade-Center gehört und ging dann als Ministerin in die Landespolitik ihres Heimatstaats New Jersey. Vor ein paar Jahren heiratete sie ihren zweiten Mann Donald, übernahm die Führung einer auf Personensicherheit spezialisierten Firma, und engagiert sich ehrenamtlich im Kuratorium des 9-11-Denkmals. Auf die Erfahrung des Museums-Besuchs bereitete sie all das nicht vor.
Es waren weniger Exponate wie der zerstörte Feuerwehrwagen, das Flugzeugteil mit der Fensterluke, die eingestaubte Auslage eines Jeans-Ladens oder die integrierte Fluchttreppe, über die sich Überlebende retten konnten, die Ginny beeindruckten. Sprachlos stand sie vor den gelben Frauenschuhen, deren Schmutz erahnen lässt, was der Trägerin an diesem Tag wiederfuhr. Eines der rund zehntausend Ausstellungsstücke, die Angehörige, Betroffene und Bergungsarbeiter dem Museum schenkten.
Raum der Erinnerungen
Bewegend sind auch die interaktiven Installationen im Erinnerungsraum unter dem Südbecken, die aus dem Leben der 2983 Opfer erzählen. "Selbst wer auf einem anderen Planeten lebte, wird nach dem Besuch verstehen, was hier passierte", meint Ginny als wir vor dem Glas-Atrium des Museums über die Wirkung der Ausstellung sprechen.
Die Erfahrung sei so eindringlich, dass die Kontroverse um das unglücklich ausgewählte Motto des Museums dahinter verblasse. "Nicht einen Tag sollst Du von der Erinnerung der Zeit gelöscht sein", prangt am Ende der Rampe ein Zitat des römischen Dichters Vergil an der Wand. Dummerweise rühmt der Poet die falschen Helden. "Nisus und Euryalus waren auf einer Selbstmordmission", meint die renommierte Altertumsforscherin Helen Morales über die blutrünstigen Trojaner. Vorfahren der Terroristen gewissermaßen, die Osama bin Laden auf ihre teuflische Mission schickte. "Schockierend unpassend", wie die Gelehrte findet.
Ginny hält den Vorwurf für übertrieben. "Jeder weiß was gemeint ist", nimmt sie Museums-Direktorin Alice Greenwald in Schutz, die kurz über den Weg huscht. Bauer gratuliert ihr zu der "gelungenen Balance aus Gedenken, Information und Reflexion" und erkundigt sich wie die Vorbereitungen zur Eröffnung für den Publikumsverkehr am 21. Mai liefen. "Danke, absolut verrückt", antwortet sie in Eile. Für die Auslandspresse hat sie keine Zeit.
Die Kontroversen und Widrigkeiten, die das Museum seit seiner Konzeption vor mehr als einem Jahrzehnt begleiten, haben dem Interesse keinen Abbruch getan. Neugierig versuchen Besucher "Ground Zeros durch die verspiegelten Scheiben einen Blick des Inneren zu erhaschen. Binnen Stunden nach Beginn des Online-Verkaufs (www.911memorial.org/blog/911-museum-tickets-available-now) waren die ersten mehr als 30.000 Tickets zum Preis von jeweils 24 Dollar vergriffen.
Einige Familienangehörige finden es geschmacklos, Eintritt für einen Ort zu verlangen, der gleichzeitig letzte Ruhestätte mehrerer tausend nicht identifizierter Leichenteile ist, die bis dahin in den Büros der New Yorker Gerichtsmedizin lagerten. Lee Ielpi (70) hat damit kein Problem. Er ist froh, dass die anderen Väter der "Band of Dads", die nach dem 11. September in den Ruinen der Zwillingstürme nach ihren vermissten Feuerwehr-Söhnen suchten und nicht ein Fitzelchen DNA fanden, im Museum nun einen würdigen Ort der Erinnerung haben.
"Ich bin am 11. September gekommen und habe Ground Zero seitdem nie wieder verlassen," erzählte Lee vor zehn Jahren als wir uns das erste Mal trafen. Nach Ende der Bergungsarbeiten engagierte sich der pensionierte Feuerwehrmann bei der "September 11th Familie’s Association". Auf seine Initiative geht der "Tribute Center" zurück, der seit Jahren kostenlose Führungen gegen das Vergessen anbietet. Die Einweihung des Museums sei ein wichtiger Meilenstein. "Vielleicht kann ich jetzt nach Hause gehen".
Der nächste symbolische Zeitpunkt naht, wenn im November "One World Trade Center" eröffnet. Mit 541 Metern ist er heute schon der höchste Wolkenkratzer der westlichen Hemisphäre. In Fuß entspricht 1776 dem Jahr der Unabhängigkeit der USA. Der Koloss aus Stahl und Glas ist das Gegenstück zum Museum. Während die Erinnerung tief in "Ground Zero" eintaucht, triumphiert der 105 Stockwerke hohe Bau an der Skyline von New York. Ausdruck der Selbstbehauptung und des Aufbruchs einer Gesellschaft, die sich durch Terror nicht einschüchtern lässt.
Das neue Wahrzeichen
Vor dem neuen Wahrzeichen riecht es nach frischem Asphalt. Proper stehen die Bäume in Reih und Glied, deren Bewässerung von Mikrochips kontrolliert werden. In den kommenden Tagen soll der Bauzaun verschwinden. "Es wächst dann zusammen, was zusammen gehört", meint Jordan Barowitz von der Durst Corporation, dem Baukonzern, der die Vision der Architekten Daniel Libeskind und David Childs Realität werden ließ. "Wir haben 13 Jahre lang darauf gewartet."
Bis zu den Musterbüros des One World Trade Centers in der 63. Etage dauert es nicht einmal 30 Sekunden. Eine zweite Aufzugsgruppe beamt Besucher anschließend in ungefähr derselben Zeit bis ganz nach oben. Schnell genug, Druck auf den Ohren zu spüren. Wer zum ersten Mal aus dem Lift steigt, wird von dem Blick überwältigt.
Irgendwo am Ende des Horizonts liegt der Atlantische Ozean. Wer genau hinschaut, erkennt den Vergnügungspark von Coney Island. Hubschrauber schwirren um die Lady Liberty wie Bienen um eine Blüte. In die andere Richtung fällt der Blick herab auf das Empire State Building und die Brooklyn Bridge. "Suchen Sie sich die beste Aussicht aus", kokettiert Barowitz mit der überwältigenden Aussicht. Obwohl noch knapp die Hälfte der Bürofläche leer steht macht er sich nicht die geringste Sorge um die Vermietung.
Ein Bau für die Zukunft
Routiniert zählt er die Vorzüge auf: Der einmalige Standort mit einer Adresse, die jedes Kind rund um die Welt kennt. Die Nachhaltigkeit der Bauweise, die flexible Raumeinteilung, die von der säulenfreien Statik profitiert, der steuerbegünstigte Mietpreis ab 74 Dollar pro Qudratfuß und die Verkehrsanbindung über das futuristische Transport-Zentrum, das der Spanier Santiago Calatrava entworfen hat und die Einkaufsmöglichkeiten. Nicht zu vergessen die einmaligen Sicherheits-Vorkehrungen, die den mit Luxemburger Stahlpfählen verankerten Wolkenkratzer bombensicher machen.
One World Trade Center steht für die Zukunft. Dem Gestern ist das Museum gewidmet. Das Denkmal dient als Verbindungsglied. Alles zusammen macht heute den Ort aus, der als "Ground Zero" in die Geschichte einging. Letzte Ruhestätte für die vielen niemals gefundenen Opfer, Erinnerungsort für die Angehörigen, Nachbarschaft der Jungen, die nach Lower Manhattan zogen als sich viele andere nicht trauten. Ein lebendiger Ort, der wie 9-11-Witwe Ginny Bauer findet, von all den Rangeleien um den Wiederaufbau profitiert hat.
"Die klaffende Wunde im Herzen New Yorks reflektierte unsere Seelenlage als Nation," macht sie Sinn aus der eingezäunten Baugrube, in der sich an der Oberfläche über Jahre frustrierend wenig tat. "Wir waren einfach nicht soweit". Das ist nun anders. Wenn die letzten Zäune Ende des Jahres verschwunden sind, beginnt am Geburtsort New York einmal mehr etwas Neues. Die Stadt hat sich Ground Zero zurückgeholt. Offener, schöner und besser angebunden als je zuvor.
Daten und Fakten
Ground Zero: Der General-Plan für „Ground Zero stammt von Daniel Libeskind, der 2002 einen Wettbewerb für die Neugestaltung des Geländes gewann. Auf einer Fläche von rund 15 Fußballfeldern entwarf er die Vision des 1776 Fuß hohen „One World Trade Centers“. Realisiert hat ihn dann Stararchitekt David Childs.
Auf den Original-Grundrissen der Zwillingstürme entstand das von Michael Arad designte 9-11-Denkmal „Reflecting Abscence“. Es besteht aus zwei gewaltigen Granitbecken, an deren Wänden Wasser herunter läuft. Auf dem Beckenrand sind die Namen der Opfer des 11. September eingraviert. Dazwischen steht das Museum zum 11. September. Unmittelbar dahinter erhebt sich das von Santiago Calatrava designte Transportzentrum, dessen Fertigstellung im Dezember 2015 erwartet wird.
Vergangenen November öffnete „4 World Trade Center“ als erster Neubau auf Ground Zero seine Pforten. „2 World Trade Center“ von Norman Foster soll 2016 fertig werden, Richard Rogers „3 World Trade Center“ danach.
Geplant ist darüber hinaus ein Kultur-und Konzertzentrum für das Star-Architekt Frank Gehry den Zuschlag erhielt. Die Gesamtkosten für den Wiederaufbau auf Ground Zero kletterten zuletzt auf 14,8 Milliarden US-Dollar.
One World Trade Center: Der Grundstein für den wegen Sicherheitsbedenken mehrfach re-designten Wolkenkratzer wurde am 26. April 2006 gelegt. Der realisierte Entwurf stammt von David Childs, der die ersten Etagen fensterlos konzipiert hat.
Die Betonwände sind doppelt so dick wie die des Hoover-Damms, die 12.774 Glasscheiben deutlich widerstandsfähiger als übliches Glas. One World Trade Center verbaute so viel Material, dass sich die für den Transport benötigten Lkw von New York bis nach Miami aneinanderreihen ließen.
Der 3,9 Milliarden Dollar teure Bau bietet auf 105 Stockwerken 300.000 Quadratmeter Büroflächen. Trotz der enormen Herausforderungen kam nicht ein einziger der 10.000 Arbeiter ums Leben, die an dem neuen Wahrzeichen New Yorks über die Jahre gebaut haben.
Heute schraubt sich „One World Trade Center“ wie eine Spirale 1776 Fuß (541 Meter) in den Himmel über New York und ist damit das höchste Gebäude der westlichen Hemisphäre. Übertroffen nur vom Makkah Clock Royal Tower (1972 Fuß) in Saudi Arabien und dem Burj Khalfia (2717 Fuß) in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Sein Fundament steht auf Stahl aus Luxemburg, der als der härteste der Welt gilt. Seit dem 10. Mai 2013 sitzt die Spitze auf dem Dach und brachte die Außenarbeiten so gut wie zum Abschluss.
Die Eröffnung ist nach dem Innenausbau im November dieses Jahres geplant. Als größte Mieter werden die US-Regierung, das Vantone China Center und das Medienhaus Conde Nast einziehen. 55 Prozent des Gebäudes ist vermietet.
Nicht nur große Unternehmen sind willkommen. Büroflächen lassen sich bei der Durst Corporation bereits ab 200 Quadratmeter anmieten.
Nationales 9-11-Museum: Das 9-11-Museum steht auf den Fundamenten der ehemaligen Zwillingstürme des World Trade Centers. Der mit einem Glasatrium der norwegischen Architektur-Firma Snohetta überbaute Eingang führt die Besucher über eine Treppe und Rampe sieben Stockwerke tief unter die Erde.
Die 11.000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche erstreckt sich unter den Granitbecken, die heute den Grundriss des Nord- und Südturms als Denkmal markieren. Didaktisch teilt sich das von Davis Brody Bond konzipierte Museum in vier Bereiche auf.
Eine historische Ausstellung dokumentiert die Ereignisse am Tag des 11. September selbst, die Vorgeschichte und was
danach kam.
„In Memoriam“ heißt der Bereich, in dem die Besucher eine Galerie mit den Fotos der fast 3.000 Opfer sehen. Im Wechsel gezeigt werden persönliche Gegenstände der Ermordeten. Über Touchscreens können interaktive Zeugnisse von Angehörigen abgerufen werden.
Angrenzend findet sich der Raum in dem rund 14.000 nicht identifizierte Leichenteile ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Die „Foundation Hall“ verschafft einen Eindruck von der schieren Größe des World Trade Centers. Sie enthält die Dichtungswand, die am 11. September dem Einsturz widerstand und den Hudson River zurückhielt. Hier steht auch die 36 Fuß hohe „Letzte Säule“, an der Arbeiter und Rettungshelfer Botschaften anhefteten.
Schließlich gibt es noch einen Schulungs-Bereich mit vier Klassenzimmer, der für verschiedene Zwecke genutzt werden kann.
Insgesamt beherbergt das Museum 23.000 Bilder, 10.300 Exponate, 2.100 Archiv-Dokumente und 500 Stunden an Filmaufnahmen.
Das Museum öffnet am 25. Mai für Besucher seine Tore. Der Eintritt kostet 24 Dollar und muss vorher reserviert werden.
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Gerne geben die USA eine Milliarde aus, um den Mythos vom 11. September zu zementieren, der auf Lügen basiert. Für die "Aufklärung" durch die 9/11 Commission mussten 15 Millionen reichen und einige Mitglieder haben nachher angegeben, dass Ihre Untersuchung massiv behindert wurde, denn die Regierung Bush war von Anfang an nicht an Aufklärung interessiert (hat der Untersuchung auch erst auf Druck der Familienmitglieder der Opfer 442 Tage nach den Anschlägen zugestimmt). Das erste Opfer des Krieges (in diesem Fall „gegen den Terror“) ist eben die Wahrheit.