Von der Tagespost zu den OÖNachrichten
Wie aus einer bedruckten Doppelseite 1865 die stärkste Stimme der Oberösterreicher geworden ist.
- Tagespost und OÖNachrichten im Rückspiegel: Prägende Persönlichkeiten und tiefgreifender Wandel der gesamten Medienbranche.
Linz fängt nach und nach an, das Gepräge, wenn auch nicht einer Großstadt, so doch einer größeren Stadt anzunehmen und bemüht sich, nach Maßgabe der ihm zu Gebote stehenden Kräfte, der kaiserlichen Metropole möglichst ähnlich zu werden. So lautet der heute antiquiert klingende erste Satz in Kurrent-Schrift in der Erstausgabe der Tages-Post vom 1. Jänner 1865. Die periodisch erscheinende Zeitung wurde vom gelernten Buchdrucker Josef Wimmer herausgegeben, um das Druckerei-Geschäft anzukurbeln. Das war vor 150 Jahren der Grundstein für die Erfolgsgeschichte des Medienhauses Wimmer.
Die Anfänge dieser Geschichte lassen sich noch weiter zurückverfolgen. 1701 erhielt der Drucker Franz Zachäus Auinger das kaiserliche Privileg zum Druck der „Linzer Zeitung“. 1843 übernahm Josef Wimmer diese Druckerei. Der Namenspatron des Medienhauses an der Promenade ist ein Vorfahre des aktuellen Eigentümers und Herausgebers der OÖNachrichten Rudolf Andreas Cuturi.
Die Abonnentenzahl der „Linzer Tagespost“ wuchs im Jahre 1899 auf 10.000, im Jahre 1912 auf 20.000 und im Jahre 1919 auf 31.000 an. Ein Standbein und Aushängeschild der Druckerei „Wimmers gelber Fahrplan“ erreichte im Jahr 1913 eine Rekordauflage von 215.000 Stück. Der Erste Weltkrieg war ein Einschnitt. Mitarbeiter starben an der Front, die Armee zog Bleivorräte ein, die Auflagenzahlen schrumpften. Julius Wimmer führte das Unternehmen umsichtig durch schwierige Zeiten, wandelte es in eine KG um und beschäftigte 1929 an die 300 Mitarbeiter. An seiner Seite war stets sein leitender Mitarbeiter Heinrich Schneeberger. Nach dem „Anschluss“ wurde der Einfluss der Familie Wimmer auf den redaktionellen Teil der Tagespost unterbunden. Das Blatt verkam zum Propaganda-Sprachrohr für die Nationalsozialisten.
Geburt der OÖN und Neustart für Tagespost
Am 5. Juni 1945 eilt ein 46-jähriger Mann durch das von Bomben schwer getroffene Linz. Er ist zu einer bis dato unbekannten Dienststelle der amerikanischen Armee „dringend“ vorgeladen.
Die einstigen Redaktionsräume der Tages-Post an der Promenade. Dort sitzt der Mann sechs amerikanischen Offizieren gegenüber, die ihm erklären, er soll in ihrem Auftrag eine neue, an demokratischen Werten orientierte Tageszeitung für Oberösterreich machen. Als der Mann am selben Tag das Haus verlässt, ist er leitender Redakteur. Das neue Blatt soll Oberösterreichische Nachrichten heißen, der Name des Mannes lautet Franz Lettner. Gemeinsam mit den Amerikanern stellte er ein sechsköpfiges Team zusammen, das sich sogleich an die Arbeit machte. Schließlich war das Ziel der Anstrengungen erreicht, wie sich Reporter Franz Pilsl erinnerte: „Ich sehe heute noch Chefredakteur Franz Lettner, als er mit der Nummer 1 der Oberösterreichischen Nachrichten ins Zimmer kam und wir das ,große Werk‘ studierten.“
Julius Wimmer war zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Das Schicksal ersparte ihm die aufreibende Nachkriegszeit. Die Amerikaner setzten nämlich den Selfmademan Hans Behrmann zum öffentlichen Verwalter des Medienunternehmens ein. Vieles an diesem Mann war mehr Schein als Sein. Behrmann wurde später wegen hoher Schulden und illegalen Devisengeschäften verurteilt.
Ab 1953 war der VP-Nationalrats-Abgeordnete Alfred Maleta Alleineigentümer der OÖNachrichten. 1953 wurde aber auch die Zwangsverpachtung der Druckerei Wimmer aufgehoben. Das war das Comeback für die Linzer Tagespost und die Nachfahren von Josef und Julius Wimmer. Zwei Jahre lang führten Tagespost und Nachrichten einen erbitterten Konkurrenzkampf. 1955 beschlossen Maleta und die Gesellschafter der Wimmer-Gruppe die beiden Zeitungen zu vereinen. Harold Stobitzer nahm von 1954 bis 1982 als Geschäftsführer und Vertreter der Wimmer Gruppe eine maßgebliche Position in dem Unternehmen ein. Er war damit genau so eine der Schlüsselfiguren wie der langjährige Chefredakteur Hermann Polz, der im vergangenen Jahr gestorben ist.
Wimmers Nachfahre kommt an Bord
Rudolf Andreas Cuturi trat am 1. Jänner 1973 in das Unternehmen ein, trieb Ausbau und Modernisierung des Unternehmens voran. Viele kleine und große Revolutionen in der Produktion einer Tageszeitung hat das Medienhaus Wimmer in den vergangenen 150 Jahren erlebt. Die journalistischen Grundtugenden waren dabei genauso eine Konstante wie der hohe Qualitätsanspruch in der Herstellung.
Bis Februar 1983 wurden die OÖNachrichten im Bleisatz produziert. Die Redakteure tippten ihre Artikel auf Schreibmaschinen. In der Hauptproduktionszeit, wenn alle gleichzeitig in die Tasten hauten, verstand man sein eigenes Wort kaum, mutete der Lärm aus den Büros wie Maschinengewehr-Salven an.
In der Setzerei stellten Redakteur und Metteur eine Seite zusammen – ebenfalls unter erheblicher Lärmbelastung und mit großem Aufwand. Die Bleizeilen mussten oft mit einer Kreissäge zurechtgeschnitten werden. Mit dem Einzug der EDV wurde alles anders – und doch auch wieder nicht. Das Kerngeschäft des Journalisten besteht bis heute aus möglichst brillanten Ideen, gründlicher Recherche und gutem Stil.
Unternehmen wieder in Familien-Besitz
Mit Verlagsdirektor Werner Schrotta an der Seite, gelingt es Rudolf Andreas Cuturi 1986 die Firmenanteile Maletas zu erwerben. Schreibmaschinen, Setzer und Kreissägen sind Geschichte. Über den Umweg des Fotosatzes wird seit den 1990er-Jahren jede Seite der OÖN ausschließlich auf dem Computer layoutiert. Es ist leiser geworden im Verlagshaus Promenade 23. Zumal 2003 der Zeitungsdruck in das neue Druckzentrum in Pasching übersiedelt ist.
Die OÖNachrichten sind zum Landeshauptblatt aufgestiegen und ein täglicher Begleiter für viele Oberösterreicher. Zu den Wegmarken bis heute zählen unter anderem die Universität, das Brucknerhaus, die starke Lokalisierung mit Redaktions-Standorten in den Regionen oder die Medizin-Fakultät an der JKU. Was Josef Wimmer und später sein Sohn Julius Wimmer aufgebaut haben, nämlich die wichtigste Nachrichten-Zentrale des Landes, setzt Eigentümer Cuturi fort: Mit den Promenaden-Galerien werden Vergangenheit und Zukunft des Wimmer-Medien-Betriebs an der Adresse Promenade 23 zusammengeführt.
Die Historie im Überblick
- 1843: Josef Wimmer übernimmt die Druckerei von seiner verstorbenen Frau – und 28.000 Gulden Schulden (2 Millionen Euro)
- 1845: Josef Wimmer heiratet erneut
- 1863: Erweiterung der Druckerei: Wimmer kauft ein 38 Quadratklafter großes Gartengrundstück
- 1865: Die erste Ausgabe der Linzer Tages-Post erscheint. 81 Leser abonnieren die Zeitung.
- 1871: Die „Tagespost“ (Auflage: 2000 Exemplare) schreibt schwarze Zahlen.
- 1876: Wimmers ältester Sohn Julius steigt ins Geschäft ein.
- 1885: Kaufvertrag für das Haus Promenade 23, dem heutigen Stammsitz, wird unterschrieben.
- 1889: Julius Wimmer übernimmt das Geschäft.
- 1894: Josef Wimmer stirbt am 22. Mai
- 1895: Die erste Schreibmaschine wird verwendet.
- 1897: Die Druckerei verfügt über eine elektrische Beleuchtung.
- 1914: 1. Weltkrieg: Erst 28, dann 86 Mitarbeiter müssen einrücken.
- 1938: Nach dem Anschluss wird der Einfluss der Familie Wimmer auf die Zeitung unterbunden.
- 1945: Die Amerikaner erteilen die Lizenz zur Herausgabe einer neuen Tageszeitung, der „OÖN“. Am 8. September stirbt Julius Wimmer.
- 1947: Der Familie Wimmer-Streit wird die Erlaubnis zur Wiederherausgabe der „Tagespost“ erteilt.
- 1955: Die Herausgeber der OÖN und der Tages-Post (Wimmer-Gruppe) beschließen eine Fusion
- 1973: Rudolf Andreas Cuturi wird Geschäftsführer
- 1978: Grete Streit stirbt am 8. September und Antonio Cuturi am 30. November. Rudolf Andreas Cuturi wird Hauptgesellschafter.
- 2003: Im September wird das Druckzentrum in Pasching eröffnet
- 2014: Abriss der alten Gebäude in der Steingasse inklusive der alten Druckerei.
- 2017: Das neue Medienhaus und die „Promenaden Galerien“ sollen eröffnet werden.
Verlagshistorie: Von Josef Wimmer bis Rudolf A. Cuturi
Der Erfolg als Verleger ist Josef Wimmer nicht in den Schoß gefallen. Wimmer wird am 27. April 1808 als Sohn eines Bäckermeisters in Linz geboren. Als Kind ist er häufig sich selbst überlassen. Bei einem Sturz aus einer Zille in die Donau verliert er fast sein Leben. Bei Johann Christian Quandt erlernt Wimmer das Buchdrucker-Handwerk.
1843 übernimmt Josef Wimmer nach dem Tod seiner Frau deren Druckereigeschäft und das Haus Herrenstraße 6 in Linz. Fünf Gulden Bargeld stehen 28.000 Gulden Schulden (ungefähr 2 Millionen Euro) gegenüber.
Mit der Heirat seiner zweiten Frau aus gutem Hause kann Wimmer die finanzielle Not des Betriebs lindern. Am 1. Jänner 1865 erscheint die erste Ausgabe der „Tagespost“. Elf Jahre danach steigt Wimmers Sohn Julius in das Geschäft ein. 1894 stirbt Josef Wimmer im 87. Lebensjahr. Er saß unter anderem im Gemeinderat der Stadt Linz und fungierte auch als Direktor der Allgemeien Sparcasse und Leihanstalt“ Sohn Julius führt das Unternehmen weiter. In seiner Freizeit war er engagierter Volkskundler und innovativer Fotograf. Er führt die Firma durch den Ersten Weltkrieg, überschreibt Teile der Wimmer KG an seine Tochter Grete und deren Mann Oskar Streit. 1936 wird Julius Wimmer zum Linzer Ehrenbürger ernannt.
Nach dem „Anschluss“ wird der Einfluss der Familie Wimmer auf die Zeitung völlig unterbunden. In diesem Jahr heiratet Ilse Streit in Wilhering Antonio Cuturi, den Vater des aktuellen Besitzers des Medienhauses Wimmer, Rudolf Andreas Cuturi (geb. 1. April 1944 in Eberswalde bei Berlin). 1945 erscheinen zum ersten Mal die OÖNachrichten, gedruckt auf Wimmer-Pressen. Julius Wimmer stirbt im 89. Lebensjahr. Ab 1973 ist Rudolf A. Cuturi als Geschäftsführer bei Wimmer Medien tätig. Er leitet damals einen Modernisierungsprozess in dem Verlagshaus ein, der bis heute andauert.
Zäher Start, stürmische Zeit
- Josef Wimmer gründete die „Tagespost“, um seine Linzer Druckerei auszulasten. Wenige Jahre später stand der Liberale im Kulturkampf mit der Kirche.
Als Josef Wimmer in seinem 57. Lebensjahr am 1. Jänner 1865 die Zeitung „Tagespost“ erscheinen ließ, ging es ihm weniger darum, ein wichtiges politisches Blatt in stürmischen Zeiten zu machen, als darum, weggefallene Geschäftsfelder zu ersetzen.
War in den Jahren zuvor die Druckerei in der Linzer Innenstadt wegen der vielen öffentlichen Aufträge im Gefolge der Umbrüche des Revolutionsjahres 1848 für die neu entstehenden Behörden (Formulare, Gerichtsbücher und Ähnliches) gut ausgelastet und erweitert worden, so begann Anfang der 1860er-Jahre eine geschäftliche Flaute.
Die k. und k. Staatsdruckerei in Wien baute ihre Aktivitäten mit Wohlwollen von oben auf die meisten behördlichen Aufträge aus, den Hauptteil des Geschäftes mit den damals massenweise erzeugten Gebetbüchern hatte sich die lokale Konkurrenz gesichert, ebenso wie die lukrativen Druckarbeiten für den neu entstandenen Landtag.
So kam nach längeren Überlegungen, gescheiterten Versuchen mit anderen Verlegern und einer weiteren Wartezeit, verursacht von einem potenziellen „Redacteur“ und dessen Problemen mit dem von der Behörde verlangten „Sittenzeugnis“ (heute Leumundszeugnis) und nach einer nicht sehr gelungenen Probenummer zu Jahresbeginn 1865 die „Tages-Post“ heraus. Es sollte sechs Jahre dauern, bis das wochentags vier- und am Wochenende sechsseitige, kleinformatige Blatt Erträge abwarf. Zwei Wochen nach dem Start stieg man auf klassisches Format um.
Wie alles begann
Die erste Nummer, für die noch Josef Wimmer als Drucker, Verleger und Redakteur firmierte, zeigt die typische Vorsicht aller Anfänge. In einem Gedicht auf Seite 1 drückte man die Hoffnung auf Treue der Abonnenten aus – gezählte 81 waren es nach der ersten Nummer, ein Jahr später schon 1700, was damals keine schlechte Verbreitung war.
Auf Seite 2 dann Vermischtes: eine lustige Glosse über einen Fuhrmann, der seine Ochsen auf dem Gehsteig der Landstraße trotten ließ, weil ihm die Straße zu dreckig war; Internationales wie die Beratungen über die Enzyklika „Quanta cura“ von Papst Pius IX., die bald wilde Auseinandersetzungen auslöste.
Auf Seite 3 ein Bericht über den Dichter Adalbert Stifter, der krank gewesen war und bei dem sich der Großherzog von Sachsen-Weimar brieflich nach dem Befinden erkundigt hatte. Stifter hatte trotz Krankheit den ersten Band seines Romans „Witiko, der Ahnherr der Rosenberger“ druckfertig gemacht, berichtete die „Tagespost“. Die letzte Seite war oben der Werbung für die damals wie heute beliebten Lose gewidmet, die von Städten wie Triest, von Creditanstalten und auch von Rentenversicherungen angeboten wurden. Unten standen die Abfahrtszeiten der Züge der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn in Linz, einige wenige Aktien-Kurse und der Wetterbericht.
Der verurteilte Bischof
Wenige Jahre später war es mit der täuschenden Idylle auch in der Zeitung vorbei. Josef Wimmer, evangelischer Konfession und wie viele Unternehmer und Bildungsbürger gemäßigter Liberaler, geriet mit seinem Blatt in den europaweit tobenden „Kulturkampf“ zwischen der auf politischen Einfluss pochenden und den Vorrang des Staates ablehnenden katholischen Kirche in der Person von Papst Pius IX. und den dominierenden liberalen Vertretern einer auf Verfassungsrecht, gesetzlicher Gleichheit und wissenschaftlicher Vernunft beruhenden Gesellschaft.
In Linz äußerte sich das 1868 in einem weltweit Aufsehen erregenden Eklat zwischen Bischof Franz Joseph Rudigier und dem Landesgericht, das einen Hirtenbrief samt Boykottaufruf gegen die gerade verordnete Staatsschule, die freie Religionswahl und die Zivilehe („nicht mehr als ein Konkubinat“) beschlagnahmen und den Oberhirten polizeilich vorführen ließ. Rudigier wurde zu zwei Wochen Kerker verurteilt, tags darauf aber vom Kaiser begnadigt. Bald ließ er das „Linzer Volksblatt“ gründen, um ein Kampforgan gegen die „Tages-Post“ zu haben.
Eine Korrektur sei den Autoren des Artikels zu Kenntnis gebracht: 1865 wurde die Zeitung in Fraktur gedruckt; die Kurrentschrift ist eine Schreibschrift.
mhm
Schon seltsam dass in der Druckausgabe von Verlagsdirektor Werner Schrotter die Rede ist.
Kannte ihn doch jeder nur als SCHROTTA.
Zeigt das irgendwie von Qualitätsverlust?
Mehr gibts eh nicht zu sagen, die Fehler sind nicht mehr zu ‚toppen‘.
Ich erinnere mich noch an das Gautschen am Hauptplatz
Ein Brauch zur Abschlussprüfung von Buchdruckern.
Eine Gautschfeier fand auch noch auf der Verladerampe im Hof der OÖN statt.
Das dürfte ca. 1995 gewesen sein.
Und der Peschke (Lehrmeister der Setzer) war immer der Gautschmeister. Ein würdiger!