Landtag zwischen Zahnfüllungen und Zwei-Klassen-Medizin
LINZ. Konflikte um Sozialhilfe-Resolution und Kostensteigerung bei Pflichtschulbauprojekten.
Die heutige Sitzung des Landtags begann mit Trauerbekundungen. In der vergangenen Woche waren sowohl der frühere Landesrat und Wirtschaftskammerchef Rudolf Trauner (VP) als auch der ehemalige Landtagsabgeordnete Josef Reisinger (SP) verstorben.
In der drauffolgenden Fragestunde wollte SP-Abgeordnete Doris Magreiter von Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (VP) wissen, inwiefern die Kostensteigerung der Pflichtschulbauten von 408 Millionen Euro auf 903 Millionen auf die gestiegenen Baukosten zurückzuführen sei. Haberlander erklärte, dass eine prozentuelle Auflistung der auslösenden Faktoren nicht möglich sei. Die Kostensteigerung sei jedoch auch dadurch erklärbar, dass es die Abschätzung des Aufwands der dutzenden Projekt mit fortlaufender Dauer aktualisiert und konkretisiert werden konnte - zudem seien 50 neue Bauprojekte hinzugekommen.
Warum die Obergrenze von 300 Euro für die Wohnbauhilfe seit dem 1.1.2012 trotz Inflation nicht erhöht wurde, wollte der Dritte Landtagspräsident Peter Binder (SP) von Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FP) wissen. Haimbuchner erwiderte, dass man aus seinem Ressort Binders Frage im vergangenen Jahr bereits drei Mal schriftlich beantwortet habe, trotzdem beantworte er sie "sehr gerne" noch einmal mündlich: Haimbuchner verwies darauf, dass die Durchschnittsmiete in Österrreich 2023 bei 433 Euro liege, die höchstmögliche Wohnbeihilfe somit 70 Prozent abdecke. Die Beihilfe habe den Zweck, zu unterstützen, nicht die Wohnkosten "nahezu völlig zu decken".
"Zwei-Klassen-Medizin"
In einem dringlichen Antrag der SPÖ-Fraktion war es erneut Binder, der sich an das Plenum und vor allem die zuständige Landesrätin Haberlander wandte. Sie solle - unter Wahrung des Datenschutzes einen Bericht über die von den Roten vermutete "gelebte Praxis der bevorzugten Behandlung von Patienten mit Zusatzversicherung" erstellen. Wartezeiten für Untersuchungen und Termine für Menschen ohne Zusatzversicherung seien mittlerweile zu lang, diese "Zwei-Klassen-Medizin" müsse beseitigt werden, dazu brauche es eine objektive Erhebung.
VP-Landtagsabgeordnete Elisabeth Manhal sprach von einem "populistischen Antrag, der die Menschen verunsichere". Es handle sich um einen suggerierten "Klassenkampf, der Öl ins Feuer gieße". Ein Zwei-Klassen-System existiere "defacto" nicht, die Spitzenmedizin sei allen Bürgern in gleichen Maße zugänglich.
Die zweite Landtagspräsidentin Sabine Binder von der FPÖ sprach davon, dass die demografische Entwicklung natürlich eine Herausforderung für das Gesundheitssystem darstelle. Personalressourcen müssten kontinuierlich aufgestockt werden. Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Erstellung eines Berichts über potenzielle Bevorzugung von Zusatzversicherten räumte Binder ein - diese würde nur zusätzlichen bürokratischen Aufwand bedeuten.
Unterstützung für den Antrag kam von den Grünen. Jeder, der zusatzversichert sei, könne von Bevorzugung berichten, sagte Landtagsabgeordnete Ulrike Schwarz. Eine entsprechende Evaluierung sei deshalb wichtig.
Dagmar Häusler von der MFG begrüßte den Antrag der SPÖ grundsätzlich - sah aber sogar ein "Mehr-Klassen-System" und sprach dabei Krankheiten als "Profitsystem" an. Ein Antrag alleine reiche jedoch nicht, viel mehr brauche es eine völlige Entprivatisierung des Gesundheitssystems.
Der Antrag wurde schließlich mit Stimmen von VP und FP abgelehnt.
Streitthema Revisionsberichte und Sozialhilfe
Anlässlich der vermeintlichen Missstände an der Bruckner-Uni brachte SPÖ-Demokratiesprecher Tobias Höglinger - wie heute schon von den OÖN berichtet - einen Initiativantrag zur Veröffentlichung von Revisionsberichten ein. Dieser wurde schließlich mit Stimmen von VP und FP mehrheitlich abgelehnt.
Ein gemeinsamer Resolutionsantrag von FP und VP, das Modell der oberösterreichischen Sozialhilfe für ein "strengeres und wirksameres Grundsatzgesetz" im Bund heranzuziehen, um "eine gerechte Gestaltung der Sozialhilfe sicherzustellen", wurde indes mehrheitlich angenommen.
Dagegen stimmten die SPÖ, die Grünen. Für die grüne Ines Vukajlovic zeige das oberösterreichische Modell lediglich "wie man mit restriktiven Gesetzen die Armut nicht nur verschärft, sondern sie auch befeuert". In Krisenzeiten sei es wichtig, die finanziell Schwächsten wieder auf die Beine zu helfen. Das Sozialhilfemodell sei geprägt von einer "Neiddebatte und sozialer Kälte".
Eine gemeinsame Resolution aller Parteien zur Sicherstellung von Zahnfüllungen als Kassenleistung wurde indes einstimmig angenommen. Versagt wurde mit Stimmen von Schwarz und Blau jedoch die Forderung von SPÖ, Grüne und MFG, als Sofortmaßnahme die oberösterreichischen Rücklagen in der ÖGK (rund 500 Millionen Euro) heranzuziehen, um kostenlose Zahnfüllungen weiterhin finanzieren zu können.
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Definiere "Zwei-Klassen-Medizin":
Erste Klasse sind die, die ständig zum Arzt laufen, beim Arzt gute Kunden sind, schnell einen Termin bekommen und die Kasse stark beanspruchen.
Zweite Klasse sind die, die selbst gut auf ihre Gesundheit achten, selten zum Arzt gehen, aber laufend in die Kasse einzahlen. Wenn sie aber dann doch einmal ein Problem haben, bekommen sie einen Termin in 10 Monaten. Beim Arzt sind sie eben keine guten Kunden.
Da haben Sie jetzt ein bissi einen Schmarren verzapft.
Nein, habe ich nicht. Habe ich selbst letzte Woche erlebt. War das letztemal vor etwa 10 Jahren dort. War seither ohne Symptome. Jetzt habe ich wieder Probleme bekommen. Mir wurde gesagt frühestens in 10 Monaten. Sie wären mit Vor- und Nachsorgeuntersuchungen eingedeckt. Da wäre es schwierig neue Patienten aufzunehmen. Klar, zuerst kommen die ohne Symptome dran, die mit Symptomen müssen warten.
Hauptsache ich zahle brav die Prämie.
Der Arzt hat nichts davon, dass ich an die Krankenkasse eine Prämie bezahle. Der hat nur was davon, wenn ich in seine Praxis komme und noch mehr hat er davon, wenn ich privat bezahle.
Die Kasse wiederum steht besser da, wenn ich keinen Termin bekomme. Wenn ich nicht zum Arzt gehe, bleibt ihr das Geld. Oder ich zahle privat, dann muss die Kasse sogar nur 80% bezahlen, also eine win-win-Situation und die Kassenpatienten sitzen zwischen allen Stühlen.
Wenn die eine Hälfte der Mitglieder einer Krankenkasse sich aus Geringverdienern zusammensetzt und die andere Hälfte gar nichts einzahlt, kann es sich bei bestem Willen nicht ausgehen.
Der Staat soll für jede erwachsene Person, die zwar versichert ist, aber nichts beiträgt, eine angemessene Prämie einzahlen.
Meine Vorschläge zur Beseitigung der 2-Klassen-Medizin:
- Abschaffung der Wahlärzte —> nur mehr Kassenärzte oder Privatärzte. Das freiwerdende Geld in Ärztezentren mit Allgemein- und Fachärzten geben.
- Transparenzlisten in den Spitälern, die aufzeigen wie lange die Wartezeiten bei Kassenpatienten im Vergleich zu Klassepatienten sind.
- Pflicht jedes Spitals, Kassenpatienten ohne Zusatzversicherung in ein Sonderklassezimmer zu legen, sollte in der allgemeinen Klasse alles belegt sein, in der Sonderklassestation aber noch besonders viel frei sein (zB 50 % freie Kapazität)
- Erhöhung der Anzahl Studienplätze im Fach Medizin binnen 10 Jahren um 100 %.
- Reform des Prikraf: Staatliches Geld nur mehr für Privatspitäler, die auch Zimmer/Betten für die allgemeine Gebührenklasse führen
- schrittweises Auslaufenlassen aller Krankenversicherungen (und Fürsorgekassen) mit Ausnahme der ÖGK —> wer ins Berufsleben eintritt wird ausschließlich bei der ÖGK versichert, egal ob Bauer, Beamter oder Unternehmer.
... die demografische Entwicklung natürlich eine Herausforderung für das Gesundheitssystem ...
Es ist eine unverantwortliche Vorgehensweise, die extremen Kosten der "demographischen Entwicklung" allein den Kassenpatienten aufzubürden.
.. die Spitzenmedizin sei allen Bürgern in gleichen Maße zugänglich ...
Wer so wenig Ahnung vom Alltag der Bürger hat, sollte nicht in die Politik gehen.
Dagmar, eine totale Entprivatisierung des Gesundheitssystems heißt eine totale Entmündigung der Bürger in Sachen Gesundheit. Das ist der falsche Weg. Die Menschen müssen Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen.
Wer gut verdient, kann sich in allen Dingen ein besseres Leben gönnen. Es gibt keinen Grund in Sachen Gesundheit den Menschen zu verbieten, mehr Geld auszugeben.
Wir haben genug Kapazität für eine verantwortungsvolle medizinische Versorgung. Die Kapazität wird jedoch falsch verteilt, d.h. es gibt überhaupt keine vernünftige Organisation.
Wenn Menschen aufgefordert werden jährlich zur Vorsorge zu gehen und deshalb Menschen mit manifesten Symptomen auf dem gleichen Gebiet 10 Monate auf eine Untersuchung warten müssen, dann läuft etwas falsch im Gesundheitswesen.
Da Gust wird scho richten !
In welcher Welt lebt die Frau Manhal???? Aus ihrer Sicht gibt es keine Zweiklassen-Medizin. In dem Punkt hat sie allerdings recht. Es gibt eine Dreiklassen-Medizin. Die Holzklasse mit unfassbaren Wartezeiten und der oft verzweifelten Suche nach einem Hausarzt, der noch Patient*innen aufnimmt. Die Business-Class der Zusatzversicherten und schließlich die Firstclass: Zusatzversicherte mit guten Beziehungen zu leitenden Ärzt*innen.
Die Aufregung über die Zwei-Klassen-Medizin ist der berühmte „Sturm im Wasserglas“.
Der eigentliche und berechtigte Aufreger ist das Mehrklassensystem bei der Krankenversicherung. Menschen mit hohem Einkommen und gutem Risikoprofil in einer eigenen Krankenkasse profitieren von niedrigen Beiträgen und besseren Kassenleistungen. Sie leisten keinen Solidarbeitrag. Man muss die Probleme an der Wurzel packen. Warum spricht Binder das nicht an? Wären zu viele Parteikollegen von einer Änderung betroffen?
Eine Lösung könnte die Reduzierung auf wenige Krankenkassen sein, die jedem Bürger offenstehen und jederzeit auch gewechselt werden können. Nur dann hätten wir gleiche Bedingungen für alle Bürger und gleichzeitig einen Wettbewerb, der Krankenkassen von Wohlfühloasen zu wettbewerbsfähigen Unternehmen macht.
siehe Versicherungen für pragmatisierte Lehrer*innen, Beamt*innen. Daher stimme ich ihnen zu: Solidarbeitrag für alle, bei freier Kassenwahl. Nur darf dieses System nicht dazu führen, dass Versicherte, die viele Leistungen benötigen, aus den Verträgen "entlassen" werden.
Bei der Versicherung für "pragmatisierte Lehrer*innen, Beamt*innen" sagen Sie bitte aber auch dazu, dass diese Gruppe die Arztrechnungen vorher selber zahlen muss, diese dann in einem sehr umständlichen Verfahren bei der Kasse per Post einreichen muss (samt Zahlungsbestätigung) und dann die Rechnung erst im Nachhinein (abzüglich eines 10 %igen Selbstbehaltes) refundiert bekommt. Soweit mir das richtig bewusst ist, ist dies bei ÖGK Versicherten nicht der Fall, oder?
Wenn Lehrer und Beamte damit so hoffnungslos überfordert sind, wundert mich nichts mehr.
Nach all dem Quatsch, den Sie bisher zu diesem Thema abgesondert haben, würde es niemanden wundern, wenn Sie selber komplett neben den Schuhen stünden, wenn Sie sich selbst um die Abrechnung kümmern müssten.