Verhüllter Glanz – Fasten für die Augen
Mittels Fastentüchern Kirchenaltäre zu verhüllen, ist ein 1000 Jahre alter Brauch mit einer wechselvollen Geschichte.
Der Ursprung des Fastentuchs liegt vermutlich im jüdischen Tempelvorhang begründet, der im Neuen Testament im Zusammenhang mit dem Kreuzigungstod Jesu mehrfach erwähnt wurde. Eine Aufforderung ein Tuch anzubringen, das den gesamten Altar verhüllt, findet sich bereits im 9. Jahrhundert.
Später entwickelte sich die Altarverhüllung zu einer Bußübung für die Gläubigen. Nach mittelalterlicher Vorstellung waren die Sünder in der Fastenzeit unwürdig, den Hochaltar bzw. dem strahlenden Glanz seiner Gegenstände ansichtig zu werden. Den Gläubigen war lediglich erlaubt, das Geschehen des Gottesdienstes hörend mitzuverfolgen. Es wurde mit den Augen gefastet. Hierauf geht auch die alte Redewendung "am Hungertuch nagen" zurück, die nicht nur auf materielle Armut Bezug nimmt, sondern auch auf die optisch erzwungene scheinbare Gottferne. In der Schweiz, in Schwaben und im Elsass sind die Fastentücher bis heute als "Hungertücher" bekannt.
Verhängt werden die Altäre meist von Aschermittwoch bis Karsamstag. Manche Fastentücher werden aber auch zum Triduum Sacrum (Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag) abgenommen, also am Gründonnerstag. Durch das Verhüllen sollte zudem dem anschließenden Osterfest ein noch stärkerer Glanz verliehen werden.
Seine Hochblüte erlebte das Fastentuch im Alpenraum vom 15. bis ins 17. Jahrhundert. Damals wurde es auch üblich, das Tuch in rechteckige Felder zu unterteilen, die biblische Motive von der Schöpfungsgeschichte bis zum jüngsten Gericht zeigten. Erst ab dem 16. Jahrhundert wurden die Fastentücher in ihren Dimensionen kleiner und dienten nur noch zum Verhüllen des Altarbildes. Nicht nur die Größe, auch die Motive änderten sich. Vorwiegend Passionsszenen wurden dargestellt, am häufigsten die Kreuzigung Jesu, weshalb sie häufig auch Passionstücher heißen.
In den 60er Jahren neu belebt
Der Hochblüte folgten Jahrhunderte, in denen Fastentücher beinahe in Vergessenheit gerieten. Seit einigen Jahrzehnten erleben sie jedoch eine Renaissance. Nach dem II. Vatikanischen Konzil wurde der Brauch durch eine bischöfliche Aktion 1967 neu belebt. Auch in Oberösterreich waren viele historische Fastentücher verschwunden oder lagerten auf Kirchendachböden. Dort entdeckte auch Franz Greil das Fastentuch der Pfarrkirche Schiedlberg nach mehr als 70 Jahren. Wie sich herausstellte, hatte der Pfarradministrator ein barockes Juwel gefunden, das heute als eines der ältesten in Gebrauch befindlichen Fastentücher Oberösterreichs gilt. Gestaltet hatte es der Barockmaler Johann Georg Morzer 1742. 1881 wurde das knapp 6 mal gut 3 Meter große Tuch, das eigentlich eine Leinwand ist, die mit Ölfarben bemalt wurde, restauriert. Auch die Pfarren Garsten, Ternberg und Mondsee sind im Besitz alter Fastentücher. Pfarren, die über keine derartigen kunstvollen Gegenstände verfügen, verhüllen die Kreuze und Altäre meist mit einfachen violetten Tüchern.
90 Quadratmeter und 99 Bilder
Das älteste Fastentuch Österreichs stammt übrigens aus dem Jahre 1458, gemalt von Meister Konrad aus Friesach. Es ist im Dom zu Gurk zu besichtigen (täglich von 9 bis 17 Uhr). Derzeit ist jedoch nur eine Tuchhälfte ausgestellt, die zweite befindet sich zur Restaurierung in Wien. Mit seinen 99 Bildfeldern zählt das knapp 90 Quadratmeter große Leinentuch zu den bedeutendsten europäischen Zeugnissen mittelalterlicher Malkunst. Eine weitere Besonderheit ist die Einbindung und die Darstellung von außerbiblischen Gestalten, wie zum Beispiel von Alexander dem Großen, Julius Cäsar oder Kaiser Augustus.
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