Dylans Liedertafel für Genießer
Clam: Der 73-jährige Altmeister vor 7500 Besuchern beim OÖN-Konzertsommer.
Bereitete ein Koch Tag für Tag dasselbe Gericht zu, es verzehrte seine Lust. Und es verkümmerte der Gaumen, müssten die Bekochten stets dasselbe wiederkäuen. Um sich und uns Gutes zu tun, arrangiert Bob Dylan seit geraumer Zeit musikalische Leibspeisen um, streut fremde Gewürze ein, kramt Spezialitäten hervor und schenkt aus seiner vollmundigen Spätlese ordentlich ein.
Und so bestückte die 73-jährige Ikone am Sonntagabend in der Kulisse von Burg Clam seine Liedertafel vornehmlich für Genießer, die sich als Eingeweihte ohnehin kein Aufwärmen alter Hadern erwartet hatten. Den Novizen, die gekommen waren, um einmal in ihrem Leben von der Legende zu kosten, zeigte die Eröffnungsnummer die Richtung an: "Things Have Changed", die Dinge haben sich geändert.
Dylan singt nicht. Er knarzt, krächzt, peitscht, murmelt, verstümmelt, zieht Worte über eine Raspel, und wenn ihn das Melodische erfasst, heult er himmelwärts. Die Songs sind in Americana verwurzelt, dieser anrührenden musikalischen Verflechtung aus Folk, Country, Blues, Rhythm & Blues und Rock.
Schneidend scharf setzt er den Fotzhobel an, wenn sich der Mann in "She Belongs To Me" ebenso lakonisch wie ironisch aus den atemraubenden Fängen einer Beziehung befreit. Ein bittersüßer Pedalsteel-Klang umkränzt den Walzer "Waiting For You", der zum hingebungvollen Lamourhatscher taugt. In "Tangled Up In Blue" mäandert er durch die Straßen der Stadt und klaubt Geschichten auf, die sich nicht in knappe Refrains pressen lassen. Hier offenbart sich der Literat, der seine Prosa nicht zwischen Buchdeckel packt, sondern auf Noten bettet.
"Love Sick" zieht als düsterer Blues über 7500 Köpfe hinweg, begleitet von eindringlichen Gitarrenläufen, die Mitglieder der fantastischen Band dem Altmeister abnehmen, der seine instrumentale Arbeit auf das Piano und die Mundharmonika beschränkt. Und weil Dylan im Heute lebt, statt verklärend zurückzuschauen, lässt er Perlen seines 2012er-Albums "Tempest" glänzen, vom trunken swingenden "Duquesne Whistle" bis zum grimmigen "Pay In Blood".
Als Zugaben serviert der 73-Jährige den Klassiker "All Along The Watchtower", den er bis in seine Einzelteile zerlegt, und die lässige Ahnung eines Liedes, das einmal "Blowin’ In The Wind" war. Ein sinnlicher Abend mit einem Eigensinnigen.
Bob Dylan: Clam, 29. Juni
OÖN Bewertung:
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