Körpergewicht und sozialer Status beeinflussen Notenvergabe
BERN/BERLIN. Eine Studie an Neuntklässlern in Deutschland hat ergeben, dass Schüler aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Körpergröße, ihrer ethnischen Zugehörigkeit und des sozioökonomischen Status der Eltern einer Verzerrung der Benotung unterliegen.
Zudem addieren sich diese Faktoren. Das bedeute, dass Schüler mit mehreren "intersektionalen Identitäten" unabhängig von ihren wahren Fähigkeiten deutlich schlechtere Noten erhielten als ihre Mitschüler. Richard Nennstiel und Sandra Gilgen von der Universität Bern und der Universität Zürich in der Schweiz präsentieren diese Ergebnisse am Mittwoch im Fachblatt "Plos One".
Die Resultate der Studie seien nicht ohne weiteres auf die Schweiz übertragbar, sagte Nennstiel auf Anfrage von Keystone-SDA. In der Schweiz zeigten sich jedoch in einer früheren Studie für die Sprachnoten ähnliche Tendenzen wie für Deutschland für das Geschlecht, die soziale Herkunft und den Migrationshintergrund.
Repräsentative Stichprobe
Um zu untersuchen, ob Schüler unter Voreingenommenheit in ihren Schulnoten leiden, verwendeten Nennstiel und Gilgen Daten aus dem Nationalen Bildungspanel in Deutschland. Sie konzentrierten sich auf eine repräsentative Stichprobe von 14.090 Schülern, die 2010 die neunte Klasse besuchten.
Nennstiel und Gilgen verglichen die Noten von Schullehrern mit Ergebnissen standardisierter Kompetenztests, um herauszufinden, ob einige Jugendliche einen Vorteil gegenüber anderen hatten. Die Wissenschafter untersuchten die Auswirkungen von Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), sozioökonomischem Status (SES) der Eltern und ethnischem Hintergrund.
Geschlechtsspezifische Voreingenommenheit
Bei den von den Lehrern vergebenen Noten sei in allen Fächern, mit Ausnahme von Chemie eine geschlechtsspezifische Voreingenommenheit erkennbar gewesen. Mädchen waren laut der Studie in Deutsch, Mathematik und Biologie im Vorteil. Burschen hätten in Physik profitiert. Höhere BMIs waren mit deutlich schlechteren Noten der Lehrer in jedem Fach verbunden, während Schüler mit einem höheren elterlichen SES bessere Noten hatten.
Ein Bursch mit einem hohen BMI aus einem Minderheitenhintergrund mit niedrigem SES habe unabhängig von seinen tatsächlichen Fähigkeiten im Durchschnitt schlechtere Noten erhalten als ein in Deutschland geborenes Mädchen mit niedrigem BMI aus einem höheren SES.
Ich überbringe ja nur ungern die schlechte Nachricht, aber selbst wenn alle Schüler fair und objektiv bewertet werden würden, so würde spätestens beim Bewerbungsgespräch wieder die Sympathie, etc. eine wichtige Rolle spielen.
Menschen sind nun mal keine Roboter, und so spielt die Sympathie immer auch eine Rolle.
Angeblich fällt die Entscheidung bei einem Bewerbungsgespräch in den ersten paar Sekunden. Das folgende Gespräch dient eigentlich nur dazu, die Entscheidung zu rechtfertigen.
Ein standardisierter schriftlicher Test ist etwas komplett anderes als eine mündliche Prüfung.
Damit sollten auch die Abweichungen klar begründet sein.
Natürlich helfen bei einer Beurteilung des Gegenüber aus einem Gespräch die Vorteile von Eloquenz und Selbstvertrauen. Das gilt auch im späteren Leben, wo man hauptsächlich "live" und nicht standardisiert schriftlich beurteilt wird. Als Unterprivilegierter oder Übergewichtiger hat man speziell in jungen Jahren dabei einen Nachteil.
Und die geschlechterspezifischen Unterschiede kennt wohl jeder aus der Schule, und die hängen sehr stark von der beurteilenden Person ab. In meiner Schulzeit wurden die Mädels, vorzugsweise die braven und süßen, meistens massiv bevorzugt, weil Fehler bagatellisiert oder leichter verziehen wurden. In späteren Jahren gab es aber auch umgekehrte Fälle, wo (ältere) männliche Lehrer den motovierten Mädchen ihr Wissen und gewisse Berufswünsche absprechen wollten.
Die Art der Leistungsbeurteilung der Schüler ist an Dilettantismus nicht zu überbieten.
Aber auch die Schlussfolgerung in obigem Bericht tut richtig weh. Korrelation sagt nichts über Ursache aus.
Unsere Kinder wären wirklich etwas mehr Professionalität wert.
Die Schlussfolgerung sind schon schlüssig. Es ist falsch, aus irgendeiner Korrelation Kausalität abzuleiten, wenn es aber einen Anfangsverdacht über einen Zusammenhang gibt und dieser durch hohe Korrelation bestätigt wird, dann ist die Aussage in Ordnung.
Ein Anfangsverdacht ist auch nur eine subjektive Meinung und berechtigt nicht, Ursachen willkürlich allein aufgrund einer Korrelation zuzuordnen.
Außerdem fehlt die Information, wie hoch die Korrelation ist. Dann fehlt auch noch die sehr wichtige Information, wie hoch der Einfluss der Lehrer ist. Ich bin sicher, dass z.B. das Elternhaus bei manchen Lehrern eine größere Rolle spielt als bei anderen. Lehrer werden niemals zur Verantwortung gezogen. Die Schuld für Versagen wird nur bei Kindern und Eltern gesucht. Die Lehrer bekommen ihr Gehalt, die Leistung haben Schüler und Eltern zu erbringen.
Aus dem Artikel lese ich aber schon eine Kritik an den Lehrern heraus, die bei Übergewicht, geringem sozialen Status,... nicht objektiv beurteilen sollen.
Kein Mensch ist objektiv, wir sind dazu nicht in der Lage. Wir alle erleben unsere Umgebung aus unserer subjektiven Perspektive, sogar die Lehrer. Wenn ich kritisiere, dass die Leistungen der Lehrer nicht angesehen werden, kritisiere ich nicht die Lehrer, sondern die Politiker, die nicht die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Aber die wissen es eben auch nicht besser.
Die Tests vergleichen zwei Testmethoden mit unterschiedlicher Leistungsabfrage.
Die Aussage ist nur, dass einige Gruppierungen bei objektiven schriftlichen Testungen besser abschneiden als bei mündlicher Leistungsabfrage. Bei der letzteren zählen eben auch andere Eigenschaften von Eloquenz, Auftreten, Konzentrationsfähigkeit und Nervosität im Gespräch.
Nach letzterem wird man auch im Leben meistens beurteilt und daher halte ich die standardisierte schriftliche Leistungsabfrage nicht für das Maß aller Dinge. Man sollte es nicht zur Referenz (also das einzig Richtige, alles andere ist falsch) stilisieren, wie es im Artikel aber der Fall ist.
Auch schriftliche Tests sind nicht unbedingt objektiv. In der Oberstufe ist Manipulation nicht mehr so einfach. Aber in der Unter- und Mittelstufe geht einiges. 2 befreundete Mädels aus meinem Bekanntenkreis gingen in die gleiche Klasse, die eine 2. Leistungsstufe, die andere 3. Leistungsstufe. Die in der 3. Leistungsstufe bekam bei der Schularbeit nur halb so viele Aufgaben. Bei genauerer Betrachtung konnte man problemlos feststellen, dass genau die einfacheren Aufgaben, die sie gekonnt hätte, fehlten, Ergebnis "Nicht genügend". Dann wurde dringend empfohlen, beim Mathelehrer der Parallelklasse Nachhilfeunterricht zu nehmen. Dann ging sich bis zum Jahresende ein "Genügend" aus.
Dicht gefolgt von der Freunderlwirtschaft... weil wenn der Papa im gleichen Tennisclub ist, dann geht eine schlechte Note mal gar nicht, weil das mag da Papa nämlich nicht.
In Österreich ist es eher hilfreich, wenn die Eltern selbst Lehrer oder Politiker (der richtigen Parteien) sind. Untereinander werden die Kinder sehr gefördert.
noch schlimmer finde ich die Verzerrung der Noten nach Symphatie. Da herrscht mindestens soviel Aufholbedarf!!