Hitlergruß auf Polizeidienststelle: Eineinhalb Jahre Haft verhängt
RIED/BRAUNAU. Das Urteil gegen den Innviertler wegen Wiederbetätigung ist noch nicht rechtskräftig - Geschworenengericht war sich in beiden Hauptfragen mit 8:0-Stimmen einig.
Ein 23-jähriger Mann aus Braunau musste sich am Montag vor einem Geschworenengericht in Ried verantworten. Dem Beschuldigten, der mit seiner Verteidigerin und dem Bewährungshelfer den Saal betritt, wird von Staatsanwalt Alois Ebner das Verbrechen nach dem Verbotsgesetz, also Wiederbetätigung im nationalistischen Sinne, vorgeworfen.
Laut Anklage soll der Beschuldigte am 8. November 2015 zuerst zwei Personen verletzt haben, anschließend habe er, wie berichtet, auf der Polizeiinspektion Braunau den Hitlergruß gezeigt. Wegen eines noch ausstehenden Gutachtens wurden die vermeintlichen Körperverletzungen am Montag noch nicht mitverhandelt. Es gilt die Unschuldsvermutung.
"Mache keinen Hitlergruß aus Spaß"
Der mehrfach vorbestrafte Braunauer bestreitet bei seiner Befragung durch den Vorsitzenden Richter Josef Lautner mehrmals und vehement, vor Polizisten den Arm zum Hitlergruß gehoben zu haben. „Warum soll ich vor der Polizei einen Hitlergruß machen, das ergibt doch überhaupt keinen Sinn“, versucht sich der Angeklagte herauszureden. Er mache doch keinen Hitlergruß nur aus Spaß. „Ich habe die Polizisten an dem Abend sicher provoziert. Vielleicht belasten sie mich deshalb“, vermutet der Angeklagte, der mehrmals betont, dass er sein Leben geändert habe. Vor kurzem sei er Vater geworden, die Beziehung sei intakt und der Job mache ihm sehr viel Spaß.
Dass auf seinem Handrücken eine NS-Tätowierung mit einer SS-Rune zu sehen war, bestreitet er nicht. Ein Pflaster, mit dem er angeblich das einschlägige Symbol verdeckt hatte, habe sich während der Rauferei oder der Amtshandlung der Polizei gelöst, so die Verantwortung des Mannes. Kurz nach dem Vorfall habe er einen schon lange vereinbarten Termin bei einem Tätowierer gehabt, der das Nazi-Symbol übertätowiert habe.
Auf die Frage von Richter Lautner, warum er sich dieses Symbol überhaut tätowiert habe, antwortet der Beschuldigte kurz und bündig: "Ich habe das früher klasse gefunden. Ich war damals erst 16 oder 17."
Dann will der Herr Rat vom Beschuldigten wissen, warum er mit dem NS-Regime sympathisiert habe. "Wie meinen sie das", antwortet der Angeklagte. Nach einer kurzen Pause fügt er dann noch "keine Ahnung, ich weiß es nicht", hinzu.
"Sieg Heil-Rufe" in Simbach
Ein Vorfall vom Mai 2015 in Simbach wirft allerdings überhaupt kein gutes Licht auf den Beschuldigten, der angibt, schon seit längerem nichts mehr mit der Naziszene am Hut zu haben. Dort soll er, gemeinsam mit einem amtsbekannten Neonazi, die Hand zum Hitlergruß und Sieg Heil Hitler gerufen haben. Die Geldstrafe des Amtsgerichts Eggenfelden (Bayern) vom Jänner 2016 in der Höhe von je 3600 Euro gegen die beiden Innviertler ist mittlerweile rechtskräftig. Aber auch mit diesem Vorfall will der Angeklagte nichts zu tun haben. Eigentlich hätte er gegen die Strafe Einspruch erheben wollen, aber er habe die Frist übersehen und sich den eingeschriebenen Brief nicht gleich abgeholt, so die Verantwortung des Beschuldigten.
Dass er zu einem Türsteher in Simbach die Worte „Ihr gehört alle vergast!“ gesagt haben soll, bestreitet er ebenfalls. Er wolle diese Strafe bekämpfen, so der Angeklagte. Dass er die verhängte Geldstrafe laut Richter Lautner aber bereits überwiesen hat, passt da so gar nicht ins Bild. „Ich hatte Angst, dass ich sonst in Deutschland festgenommen werde“, rechtfertigt sich der vorbestrafte Innviertler und fügt hinzu: "Aber ich habe den Hitlergruß nicht gezeigt und auch nicht Heil Hitler gerufen."
Die Frage, ob er nach wie vor nationalsozialistisch eingestellt sei, beantwortet der Angeklagte mit "Nein". Er habe zuletzt nur noch wenig Kontakt mit Personen aus der rechten Szene gehabt. "Ich habe schließlich auch ausländische Freunde und Arbeitskollegen", sagt der 23-Jährige.
Lautner: "Wie denken sie über Hitler?": "Ja, das war einmal, wie soll ich über Hitler denken"?, so der Angeklagte, der sich kurz darauf seine Frage selber beantwortet: "Er hat viel Böses gemacht."
Die rechte Gesinnung habe sich mit 19, 20 Jahren gelegt, behauptet der Innviertler. Die Replik des Richters folgt auf den Fuß: Bei einer Hausdurchsuchung am 19. Dezember 2015 wurden in ihrer Wohnung Fotos mit NS-Bezug gefunden. "Ich wollte sie eigentlich eh herunterreißen, aber dann hätte ich so weiße Flecken gehabt. Und ehrlich gesagt, waren mir die Fotos auch egal", sagt der Beschuldigte und fügt hinzu: "Meistens hat man die Bilder ja eh nicht gesehen. Die hat man nur gesehen, wenn die Tür geschlossen war, aber die war ja meist offen."
"Wollen sie uns für deppert verkaufen"
Dass der Innviertler, mit dem er in der besagten Nacht in Simbach unterwegs war, bereits dreimal in Ried wegen Wiederbetätigung von einem Geschworenengericht verurteilt wurde, will der 23-Jährige nicht gewusst haben. Jetzt reicht es dem Ankläger: „Sie behaupten, sie wissen nicht, dass ihr Freund ein einschläg vorbestrafter Neonazi ist? Wollen sie uns hier für deppert verkaufen“, schreit Ebner in Richtung des Beschuldigten, der laut Gericht mittlerweile acht Vorstrafen auf dem Kerbholz hat. "Ich weiß, dass er ein Nazi ist, aber nicht, welche Verurteilungen er bekommen hat", bleibt der Angeklagte seiner Linie mehr oder weniger treu. "Sie halten uns wohl wirklich für dumm", wiederholt der Ankläger.
"Er hat hat beim Hitlergruß gegrinst"
Die beiden Polizisten, die den Mann in Braunau einvernommen hatten, schildern jedoch übereinstimmend, dass der Mann auch den Arm rund drei Sekunden lang zum Hitlergruß erhoben haben soll. „Der Hitlergruß war ganz eindeutig“, so die Aussage beider Beamten. Einer der Polizisten gibt an, dass die Mutter, die in der besagten Nacht zur Polizeidienststelle kam, als Reaktion auf den Hitlergruß kurz den Kopf geschütttelt habe. "Er hat gegrinst, wie er die Hand zum Hitlergruß erhoben hat", sagt einer der Polizisten und fügt hinzu: "Als ich ihm dann gesagt habe, dass wir das anzeigen werde, hat er sofort dementiert, den Hitlergruß gemacht zu haben."
Mutter glaubt nicht an die Version der Polizei
Die Mutter des 23-Jährigen ist sich hingegen sicher, dass ihr Sohn unter keinen Umständen die Hand zum Hitlergruß erhob. „Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher, dass er das nicht getan hat.“ Auf die Frage, warum sie glaube, dass ihr Sohn von den Polizisten belastet wird, antwortet die Frau: „Vielleicht, weil er ausfällig war und randaliert hat. Er hat die Beamten schon provoziert und zu einem gesagt, dass er wie ein Frosch aussehe. Ich weiß nicht, warum die Beamten ihn belasten.“ Jetzt wird es dem Richter zu bunt: „Das wäre ja ungeheuerlich, wenn die Polizisten das behaupten würden, obwohl es gar nicht stimmt. Das wäre doch mehr als verrückt“, sagt der Vorsitzende Richter des Geschworenengerichts Josef Lautner.
Dann nimmt noch einmal der 23-Jährige vor dem Geschworenengericht Platz. "Ich lege meine Hand ins Feuer, dass ich keinen Hitlergruß gemacht habe", sagt er einmal mehr.
In seinem Schlussplädoyer zeichnet Staatsanwalt Ebner zwei Bilder des Angeklagten. "Er ist nicht nur der junge, schüchterne Vater, der sagt, er habe sein Leben im Griff. Damit kann man das vergangene nicht ungeschehen machen. Jetzt muss abgerechnet werden. Auf der Polizeidienststelle war der Beschuldigte ein Täter, der kurz zuvor eine Frau verletzt und einen Mann bewusstlos geschlagen habt", sagt Ebner. Der Vorfall in Braunau sei unter ähnlichen Umständen wie die Wiederbetätigung in Simbach zustande gekommen. "Sie waren betrunken und sie haben sich wieder hinreißen lassen. Diese Gedanken sind seit Jahren in ihnen drinnen", so Ebner.
Die Version des Beschuldigten sei "an den Haaren herbeigezogen". Der Tatbestand der Wiederbetätigung sei auf alle Fälle gegeben. "Außerdem hätten sie sich die Tätowierung schon viel früher entfernen lassen müssen."
Ihr Mandant habe sich in jüngerer Vergangenheit zum besseren entwickelt. "Der Angeklagte geht einer regelmäßigen Arbeit nach und die Vorfälle in Simbach haben mit der heutigen Verhandlung nichts zu tun", so die Verteidigerin, die um ein mildes Urteil bittet.
Eineinhalb Jahre Haft verhängt
Das Geschworenengericht, das sich länger als eineinhalb Stunden zur Beratung zurückzieht, ist sich einig und spricht den Innviertler mit 8:0-Stimmen in beiden Hauptfragen, also damit, dass er sich sowohl mit der Tätowierung der SS-Rune, als auch mit dem Hitlergruß im nationalistischen Sinne wiederbetätigt hatte, schuldig. Der Vorbestrafte wird zu eineinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt. Der Richterspruch ist, da der Staatsanwalt keine Erklärung abgibt und der Angeklagte drei Tage Bedenkzeit anmeldet, nicht rechtskräftig,
Weitere Verfahren drohen
Dem Beschuldigten droht übrigens ein weiteres Verfahren wegen des Verbrechens der Verleumdung. Ankläger Alois Ebner kündigt noch im Gerichtssaal dementsprechende Ermittlungen an. "Sie wissen schon, dass die behaupten, dass die Beamten das frei erfunden haben." Das sei mit dem Vorwurf eines Amtsmißbrauchs vergleichbar.
Außerdem muss er sich noch wegen schwerer Körperverletzung verantworten. Er soll, vor der Wiederbetätigung vor der Polizei, einen Mann und eine Frau verletzt haben, dieOÖN haben berichtet. Eigentlich hätte dieser Vorfall ebenso verhandelt werden sollen, aber laut Gericht fehlt noch ein medizinisches Gutachten über die Schwere der Verletzung. Wird der Angeklagte auch hier schuldig gesprochen, droht ihm außerdem ein Widerruf einer bedingt verhängten Freiheitsstrafe.
Auch die Mutter des 23-Jährigen blickt unter Umständen einem Strafverfahren entgegen. Der Frau, die bei der Amtshandlung bei der Polizei im November 2015 dabei gewesen war und vor Gericht aussagte, dass sie den Hitlergruß nicht gesehen habe, droht ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage. Staatsanwalt Ebner kündigt weitere Ermittlungen gegen die Frau an.