Ermittlerinnen zu 7. Oktober: Hamas hat sexualisierte Gewalt geplant
BERLIN. Bilder und Berichte von brutal vergewaltigten und gefolterten Frauen erschüttern auch Ermittlerinnen und Ermittler, die den Angriff der Hamas auf das Nova Musikfestival im Oktober im Gazastreifen untersuchen. Die sexualisierte Gewalt sei geplant gewesen, heißt es.
Fast vier Monate ist es her, dass am 7. Oktober 2023 Kämpfer der Hamas vom Gaza-Streifen aus nach Israel eindrangen, Militärposten überrannten und Kibbuze sowie das Nova Musikfestival überfielen. Israelische Ermittlerinnen und Ermittler sind seither in mühsamer und nach eigenem Bekunden oft schwer aushaltbarer Kleinarbeit dabei, von den Angreifern begangene Gräueltaten zu dokumentieren, Beweise zu sichern und das Geschehen zu rekonstruieren.
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"Es geht um Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagt Polizei-Oberkommissarin Mirit Ben Mayor, die von Anfang an mit dieser Aufgabe befasst ist, am Donnerstag auf einer Veranstaltung im deutschen Auswärtigen Amt in Berlin. Sie spricht von einem "schrecklichen Massaker". Vor allem eins aber sei im Laufe der Ermittlungen immer mehr klar geworden: "Sexualisierte Gewalt war als Teil des Angriffs systematisch und sorgfältig geplant." Dies sei inzwischen durch zahlreiche Beweise belegt.
"Als wir mit den Ermittlungen anfingen, wussten wir noch nicht, wie fürchterlich dieses Massaker war", sagt Mayor. Rund 100.000 Fotos und Videoaufnahmen haben sie und die anderen Ermittler seit dem Angriff vom 7. Oktober ausgewertet, Überlebende befragt und die Körper der Toten oder was noch davon übrig war untersucht.
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Allein etwa 300 Tote seien es auf dem Gelände des Nova Musikfestivals gewesen, sagt Mayor. Doch ist es weniger die hohe Zahl als die dabei von den Angreifern begangenen Grausamkeiten, die sie erschüttert. Viele Frauenleichen seien nackt gewesen, andere nur noch in Unterwäsche, zahlreiche wiesen Spuren brutaler Vergewaltigungen und anderer massiver Misshandlungen auf, vielfach auch im Genitalbereich. Augenzeugen berichteten von einer jungen Frau, die ein Hamas-Kämpfer in den Kopf schoss, noch während er sie vergewaltigte.
Die Gesamtzahl der Opfer ist bis heute nicht vollständig klar. Von etwa 1.140 getöteten und zunächst rund 250 in den Gaza-Streifen verschleppten Menschen sprechen die israelischen Behörden. Die auf internationalen Medienrecherchen beruhende Internetseite www.oct.7map.com nennt namentlich mehr als 420 weibliche und mehr als 800 männliche Todesopfer und Entführte. Die Zahl der getöteten Frauen wird hier mit mindestens 320 angegeben.
Shari Mendes ist eigentlich Architektin. Als Reservistin ist sie aber auch für die Identifizierung und Bestattung getöteter israelischer Soldatinnen zuständig. Nach dem Hamas-Überfall wurde sie zudem mit der Identifizierung auch getöteter Zivilistinnen beauftragt.
Sie berichtet im Auswärtigen Amt von Leichen junger Frauen in deren eigenen Häusern im Kibbutz mit furchtbaren Spuren von Folter und sexueller Misshandlung. Deren Anblick sei für sie nur schwer erträglich gewesen. "Sie hätten unsere Töchter sein können", sagt sie unter Tränen.
Eingeladen hat die deutsche Botschafterin für Feministische Außenpolitik, Gesa Bräutigam. Sie weist darauf hin, dass es Grausamkeiten und auch sexualisierte Gewalt in vielen Kriegen und Konflikten gebe, auch in der Ukraine, im Bosnien-Krieg oder in Sudan. Am 7. Oktober sei es aber "bei ihrem massiven Terrorangriff" die Hamas gewesen, "die sexualisierte Gewalt systematisch als Kriegswaffe einsetzte" - auch um die gesamte israelische Gesellschaft zu traumatisieren. Die Veranstaltung in Berlin solle dazu beitragen, "dass alle dies sehen".
"Jeder und jede Tote ist eine Tragödie", sagt dort die US-Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Sheryl Sandberg. Dies gelte für die Toten in Israel ebenso wie für die seither durch israelische Angriffe getöteten Menschen im Gaza-Streifen.
Sandberg widerspricht aber mit Blick auf die offensichtliche Beweislage klar den Behauptungen der Hamas, ihre Kämpfer hätten mit Vergewaltigungen nichts zu tun. "Diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen wir nicht vergessen", mahnt sie. Sandberg vermisst mehr Empörung über die Taten weltweit, auch bei den Vereinten Nationen und ihrer Frauenorganisation.