Slowakischer Regierungschef Fico nach Anschlag in Lebensgefahr
BRATISLAVA. Der slowakische Regierungschef Robert Fico ist nach einer Regierungssitzung in Handlova angeschossen worden.
Der Politiker sei in einem lebensbedrohlichen Zustand, teilte die Regierung über Facebook mit. Der Schütze wurde laut Medien festgenommen. Der Anschlag rief international Entsetzen hervor.
Auf der Facebook-Seite des Regierungschefs hieß es, er sei mit dem Hubschrauber in das Krankenhaus der 30 km von Handlová entfernten zentralslowakischen Stadt Banská Bystrica geflogen worden, da "eine dringende Intervention notwendig" sei. Fico soll laut Medienberichten mehrere Verletzungen erlitten haben.
Mindestens vier Schüsse
Augenzeugen berichteten dem TV-Nachrichtensender TA3, vor dem Kulturhaus in Handlová seien mindestens vier Schüsse zu hören gewesen, als Fico nach der Kabinettssitzung ins Freie ging, um sich unter die Bevölkerung zu mischen und Hände zu schütteln. Ein Schuss habe ihn in die Brust getroffen. Der Ministerpräsident sei daraufhin zu Boden gestürzt. Ein von mehreren Online-Medien veröffentlichtes Video zeigte, wie Begleiter den Verletzten eilig in ein Auto setzen, um ihn vorläufig in Sicherheit zu bringen.
Schriftsteller als Täter
Auf dem Video soll auch die Festnahme des mutmaßlichen Angreifers zu sehen sein. Nach Medienberichten soll es sich bei dem Angreifer um einen 71-jährigen Mann handeln. Laut dem ORF-Fernsehen (ZiB 1) handelt es sich bei dem Mann um einen Schriftsteller, der 2016 selbst Opfer eines Attentats geworden sei und in Folge die Berechtigung bekommen habe, legal seine Waffe zu besitzen. Der Attentäter soll aus der Stadt Levice stammen, die rund 60 km südlich von der Stadt Handlová liegt, wo der Anschlag geschah. Diese liegt wiederum etwa 130 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Bratislava. Die Angaben wurden zunächst offiziell nicht bestätigt.
Fico hatte erst vor wenigen Tagen der liberalen Opposition vorgeworfen, ein "Klima der Feindschaft" gegen die Regierung zu schaffen. Es sei nicht auszuschließen, dass es in einem solchen Klima irgendwann zu einer Gewalttat komme.
Beliebt und polarisierend
Der Gründer und Chef der zuletzt immer nationalistischer gewordenen Linkspartei Smer-SSD ist seit fast 30 Jahren einer der beliebtesten Politiker der Slowakei. Er polarisiert aber zugleich die slowakische Gesellschaft wie kaum ein anderer. Gegner nennen ihn "prorussisch" und werfen ihm vor, die Slowakei auf einen ähnlichen Kurs wie Viktor Orbans Ungarn führen zu wollen.
Als der Linkspopulist im Oktober 2023 erneut Regierungschef wurde, stoppte er die Militärhilfe der Slowakei für Kiew und stellte die Souveränität der Ukraine in Frage. Orbán blockierte innerhalb der EU monatelang entscheidende Hilfe für die Ukraine.
Fico war bereits von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 slowakischer Regierungschef. 2018 musste er nach der Ermordung des Journalisten Jan Kuciák und dessen Verlobter zurücktreten. Kuciák hatte zu Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und Ficos Regierungspartei Smer recherchiert.
Internationale Bestürzung
Der Anschlag rief im In- und Ausland Entsetzen hervor. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) schrieb auf der Plattform X (früher Twitter): "Der Anschlag auf das Leben meines slowakischen Kollegen Robert Fico schockiert mich zutiefst. Erst vor wenigen Tagen haben wir telefoniert und intensiv über Sicherheitsthemen gesprochen. Ich wünsche ihm rasche und vollständige Genesung! Hass und Gewalt dürfen in unseren Demokratien nicht Platz greifen und müssen mit aller Entschlossenheit bekämpft werden!"
Das Attentat habe ihn sehr und zeige einmal mehr, "dass wir alles tun müssen, um eine Radikalisierung der Gesellschaft hintanzuhalten, dass wir gegen Radikalität auftreten, gerade auch im politischen Diskurs", erklärte Nehammer etwas später auch bei einem gemeinsamen Pressetermin mint Innenminister Gerhard Karner in Wien. Seine Gedanken seien bei Ficos Familie. Gewalt habe niemals einen Platz in der politischen Auseinandersetzung. "Das ist in aller Form abzulehnen", so Nehammer.
Karner erklärte hinsichtlich möglicher Auswirkungen des Attentats auf Österreich: "Entscheidend ist, dass wir als Exekutive alles Menschenmögliche tun, dass wir in einem sicheren Land leben, dass die Menschen sicher sind, aber natürlich dass auch die obersten Organe in diesem Land sicher sind." Nach "so einem Ereignis" sei es natürlich auch notwendig, "nachzujustieren".
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verurteilte den Angriff auf Fico im Parlament. Die Attacke auf den slowakischen Ministerpräsidenten sei ebenso wie andere gewalttätige Übergriffe auf Politiker in Europa in den vergangenen Wochen "auf das Schärfste" zu verurteilen und eine "Attacke auf die Demokratie", sagte er in der Nationalratssitzung. Im Namen des Parlaments wünschte er Fico "eine baldige und vollständige Genesung".
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) schrieb seinerseits: "Ich verurteile das Attentat auf den slowakischen Premierminister Robert Fico aufs Schärfste und wünsche ihm eine hoffentlich baldige Genesung."
"Rote Linie überschritten"
Die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer und die außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic verurteilten gemeinsam den Anschlag in einer Aussendung: "Man muss nicht einer Meinung mit Fico sein, um zu erkennen, dass hier eine rote Linie überschritten wurde."
SPÖ-Chef Andreas Babler schrieb auf X, die Nachricht "erschüttert mich zutiefst": "Ein Alarmsignal für unser demokratisches Zusammenleben in Europa. Politik darf niemals zu Gewalt führen."
Die außenpolitische Sprecherin der FPÖ, Susanne Fürst, betonte in einer Aussendung, physische Angriffe und Gewalt gegen Politiker seien "schärfstens zu verurteilen". Dafür dürfe es in der politischen Auseinandersetzung "null Toleranz" geben.
Die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová gab sich "schockiert" über den "brutalen Angriff" und wünschte Fico eine baldige Genesung. Auch der tschechische Regierungschef Petr Fiala und der polnische Premier Donald Tusk zeigten sich entsetzt, wie sie auf X schrieben.
Der mit Fico politisch eng verbündete ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán gab sich auf X ebenfalls erschüttert über den "verabscheuungswürdigen Angriff gegen meinen Freund, Premier Robert Fico" und versicherte ihn seiner Gebete.
Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis erklärte, er sei "entsetzt" und wünsche dem Politiker aus Bratislava baldige Genesung. "Ich verurteile aufs Schärfste solche extremistischen Taten, die unsere europäischen Grundwerte bedrohen." Ministerpräsident Marcel Ciolacu schrieb, er sei "zutiefst schockiert", und verlangte, dass der oder die die Täter zur Rechenschaft gezogen würden. Beide Politiker äußerten sich am Mittwoch auf X (vormals Twitter).
"Abscheulicher Angriff"
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte ebenfalls den "abscheulichen" Angriff. "Solche Gewalttaten haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und untergraben die Demokratie, unser höchstes gemeinsames Gut", schrieb sie auf X.
Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni schrieb: "Mit großer Bestürzung habe vom Anschlag auf Fico erfahren. Meine Gedanken sind bei ihm, seiner Familie und dem befreundeten slowakischen Volk. Auch im Namen der italienischen Regierung möchte ich alle Formen von Gewalt und Angriffen auf die Grundprinzipien von Demokratie und Freiheit aufs Schärfste verurteilen."
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte den Anschlag scharf: "Die Nachricht vom feigen Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Fico erschüttert mich sehr", schrieb er am Mittwoch auf X. "Gewalt darf keinen Platz haben in der europäischen Politik. In diesen Stunden sind meine Gedanken bei Robert Fico, den Angehörigen und den Bürgerinnen und Bürgern der Slowakei."
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sich "schockiert und entsetzt" über die Attacke gezeigt. "Ich wünsche ihm Kraft für eine schnelle Genesung", schrieb er am Mittwoch auf X. Seine Gedanken seien bei ihm, seinen Angehörigen und dem slowakischen Volk.
Dieser Artikel wurde um 18:14 Uhr aktualisiert.