Die Kunst des Gehens – eine Frage von Haltung und Balance
Körperliche Voraussetzungen und Gemütslage bestimmen, wie wir gehen. Es gibt kein richtiges oder falsches Gehen, aber gesundes Gehen. Wie das geht? Eine Annäherung.
Sechs Schritte vor, sechs Schritte zurück, sechs Schritte vor und wieder sechs Schritte zurück. Nach fünfmaligem Hin- und Hergehen hat Lisa Ameshofer genug gesehen. Sie hat sich ein erstes Bild davon gemacht, wie meine Füße den Boden berühren, wie sie abrollen, ob Gelenke, Knie oder Hüfte beim Gehen einknicken. Zuvor hat sie die Füße genau in Augenschein genommen, das Sprunggelenk in alle Richtungen bewegt, Muskeln und Sehnen abgetastet, um zu erspüren, ob die Schmerzen von der Muskulatur oder den Sehnen herrühren.
Schmerzen sind es, die die Menschen zu "Ortho Schuhtechnik" nach Eferding bringen, entweder auf Anweisung eines Orthopäden oder aus Eigeninitiative. Schmerzen beim Gehen, beim Laufen oder bei der Bewegung allgemein. "Die Klassiker sind Fersensporn oder Entzündung der Achillessehne, Knieschmerzen vorne oder Auffälligkeiten im Gang", sagt Podologe Thomas Matuschek. In seiner Werkstatt werden orthopädische Einlagen und Schuhe angefertigt, außerdem Gang- und Laufanalysen durchgeführt. Bei solch einer befinde ich mich – praktischerweise mit Schmerzen: Die Achillessehne und die Fersenfaszie machen Probleme.
"Man merkt leichte Hallux-Tendenzen, die Sehnen sind unten angespannt, oft weil in der Wade zu viel Spannung ist, die dann in die Fersenfaszie übergeht." Das erkennt Lisa Ameshofer allein durch die sogenannte Sichtanalyse. Außerdem stellt sie durchs Hinschauen eine "Tendenz zum Spreizfuß" fest, Becken und Oberkörper hingegen sehen "stabil" aus, auch beim Knie erkennt die Sportwissenschafterin und ausgebildete Trainingstherapeutin keine "dynamischen Instabilitäten, nur eine minimale Ausrichtung in Richtung X".
Barfuß ja, aber …
Um unseren Füßen Gutes zu tun, ist gutes Schuhwerk unerlässlich. "Schuhe sollten im Ballenbereich breit sein, sodass die Zehen sich rühren können. Im Fersenbereich und um den Rist sollten sie guten Halt bietet. Die Sohle sollte etwas dicker sein, im Ballenbereich etwa einen Zentimeter betragen", erklärt Matuschek. Für Menschen mit Hohlfüßen hingegen seien weiche Schuhe mit Dämpfung wichtig, und jenen, die Schmerzen im Vorfuß plagen, rät der Podologe zu harten Sohlen. Das Barfußgehen als Alternative oder wohltuender Ausgleich für unsere Füße hält Matuschek für wichtig, allerdings nur auf einem entsprechenden Untergrund. Dieser sollte natürlich ("weil weich") und uneben ("weil er unsere Fußmuskulatur trainiert") sein, ansonsten drohen ein Spreizfuß und Fersensporn.
Obwohl jede Gangart individuell ist, unterscheiden die Experten diverse Gangphasen (Bodenkontakt, Stoßdämpfungs-, Stand- und Schwungphasen). Diese werden jetzt auf der Druckmessplatte genau analysiert. Zunächst im Stand und dann beim Gehen misst ein Computer den Druck unter dem Fuß, wertet die Kraft pro Fläche aus. Der Fußabdruck wird bildlich und farblich dargestellt. "Blau bedeutet wenig Druck, alles was in Richtung Grün und Rot geht, bedeutet erhöhten Druck. Man sieht, wie viel Belastung am rechten und linken Fuß ist", erklärt Ameshofer. Ist eine Seite stärker belastet, kann dies auf einen Beckenschiefstand hindeuten. Auch Ganglinie und Bodenreaktionskraft werden gemessen.
Woran es hapert
Die Ferse setzt auf dem Boden auf, der Fuß rotiert dabei sieben Grad nach außen, wird belastet und rollt am äußeren Fußrand über den Ballen und die erste und zweite Zehe ab. So sollte ein Schritt aus orthopädischer Sicht sein, ist es aber in den wenigsten Fällen. Auch meiner nicht, wie das Computerbild zeigt. Mein Fußabdruck gleicht einem Baum, der zwar Krone und Wurzeln hat, dem aber der Stamm fehlt oder "in Richtung Hohlfuß" geht, wie Lisa Ameshofer es nennt. Auffallend oft nimmt sie das Wort "Pronation" in den Mund. Es beschreibt das Nach-Innen-Kippen des Fußes. Rechts mehr als links, sagt sie. Folge: Die Ganglinie ist zu weit mittig, was die Belastung auf die große Zehe verstärkt und die Spannung auf Fersenfaszie und Achillessehne zusätzlich erhöht. Was hilft? Dehnen und das Trainieren von Wade, Fersenfaszie, Fußsohle und Fußgewölbe. Mit einer zweiseitigen Übungsliste gehe ich nach Hause und achte erstmals genau auf meine Schritte.
Tipps für gesundes Gehen
Möglichst weich und flächig auf der Ferse auftreten. Das Aufsetzten findet eher am Übergang von Ferse zu Mittelfuß statt.
Kriterien für ausbalanciertes Gehen
- Parallele Fußhaltung
- Hüftknochen drehen sich mit Bein und Fuß beim Gehen mit
- Arme können frei schwingen
- Becken, Beine und Füße drehen sich entgegengesetzt zum Oberkörper
- Kleine Schritte machen
- Hektisches Gehen vermeiden
Einbeinstand als Balancetraining: Dabei steht die Ferse aufgerichtet, die Zehen liegen in der Länge ausgestreckt und entspannt auf dem Boden. Das Becken sollte auf der angehobenen Beinseite ebenfalls angehoben werden. Das Steißbein zieht in Richtung Bauchnabel, der untere Rücken ist lang. Dabei die Arme wie bei einer Umarmung ausbreiten. Ziel ist es, ruhig auf einen Fuß zu stehen.
"Es macht einen großen Unterschied, ob man begleitet wird oder nicht"
"Wie weit is' denn nu?" ... und warum es sich trotzdem lohnt, die Kinder zu motivieren
"Ein paar Stunden flanieren und spazieren, das ist noch nicht Gehen"
Die Vermessung des Gehens
Interessieren Sie sich für dieses Thema?
Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.