Ein Vogelnest auf dem Kopf
Kennen Sie das? Wenn aus heiterem Himmel eine längst verschüttet geglaubte Kindheitserinnerung hochkommt und die Geschehnisse von damals in aller Klarheit vor dem inneren Auge auftauchen?
Javier Milei ist der Name jenes Mannes, der mich kürzlich in einen Hochsommertag Mitte der 1970er Jahre zurückgebeamt hat. Und das kam so: Ich studierte ein Porträt des verhaltensauffälligen 53-Jährigen, der soeben zum neuen Präsidenten Argentiniens gewählt worden war, als ich plötzlich laut und deutlich die Stimme meiner längst verstorbenen Mutter vernahm: "Komm her frisieren. Du hast ja ein Vogelnest auf dem Kopf!"
Das sagte sie gerne, wenn meine Brüder und ich nach einem langen Ferientag im Freien recht zerzaust, aber glücklich zur abendlichen Jause in die Küche drängten. Ohne vorheriges Händewaschen und Frisieren gab es weder Kakao noch Butterbrot. Und ich bin überzeugt: Hätte sie die Möglichkeit dazu, würde sich meine Mutter beherzt und konsequent über Mileis Haupthaar hermachen.
Dabei ist dessen Vogelnest auf dem Kopf nicht zufällig entstanden, sondern eine bewusst gesetzte Botschaft, wie des Präsidenten Friseurin ausgeplaudert hat. Die wilde Mähne samt breiten Koteletten sollen an Wolverine, den unverwundbaren und unbesiegbaren Wolfsmenschen und Comichelden, erinnern. Was will der Mann? Menschen nicht nur mit seiner Politik, sondern auch in der persönlichen Begegnung zu Tode erschrecken?
Dass wirres Haar und wirre Gedanken gut zusammengehen, hat schon Boris Johnson gezeigt. Und es ist nicht an den Haaren herbeigezogen, wenn niederländische Kommentatoren im nächsten rechtspopulistischen Wahlgewinner, dem platinblond gefärbten Geert Wilders (60), eine ideale Dracula-Besetzung sehen, quasi Blutsauger-Politik.
Eines ist unübersehbar. Pöbelnde Wutreden-Politiker stellen ihre Kritik am ach so schlimmen System auch auf dem Kopf zur Schau. Donald Trump hat im Wettstreit um die peinlichste Frisur wilder weißer Männer mächtig Konkurrenz bekommen. Wie er seine auftoupierte, blond-orange Föhnfrisur täglich aufs Neue hinbringt, ist eines der großen Rätsel unserer Zeit. Und das soll es bitte auch bleiben.
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