Ein magischer Moment in einem Armenhaus
Guatemala: Hungernde Kinder, Analphabetismus und doch Hoffnung dank Hilfe aus Oberösterreich.
Die Provinz El Quiché im Nordwesten Guatemalas: Bis zu 2500 Meter hohe Berge ragen in den Himmel, die Landschaft könnte schöner nicht sein. Doch das Bild trügt: In einem Land, das nach einem blutigen Bürgerkrieg (1960–1996) von der Drogenmafia regiert wird, hungern viele Kinder. Mehr als die Hälfte der Bürger sind Analphabeten. Mit Hilfe aus Oberösterreich wird den Menschen rund um die Provinzhauptstadt Joyabaj eine Reihe von Schulprojekten ermöglicht. "Denn Bildung ist der Schlüssel gegen Armut", sagt Franz Hehenberger, Geschäftsführer von "Sei so frei".
Pedro Castro ist in den Bergen von El Quiché aufgewachsen. Acht Geschwister hat der 22-Jährige: "Ich bin der Erste in meiner Familie, der dank eines Stipendiums von Sei-so-frei die Chance hatte, Lehrer zu werden", erzählt Pedro. Die Unterstützung war das eine, die Durchsetzungskraft des jungen Mannes das andere. Denn wer wie er aus den Bergen kommt, wird als arm und ungebildet abgestempelt.
Plantagenarbeit statt Schule
Pedro biss sich als einer der besten Studenten durch. Jetzt leitet er die vor einem Jahr mit Hilfe von Sei-so-frei errichtete Schule in Tierra Blanca. Pedro ist der einzige Lehrer für 45 Kinder im Alter von sechs bis 15 Jahren. Die Schüler in ihren roten Uniformen sind begeistert von ihm. "Es könnten aber mehr Mädchen und Burschen bei mir sein." Doch die kinderreichen Familien kämpfen ums Überleben. So zieht es Väter mit ihren Söhnen an die Küste. Zum Arbeiten auf den Zuckerrohrplantagen der Reichen. Ein Job, für den schon Erwachsene körperlich an ihre Grenzen gehen müssen. Pedro ist bereit für den Kampf gegen dieses Unrecht. Er geht auf die Familien zu, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können. Pedro will die Eltern trotzdem überzeugen, wie wichtig es ist, lesen, schreiben und rechnen zu können.
Ein schwerer Kampf. Wer einmal im Hochland von Guatemala war, gewinnt Einblicke, die er nie vergessen wird. Zu den Dörfern gelangt man über Schotterstraßen, die diesen Namen nicht verdienen.
Einer dieser Trampelpfade führt zur Holzhütte von Paulina Solis und ihren vier Kindern im Alter von ein bis zwölf Jahren. Ein paar Hühner haben Paulina und ihr Mann und ein paar Quadratmeter Grund. Geschlafen wird auf einem selbst gezimmerten Bett, statt einer Matratze gibt es einen Karton als Unterlage. Dazu ein paar alte Decken, in den Nächten kann es kühl werden. Strom und Wasser? Fehlanzeige. In einer Ecke stehen Kübel, in einem wird Mais gelagert. In der Mitte der Hütte: eine offene Feuerstelle. Der Rauch beißt sich in den Augen fest.
"Viele von uns können nicht Lesen und Schreiben, das ist unsere größte Einschränkung", erzählt Paulina, die dankbar jeden aus der kleinen österreichischen Delegation mit Franz Hehenberger, Ruth Lummerstorfer (beide Sei-so-frei) und Stefan Meusburger (Ordensklinikum Linz) umarmt: Sei-so-frei hat ein Holzsparofen-Projekt initiiert. Bald ist Schluss mit dem krank machenden Rauch im Raum.
Ein großes Fest in Rio Blanco
Es war Anfang der 2000er-Jahre, als Sei-so-frei, eine entwicklungspolitische Aktion der Katholischen Männerbewegung, in Guatemala tätig wurde. Dabei werden auch Projekte zur Gleichberechtigung der indogenen Frauen unterstützt. Spenden aus Oberösterreich machen es möglich. Unser Euro ist im Armenhaus Mittelamerikas das Zigfache wert. So können Schulgebäude um Beträge errichtet werden, für den man bei uns einen, höchstens aber zwei Mittelklasse-Autos kaufen kann.
Sei-so-frei handelt nach klaren Prinzipien: "Wir zeigen den Menschen den Weg, gehen müssen sie ihn selbst", sagt Hehenberger. Und so war es in den wunderschönen Bergen von El Quiché ein magischer Moment, als die Bewohner von Rio Blanco zum großen Fest luden. Die Volksschule, von Sei-so-frei gegründet, wurde um zwei Klassen erweitert und aufgestockt. Mit eigener Kraft der Gemeindebürger. Hehenberger: "Da sind mir vor Freude fast die Tränen gekommen."
Eine „OÖN-Schule“ gibt Berge
Die Schule in Sechum ist ein Treffpunkt für Jung und Alt
Joyabaj. Umarmungen. Immer und immer wieder. Als die kleine Delegation von Sei-so-frei mit Franz Hehenberger im kleinen Bergdorf Sechum in der Provinz El Quiché eintraf, wurde sie von einer Welle der Sympathie empfangen. Kinder und ihre Eltern gingen mit offenen Armen auf „Doctor Frans“, wie Hehenberger liebevoll genannt wird, und seine Begleiter zu.
Der Dank, den Schuldirektorin Floricelda Santas aussprach, galt aber nicht nur der Organisation der Katholischen Männerbewegung, sie sprach auch die Leser der Oberösterreichischen Nachrichten an. Sie hatten vor elf Jahren gemeinsam mit Sei-so-frei für das Schulprojekt in den Bergen Joyabajs gesammelt, 8000 Euro kamen zusammen. Nicht nur der Schriftzug der OÖNachrichten ist auf dem einstöckigen Gebäude mit drei Klassen und einer kleinen Bäckerei zu lesen, auch eine Dankesplakette ist angebracht.
Früher eine Lehmhütte
„Es war die erste Schule, die wir hier neu gebaut haben“, erzählt Hehenberger. Früher ist hier gerade einmal eine Lehmhütte gestanden. Bei Regen schoss das Wasser durch die Klassenzimmer, die dann für einige Tage nicht mehr betreten werden konnten. Jetzt wurde aber gefeiert: eine neue Überdachung wurde gebaut. Kinder sangen und tanzten, dazu fand sich der gesamte Dorfrat beim Festessen ein. Huhn, Karotten und Reis aus einem Plastikteller gab es für alle. Und Wasser oder eines der bittersüßen Mix-Getränke, die hier überall getrunken werden. Die Kinder selbst lutschten selbstgemachtes Eis, das nichts anderes ist als eben dieses gefrorene Mix-Getränk.
„Das hier ist weit mehr als eine Schule“, erzählt die Direktorin: „Es ist ein Versammlungs- und Weiterbildungsort, weil wir nichts anderes haben. Außerdem treffen sich Väter hier zum Fußballspielen.“ Auch Pedro Castro sehen wir wieder. Er hat hier lesen und schreiben gelernt. Dank Sei-so-frei, das ihn mit einem Stipendium unterstützte, ist er nun Lehrer in Tierra Blanca. Pedro will weiter an seiner alten Wirkungsstätte helfen: „Weil ich zeigen will, dass wir etwas erreichen können, obwohl wir aus den Bergen kommen.“
Nähere Informationen unter www.seisofrei.at Spenden: Hypobank
(BIC: OBLAAT2L), IBAN: AT30 5400 0000 0069 1733
Lehmhütten als rückständig darzustellen, das ist schon sehr überheblich, weil Lehmhütten von den Menschen selbst ohne große Maschinen und viel Energie hergestellt werden können. Auch in Österreich erfreuen sich Lehmhütten wieder einem kleinen Revival, sogar der Wienerberger-Konzern hat sich damit auseinander gesetzt und geforscht.
Die Kritik von Ivan Illich an einem verengten Entwicklungsbegriff ist daher nach wie vor aktuell. Ebenso die Gewegung für "angepasste Technologie" der 80er Jahre.
Es kommt wohl auf die Ausführung an.
auch Ziegel sind "nur" gebrannter Lehm....