Gewalt an Frauen: "Eine Auswirkung des Patriarchats"
WIEN. In Österreich werden mehr Frauen getötet als Männer – die meisten sind Beziehungstaten, drei Viertel der Täter töten die (Ex-)Partnerin.
Entsetzen hat die Mordserie der vergangenen Tage in Österreich ausgelöst. Frauenministerin Susanne Raab (VP) sprach von einem "unvorstellbaren Ausmaß an Brutalität". Innenminister Gerhard Karner (VP) bezeichnete die Taten als "bestialisch und abscheulich".
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Nach den Frauenmorden in Wien wurde gestern früh in Eschenau (Bezirk Lilienfeld) eine 84-jährige Frau erschossen. Mutmaßlicher Täter ist ihr 93-jähriger Ehemann, er soll danach versucht haben, sich selbst zu richten. Die Ermittler fanden in der Wohnung des Paares einen Abschiedsbrief. Es war der bereits siebente Mord an einer Frau im Jahr 2024, der erste geschah am 25. Jänner im Zillertal, in den vergangenen vier Tagen folgten sechs weitere.
Ein Warnsignal
Die jüngsten Femizide (Details siehe unten) seien "völlig unterschiedlich", sagt Birgitt Haller vom Institut für Konfliktforschung IKF. Sie hätten aber denselben Ursprung. "Das Problem ist die Frauenfeindlichkeit", sagt Haller. So wird der Begriff Femizid auch definiert als ein Tötungsdelikt an Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Die Konfliktforscherin sieht Gewalt an Frauen auch als "Auswirkung des Patriarchats". In einer Analyse hat sie sich mit den Delikten zwischen 2010 und 2020 ausführlich beschäftigt. Dabei stellte sie fest, dass es in Österreich auffällig viele Morde an Frauen gibt. Erstens liegt die Zahl weiblicher Mordopfer über dem EU-Durchschnitt, die Zahl männlicher Mordopfer hingegen deutlich darunter. Zweitens sind die Femizide gemessen an der Bevölkerung in Österreich gestiegen, während sie EU-weit gesunken sind. "Dies kann durchaus als Warnsignal gesehen werden", befand die Studienautorin.
Wichtig sei, die Fälle im Nachhinein aufzuarbeiten, um mögliche Fehler innerhalb der Institutionen zu erkennen.
Seit 2017 auf höherem Niveau
Wie aus der polizeilichen Kriminalstatistik hervorgeht, hat die Zahl der getöteten Frauen in Österreich nicht kontinuierlich zugenommen. Allerdings lagen die Zahlen ab 2017 auf höherem Niveau. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 gab es in Österreich 19 weibliche Mordopfer, 2018 waren es mit 41 mehr als doppelt so viele. Das war der Höchstwert der vergangenen zehn Jahre. Im Vorjahr zählte der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) 26 Frauenmorde.
Auch das Linzer Frauenhaus gehört dem Verein an. Dort finden Betroffene Zuflucht, etwa ein Drittel bleibt bis zu einem Jahr. Bevor die Frauen dort hinkämen, hätten sie meist schon jahrelang Gewalt erlebt, sagt Karin Raab, die das Linzer Frauenhaus leitet. Oftmals würde es mit psychischer Gewalt anfangen. "Das kann sich über die Jahre steigern. Gewalt wird oft erst erkannt, wenn sie körperlich wird."
Die Frauenhäuser seien "gut belegt", sagt Raab. "Aber wir haben immer einen Platz für Frauen, wenn sie ihn brauchen." Ob die hohe Auslastung an einer zunehmenden Gewalt liege oder vielmehr an einer gesteigerten Sensibilisierung, sei schwierig zu sagen.
In vielen Fällen sind es nicht Frauen, die selbstständig Schutz suchen. Immer wieder werden Gewaltopfer aufgrund des Verletzungsmusters im Krankenhaus aufgedeckt. Oft werden auch Polizei oder Gewaltschutzzentren aktiv, damit die Betroffenen – meist auch deren Kinder – in einer sicheren Umgebung unterkommen. Und nicht selten kommt es vor, dass Frauen von ihrem Mann vor die Tür gesetzt werden. Die finanzielle Abhängigkeit sei immer noch ein großes Thema, sagt Raab. Auch Scham spiele bei den Betroffenen eine große Rolle. Innenminister Karner versicherte gestern: "Ich bin überzeugt, dass die bisher von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen greifen werden."
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