Nazi-Tattoos im Freibad Braunau zur Schau gestellt? 32-Jähriger zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt
RIED/BRAUNAU. Um 13 Uhr begann am Donnerstag der Geschworenenprozess gegen einen 32-jährigen Innviertler, der im Braunauer Freibad am 9. Juli und 15. Juli mehrere einschlägige Tätowierungen mit NS-Symbolen zur Schau gestellt haben soll. Die Geschworenen sprachen den Angeklagten schuldig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Fall des mehrfach vorbestraften 32-Jährigen machte österreichweit Schlagzeilen, vor allem wegen des Verhaltens der Polizei, die OÖN haben wiederholt und ausführlich berichtet. Der Angeklagte wird verdächtigt, mehrere verbotene Tätowierungen mit nationalsozialistischen Symbolen im Freibad Braunau zur Schau gestellt zu haben. Am Dienstagabend gab das Geschworenengericht das Urteil bekannt: zwei Jahre Haft, acht Monate davon unbedingt.
Wie berichtet, hatte ein bayerischer Polizist seine Kollegen in Braunau informiert, dass ein Badegast solche Tätowierungen öffentlich zur Schau stelle. Die Polizeibeamten kamen zwar ins Freibad, gingen aber nicht hinein, der Vorfall wurde erst Tage danach öffentlich, der Aufschrei über das Agieren der Beamten groß. Der bayerische Polizist ist laut OÖN-Informationen heute als Zeuge geladen.
"Nichts aus der Vergangenheit gelernt"
"Jeder, der im Juli die Zeitungen aufgemacht hat, weiß, worum es heute geht", sagte Staatsanwalt Alois Ebner. "Der Oberkörper des Angeklagten ist, so möchte ich es sagen, zugemüllt mit braunen Tattoos. Er steht zum viertel Mal in seinem Leben vor einem Geschworenengericht. Der Beschuldigte hat offenbar aus seiner Vergangenheit nichts gelernt", sagt Ebner. Er habe in den vergangenen Jahren nicht gehandelt und sich die zahlreichen Tätowierungen (unter anderem sollen ein Totenkopf mit SS-Runen, eine schwarze Sonne und die Schriftzüge "Blut und Ehre" sowie "Sturm 18" zu sehen gewesen sein) auch nicht übertätowieren lassen, argumentierte der Staatsanwalt. "
Schon vor dem Auftritt im Freibad hatten die Ermittlungsbehörden den 32-Jährigen auf dem Radar. Es gab laut Ebner ein laufendes Ermittlungsverfahren. Grund: Auf einem WhatsApp-Foto sei der Beschuldigte mit nacktem Oberkörper, also mit strafbaren Tätowierungen, zu sehen gewesen, sagte Ebner, der den Polizeieinsatz so kommentierte: "Dass der Angeklagte nicht sofort festgenommen wurde, ist unglücklich. Hätte ich das gewusst, hätte ich natürlich sofort die Festnahme angeordnet."
"Wollte schnell ins Wasser gehen"
"Die letzte Verurteilung meines Mandanten wegen Wiederbetätigung liegt zehn Jahre zurück", sagte der Verteidiger, der auf "nicht schuldig" seines Mandanten plädierte. "Mein Mandant war mit seiner Familie bei 36 Grad im Schatten im Freibad. Er wollte schnell ins Wasser gehen, da die Kinder quengelig waren. Es klingt komisch, aber er hat in diesem Moment auf diese Tätowierungen vergessen. Wenn man sich Jahr für Jahr mehrmals pro Tag im Spiegel sieht, nimmt man das nicht mehr so war", sagte der Verteidiger Hartmut Gräf. Sein Mandant habe sich keinesfalls wiederbetätigen wollen. Dass es "massiv dumm" gelaufen ist, stehe außer Frage. An die Geschworenen gerichtet, sagte der Verteidiger: "Sie müssen sich fragen, was hat sich der Angeklagte gedacht. Es ist nur dann strafbar, wenn er den Vorsatz hatte, sich dadurch im nationalsozialistischen Sinne wiederzubetätigen."
Im Gerichtssaal wurden zu Beginn der Befragung des Beschuldigten durch die vorsitzende Richterin Claudia Grillneder die Tätowierungen auf der Video-Leinwand gezeigt. Zu übersehen dürften die zum Teil alles anderen als kleinen Tattoos nur schwer gewesen sein.
Auf die Frage der Richterin "schuldig oder nicht schuldig"?, antwortete der Angeklagte: "Nicht schuldig." Er habe, als er am 15. Juli vom Bademeister aufmerksam gemacht wurde, sofort alles abgeklebt und sich entschuldigt.
Zu den Tätowierungen sagte der Beschuldigte, dass er sich diese großteils im Alter zwischen 16 und 19 stechen ließ. Damals habe er die NS-Ideologie damit zum Ausdruck bringen wollen, das gehöre aber seit langer Zeit der Vergangenheit an. Den Schriftzug "Blut und Ehre" kommentierte der Innviertler so: "Ich war so dumm, ich weiß es ja selber auch nicht. Ich wollte cool sein damals." Zu einem riesengroßen Totenkopf mit einer NS-Doppelsigrune sagte er nur "ich kann nicht viel dazu sagen." Es seien Sachen, die aus der Vergangenheit übrig geblieben seien. Mit der Ideologie habe er nichts mehr am Hut.
"Warum haben Sie sich in den vergangenen zehn Jahren die NS-Symbole nicht übertätowieren lassen"? wollte die Richterin wissen. "Es war zum Teil eine Zeitfrage. Irgendwann ist es in den Hintergrund geraten, weil ich andere Prioritäten hatte. Es ist scheiße, aber ich habe einfach nicht mehr darauf gedacht. Ich habe mir so viel aufgebaut. Habe ein neues Leben angefangen, warum sollte ich wegen so einem Blödsinn alles aufs Spiel setzen. Ich habe nicht darauf gedacht, meinen Oberkörper im Freibad zu bedecken", sagte der Beschuldigte. Zuvor sei er jahrelang nicht mehr im Freibad gewesen. "Ich bin eigentlich nie irgendwo. Ich hätte nie geglaubt, dass ich deswegen noch einmal vor Gericht sitze", sagte der Angeklagte. Die kurze Replik von Richterin Grillneder: "Sie hatten zehn Jahre Zeit, die Tätowierungen zu entfernen."
"Wären sie unbekleidet ins Freibad gegangen, wenn sie an die Tätowierungen gedacht hätten", fragte Verteidiger Gräf seinen Mandanten. "Nein, wäre ich nicht."
Leben in den Griff bekommen
2022 wurde er aus seinem bisher letzten Gefängnisaufenthalt entlassen. Ab diesem Zeitpunkt habe er begonnen, sein Leben in den Griff zu bekommen. "Ich habe meinen Lehrabschluss mit Auszeichnung nachgeholt und die Abendschule gemacht. Ich bin in einer funktionierenden Beziehung, auch mein Sohn ist sehr regelmäßig bei mir. Ich tue alles, damit ich nicht mehr ins Gefängnis muss", sagte der Angeklagte. "Wollen sie uns verraten, welche Wurzeln ihre Lebensgefährtin hat?", fragte der Verteidiger. "Ja, sie hat türkische Wurzeln."
"Ich habe die Tattoos gesehen und dem Bademeister Bescheid gegeben. Das war am 9. Juli. Das Freibad war voll, es war ja schließlich Sommer", sagte der deutsche Polizist, der den Fall mehr oder weniger ins Rollen brachte. Die Polizei wurde zwar gerufen, aktiv wurde diese im Freibad, wie berichtet, jedoch nicht. Am 15. Juli besuchte der Angeklagte erneut das Freibad. "Ich habe ihn angesprochen und ihm gesagt, dass es eine Woche zuvor einen Wirbel wegen der Tattoos gegeben hat. Der Mann hat sich entschuldigt und sich ein T-Shirt angezogen", sagte der Bademeister im Zeugenstand.
Mit "bewusster Gleichgültigkeit" gehandelt
"Der Angeklagte sagt, dass er zweimal nicht daran gedacht hat, dass die Tätowierungen im Freibad alle sehen können. Das glaube ich ihm einfach nicht, er weiß seit Jahren, wie er aussieht, dann ganz plötzlich, denkt er zwei Mal nicht daran. Das nehme ich ihm nicht ab. Zu sagen, ich habe es nicht gewusst und tut es nicht mehr, ist die einfachste Verantwortung", sagte Staatsanwalt Ebner in seinem Schlussplädoyer. Es gehöre jetzt aufgeräumt mit der Vergangenheit, dazu zähle eben auch der Vorfall im Freibad. Über die Facebook-Bilder wo Teile der schwarzen Sonne zu sehen sind, könne man vielleicht diskutieren, die Wiederbetätigung im Freibad stehe aber völlig außer Zweifel. "Sie sind nicht in der Absicht hingegangen, einen Nazi-Auftritt zu veranstalten. Das wird Ihnen auch nicht vorgeworfen. Aber sie haben sehr wohl mit einer bewussten Gleichgültigkeit gehandelt", sagte Ebner und fügte hinzu: "Es ist die vierte Anklage wegen Wiederbetätigung. Es braucht noch einmal einen deutlichen Dämpfer, der sie nicht nur zur inneren, sondern auch zur äußeren Umkehr bringt. Sie hatten jahrelang Zeit gehabt, dass sie sich die Nazi-Tattoos entfernen zu lassen. Getan haben sie nix." Der Angeklagte schüttelte während des Abschlussvortrags des Anklägers fast durchgehend den Kopf.
Verteidiger: "Im Zweifel für den Angeklagten"
"Wenn sie Zweifel haben, haben sie die heilige Pflicht, den Angeklagten freizusprechen", sagte Verteidiger Gräf in seinem Schlussplädoyer. Sein Mandant habe in keiner Weise den Vorsatz gehabt, sich im nationalsozialistischen Sinne wiederzubetätigen. Er hat zu keinem Zeitpunkt irgendetwas zur Schau gestellt", argumentierte Gräf. Auch die Zeugen hätten gesagt, dass es sich um einen ganz entspannten Familienausflug gehandelt habe. Das letzte Wort hatte der Angeklagte: "Ich will, was ich mir jetzt aufgebaut habe, auf das Spiel setzen. Ich werde mich sicher nie wieder wiederbetätigen."
Die Geschworenen sprachen den Angeklagten wegen seiner beiden Freibadbesuche jeweils mit sieben zu eins Stimmen schuldig. Von den anderen drei Anklagepunkten (auf einem Facebookfoto und WhatsApp-Profilfoto sollen Teile der schwarzen Sonne erkennbar gewesen sein) wurde der Innviertler freigesprochen. Der Beschuldigte wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der unbedingte Teil beträgt acht Monate. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.