"Mobbing ist wie eine Droge"
LINZ. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft veranstaltet in Linz eine Fachtagung zur Mobbing-und Gewaltprävention an Schulen. Das Strafrecht sei bei Mobbing nicht immer die beste Lösung. Es gehe darum, diese Kinder auch "verstehen zu wollen", sagen Experten.
Michael ist berühmt geworden. Sein Gesicht ist auf Fotomontagen zu sehen, über sein Aussehen wird in den Sozialen Medien diskutiert und sogar eine eigene WhatsApp-Gruppe wurde für ihn ins Leben gerufen. Deren Name verrät, dass der zwölfjährige Schüler eine sehr harte Zeit durchlebt: "Wie wir Michael loswerden können".
Michael, dessen Name von der Kinder-und Jugendanwaltschaft (KiJA) Oberösterreich verändert wurde, ist ein Mobbingopfer. Eines von vielen. Rund 4.000 individuelle Beratungen und Hilfestellungen werden von der KiJA jährlich durchgeführt, ein Drittel davon wegen Mobbing.
Mobbing im schulischen Umfeld sei klar die Gewalterfahrung, die von Kindern und Jugendlichen am häufigsten erlebt werde, sagt Christine Winkler-Kirchberger, Jugendanwältin des Landes. Gemobbt werde, wer anders ist und sich nicht wehren könne. Konkret würden die Jugendlichen von Mobbing aufgrund ihres Gewichts, ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder Hautfarbe betroffen sein.
"Bewusstseinsbildung vor Strafrecht"
"Mobbing hört nicht von selbst auf. Es wird immer stärker. Für jene, die es ausüben, ist es wie eine Droge", sagt Christoph Göttl, Facharzt für Kinder-und Jugendpsychiatrie und Traumatherapeut in Graz.
Experten sind sich einig: Die Berufung auf das Strafrecht allein reicht zur Prävention von Gewalt nicht aus. "In Hinblick auf Gewalt an Schulen und im Sinne der Prävention bedarf es eines Verstehens von Gewalt und kriminellem Handeln von Kindern und Jugendlichen und zwar bei denen, die bereits auffällig, straffällig, grenzverletzend oder körperverletzend geworden sind", sagt Steffen Theel vom Zentrum für Kriminologie und Polizeiforschung. "Aber meistens fliegen diese Kinder einfach aus unserem System".
Lehrer sollten - im Bezug auf Cybermobbing- Schüler in Hinblick auf Privatsphäre oder auch rund um die Weitergabe von persönlichen Daten und Aufnahmen aufklären.
"Viele Kinder und Jugendliche, Lehrer und Eltern sind mit Mobbing- und Gewalterfahrung konfrontiert. Nur wenige Lehrer sind darauf vorbereitet. Daher ist es umso wichtiger, den Lehrenden das nötige Handwerkzszeug mitzugeben, um präventiv zu handeln oder bei Mobbing oder Gewalt im eigenen Klassenzimmer die richtigen und notwendigen Schritte zu setzen", sagt Kinderschutzlandesrat Michael Lindner (SP).
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Oberösterreich hat eine eigene Mobbing-Hotline eingerichtt: 0664/1521824, Beratungen gibt es unter: 0732 779777. Kostenloses Info-Material kann hier heruntergeladen werden.
Im deutschen Freudenberg sorgte zuletzt der tragische Fall der zwölfjährigen Luise für Aufsehen. Sie soll von zwei gleichaltrigen Mädchen getötet worden sein. Auch in diesem Fall soll Mobbing eine Rolle gespielt haben.