Wo Demut "Pingpong" mit dem Leben spielt
OTTENSHEIM. Günther Hansl war 23 Jahre Sportredakteur und Sportchef beim ORF sowie beim Volksblatt. Ob Fußball, Leichtathletik oder Tischtennis: Er schrieb über jeden Sport. Seit elf Jahren ist er in Pension. Und wer ihn fragt: "Wie geht’s?", bekommt nicht den üblichen Stehsatz zu hören. Er erzählt, dass er im Vorjahr zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft teilgenommen hat. Welche Sportart?
"Tischtennis. Parkinson-Tischtennis."
Hansl war kaum in Pension, als er die Diagnose bekam. Er erzählt offen von seiner Erkrankung, dass es ihm den Boden unter den Füßen weggezogen habe und er in eine Depression gefallen sei. "Der Schock war so groß, dass ich nichts mehr tun konnte, ich hab mich in den Wohnzimmersessel gesetzt und den Fernseher aufgedreht." Dann habe er eine Selbsthilfegruppe gefunden, und aus dieser entstand dann im Vorjahr eine Tischtennissektion bei der TSU Ottensheim. "Schau doch vorbei", sagt er.
Was sie eint, ist auch der Mut
Seine Wegbeschreibung braucht keine genaue Adresse: "Bei der Kirche in Ottensheim" reicht. Aus dem Nebengebäude ist ohnehin das typische "Pingpong" zu hören. Denn hier spielen sie: zehn Männer über 60, 70 Jahre – zwei Frauen und vier weitere Männer fehlen heute. Die Bälle springen hin und her – hier läuft das Training für die morgen beginnende Staatsmeisterschaft in Faak am See.
Dann setzen sich alle und erzählen davon, was sie eint, obwohl die Krankheit bei jedem doch so individuell sei. Allen voran erzählen sie auch vom Schock, den sie hatten, als sie die Diagnose bekamen.
Was sie aber noch mehr eint, ist der Mut, offen über die nach wie vor unheilbare Krankheit zu sprechen, auch über die Auswirkungen: von Depressionen über das anfängliche Zurückziehen bis zum Schütteln in all seinen Varianten.
"Wenn der Kurt sitzt", sagt Günther Hansl und zeigt auf "Bill" Bayer, der mit Freunden die Selbsthilfegruppe vor acht Jahren gegründet hat, "dann hat er einen Tremor, eine Art des Schüttelns. Wenn er aber spielt, dann haut er drauf, dass du denkst, das gibt’s nicht."
"Bill" war es, der gemeinsam mit Erich Scheuchenpflug im Vorjahr nach dem Parkinson-Tag in Linz zu den anderen kam und davon berichtete, dass es eine Tischtennis-WM für Menschen mit Parkinson in Wels gebe. Alle sprangen in der Sekunde darauf an, stellten sich die Frage, wo sie trainieren könnten, und fanden mit dem TSV Ottensheim einen Heimatverein. Vier Männer von der neugegründeten Sektion nahmen an der WM teil, es gab auch Medaillen. Allerdings "geht es nicht darum, wer beim Spiel gewinnt", sagt Erich Scheuchenpflug. Denn: "Wir gewinnen alle", ergänzt Kurt Bayer. "Und zwar gegen Parkinson."
Und diese Siege sehen so aus, dass manche Bewegungsabläufe, die verschüttet waren, wieder in Erinnerung kommen. "Bei mir ist der rechte Arm beim Gehen nicht mehr mitgeschwungen. Doch nach drei, vier Trainings hab ich gemerkt, dass der Arm wieder mitgeht", sagt Günther Hansl und freut sich über diesen kleinen und zugleich unfassbar großen Erfolg.
Aber nicht nur die Bewegung sei es, die den Mitgliedern der Selbsthilfegruppe so guttue. "Wir sind eine Parkinson-Familie", sagt Neil Stainthorpe, der doppelte Legionär in der Truppe. Der Brite stammt nämlich aus St. Marienkirchen an der Polsenz, während alle anderen aus dem Mühlviertel oder Linz kommen. "Wir beziehen auch unsere Frauen mit ein", ergänzt Günther Hansl.
Und sie halten sich auch immer auf dem Laufenden. Wer etwas Neues über Parkinson erfährt, teilt sein Wissen mit den anderen. So haben sie gemeinsam etwas unternommen, um ihre Stimme zu stärken, als sie erfuhren, dass diese mit Parkinson immer leiser werde. Eine pensionierte Logopädin gab ihnen dann Stimmtraining.
Sie wollen aber auch Mut machen, auch wenn es oft aussichtslos scheint. Ihr wichtigster Rat: "Drüber reden, nicht daheim verkriechen." Zufällig und doch sinnbildlich dafür stand bei meinem Besuch die Tür hinten sperrangelweit offen: für jene, die Hilfe suchen, reden wollen und dem Parkinson ein paar Punkte abnehmen wollen.
Und wie, das fasst am Ende des Besuches der OÖN "Bill" wunderbar zusammen, während er seinen Bart zwirbelt und auf Münchhausen verweist, der sich an seiner Perücke aus dem Sumpf gezogen hat: "Ich hab mir gedacht: Ich hab so einen schönen Schnauzbart, ich werde mich daran nehmen und herausziehen. Denn selbst wenn depressive Phasen kommen: Wenn ich weiß, dass es am Montag und Mittwoch ans Tischtennisspielen geht, dann ist das verflogen."
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