Scharia-Staat statt Republik? Finale im Dschihad-Prozess
LINZ. Mitglieder eines türkischen Glaubensvereins in Linz sollen junge Männer radikalisiert und als IS-Kämpfer angeworben haben.
Der Linzer Dschihadisten-Prozess, in dem sich drei Männer wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung verantworten mussten, ist gestern in die Zielgerade gegangen. Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen hielten Staatsanwalt und Verteidiger ihre Plädoyers, die Geschworenen begannen ihre Beratung über Unschuld oder Schuld der Angeklagten. Ein Urteil lag zu Redaktionsschluss noch nicht vor.
Hauptbeschuldigter ist der Imam des türkischen Glaubensvereins "Rahmet" in Linz, dem vorgeworfen wird, junge Männer radikalisiert und als Kämpfer für die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) angeworben zu haben. Mitangeklagt sind auch der Schriftführer sowie ein Vereinsmitglied.
"Redegewandter Prediger"
Den Männern wird wegen Beteiligung an einer staatsfeindlichen Vereinigung die Absicht vorgeworfen, die Unabhängigkeit der Republik Österreich und ihre in der Verfassung festgelegte Staatsform durch einen nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten totalitären Gottesstaat mit dem Rechtssystem der Scharia ersetzen zu wollen.
In der Verhandlung und in den Plädoyers bestritten die Angeklagten und ihre Verteidiger die Vorwürfe des Staatsanwaltes. Eine Reihe von Zeugen erklärte, dass die Angeklagten bezüglich der ihnen vorgeworfenen Straftatbestände nie auffällig gewesen seien. Allerdings gab es auch belastende Aussagen unter anderem von verzweifelten Eltern, wonach der sehr redegewandte Prediger mit Unterstützung der beiden anderen Angeklagten junge Männer in Vorträgen, mit Datenträgern und persönlichen Gesprächen manipuliert habe.
Die umfangreichen Ermittlungen des Staatsschutzes seit 2013 unter Einsatz von Lauschangriffen, Abhören von Telefonaten, Auswertung von Mails und Computerdateien, Videoüberwachung und Observationen hatte Verbindungen zu anderen islamistischen Gruppierungen in Graz, Wien sowie in Berlin und Bulgarien ergeben. Etliche Personen aus dem Umfeld dieser Gruppen seien als Gotteskrieger in den Dschihad in Syrien gezogen, einige wurden dort verwundet oder getötet.
Zielfernrohr verschickt?
Einem – er kämpfte als Scharfschütze – sei auch ein Zielfernrohr geschickt worden. Der Verein sei zu einem Standort und Stützpunkt des Islamischen Staates und der damit verbundenen terroristischen Organisationen in Österreich geformt worden. Auch Gutachten eines Islam-Experten und eines Experten für islamistischen Terror fielen kritisch zu den Angeklagten aus.
Das Verfahren ist eine Neuverhandlung nach einer teilweisen Aufhebung durch den Obersten Gerichtshof im Jahr 2020 von Urteilen in einem Grazer Prozess. Es wurde nach Linz delegiert, da die Angeklagten und Zeugen großteils von dort stammen. Der Obmann und der Kassier des Vereins sowie der Vermieter der Räumlichkeiten waren zuvor schon freigesprochen worden.
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