Anschlagspläne in Wien: 19-Jähriger legte Geständnis ab
WIEN. Jener 19-Jährige, der einen Anschlag auf das heute oder morgen stattfindende Taylor-Swift-Konzert in Wien geplant haben soll, legte bei der Einvernahme ein "vollumfängliches Geständnis" ab. Er habe eine große Menschenmenge außerhalb des Happel-Stadions töten wollen, sagte er.
"Eine Katastrophe konnte verhindert werden" - mit diesen Worten leitete Innenminister Gerhard Karner (VP) am Donnerstag eine Pressekonferenz zu den Terroranschlagsplänen in Wien ein. Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, und der Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Haijawi-Pirchner, informierten anschließend über die neuen Erkenntnisse.
Der 19-Jährige aus Ternitz wollte mit Sprengstoff und Hieb- und Stichwaffen sich selbst und eine große Zahl anderer Menschen töten, sagte DSN-Direktor Haijawi-Pirchner. Den Anschlag wollte er heute, Donnerstag, oder morgen, Freitag, auf ein Taylor-Swift-Konzert verüben, sagte er bei der Einvernahme. "Sein Plan war Personen außerhalb des Stadions zu töten", sagte Haijawi-Pirchner. Karten für das Konzert hätten die Verdächtigen nicht gehabt.
Bei Stadion-Dienstleister angestellt
Vor dem Stadion sei auch der zweite Verdächtige am Mittwochnachmittag festgenommen worden. Er habe Material der Terrormiliz IS und der Al-Kaida bei sich gehabt, so Haijawi-Pirchner. Der 17-Jährige mit türkisch-kroatischen Wurzeln sei bei einem Facility Unternehmen angestellt gewesen, das am Donnerstagabend im Stadion Dienstleistungen durchführen hätte sollen - etwa die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Getränken. Der gebürtige Wiener wurde am Mittwoch von Sondereinsatzkräften der Polizei kurz vor dem Stadion gefasst, zeigt sich aber nicht geständig. Laut seinem Anwalt habe er mit Terrorismus und Anschlagsplänen nichts zu tun.
Im Besitz von hochexplosivem TATP
Der 19-Jährige mit nordmazedonischen Wurzeln sei "ganz klar radikalisiert" und habe Propagandamaterial des IS und der Al-Kaida bei sich gehabt. Bei einer Hausdurchsuchung an der Adresse des 19-Jährigen, der Mittwochfrüh festgenommen worden war, wurden Anleitungen zum Bombenbauen und zwölfprozentiges Wasserstoffperoxid (H2O2) - ein ätzendes Bleichmittel - gefunden.
Aus H2O2 lässt sich in Verbindung mit anderen Chemikalien wie Aceton und Säure der hochexplosive Flüssigsprengstoff TATP herstellen. Laut Haijawi-Pirchner war der 19-Jährige bereits im Besitz von "funktionsfähigem TATP". Die Chemikalien könnte der 19-Jährige an seinem früheren Arbeitsplatz gestohlen haben - er war bei eine Chemiekonzern beschäftigt.
Sichergestellt wurden auch Zündmittel, Zündkabel und Zündvorrichtungen, Messer, Macheten und 21.000 Euro Falschgeld.
Bei der Hausdurchsuchung sei auch ein einsatzfähiges Blaulicht mit Folgetoneinrichtung, wie es die Polizei verwendet, gefunden worden. "Die Verdächtigen wollten offenbar unter Verwendung des Blaulichts zum Tatort gelangen oder sich damit eine Fluchtmöglichkeit offen lassen", sagte Haijawi-Pirchner.
Keine Flüchtigen
Neben dem 19-jährigen Hauptverdächtigen und dem 17-jährigen Mittäter wurde - wie am Donnerstag bekannt wurde - auch ein 15-Jähriger festgenommen und befragt. Der Jugendliche "mit türkischem Hintergrund" soll zumindest von den Terrorplänen gewusst haben. Inwieweit er in diese mit möglichen Beitragshandlungen eingebunden war, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Der DSN-Direktor ging davon aus, dass die Ermittlungen zu weiteren Mitwissern oder -beteiligten führen könnten.
"Derzeit suchen wir keine weitere flüchtige Person", wurde bei der Pressekonferenz betont. Weiterhin gilt hierzulande Terror-Warnstufe 4. Es gebe keine Hinweise, dass in anderen Bundesländern oder weitere Konzerte wie Coldplay oder das Frequency-Festival in St. Pölten einer expliziten Gefahr unterliegen. Die Sicherheitsvorkehrungen seien in den vergangenen Wochen entsprechend erhöht worden, Spezialkräfte würden eingesetzt, sagte Ruf.
19-Jähriger sagte Ex-Kollegen, er habe "Großes" vor
Wie der 15-Jährige zu den Ermittlern sagte, hatte sich der 19-Jährige "stark verändert". Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit berichtete über die sozialen Hintergründe: So habe der 19-Jährige am 25. Juli seinen Job gekündigt und dabei geäußert, er habe "Großes" vor. "Seither richtete er seinen Fokus auf Vorbereitungen zu einem Terroranschlag", sagte Ruf. Sein Erscheinungsbild habe der 19-Jährige sehr auffällig verändert - an die Vorgaben des IS angepasst.
Auch bei dem 17-jährigen Mittäter sei kürzlich eine "klare soziale Veränderung eingetreten". Der in Wien lebende Jugendliche habe kürzlich mit seiner Freundin Schluss gemacht.
Man sei anfangs von einem Einzeltäter ausgegangen, sagte der Leiter der DSN. Im Umfeld des 19-Jährigen habe man aber zwei Personen (15 und 17 Jahre alt) identifiziert, "die uns bereits bekannt waren".
Das umfangreiche Material auf den sichergestellten Handys, Datenträgern und Computern werde noch ausgewertet. Dies werde aber noch mehrere Tage, vielleicht sogar Wochen dauern, sagte der DSN-Direktor.
Die Chronologie am Tag der Festnahme:
- In Ternitz (Niederösterreich), 75 Kilometer südlich von Wien, kam es Mittwochfrüh zu einem Großeinsatz der Polizei. Hintergrund war die Festnahme eines 19-jährigen Terrorverdächtigen.
- In Wien wurde am Mittwochnachmittag ein weiterer Verdächtiger festgenommen, es handelt sich um einen 17-Jährigen.
- Am frühen Abend wurde bekannt, dass die jungen Männer im Zusammenhang mit einem möglicherweise geplanten Anschlag auf die drei Taylor-Swift-Konzerte im Ernst-Happel-Stadion stehen. Um 21.45 Uhr teilte der Veranstalter die Konzertabsage via Instagram mit.
- Die beiden Festgenommenen sind in Österreich geboren, die Eltern des 19-Jährigen haben Wurzeln in Nordmazedonien, die Mutter des 17-Jährigen ist Österreicherin.
- Bei der Hausdurchsuchung im Haus des Hauptverdächtigen (19) in Ternitz wurden neben mehreren chemischen Substanzen auch technische Vorrichtungen sichergestellt. Er soll erst kürzlich einen Treueschwur auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) abgelegt haben.
Maßnahme "in Koordination mit Management der Künstlerin" getroffen
Die Absage der Wien-Konzertreihe von US-Superstar Taylor Swift ist für Musikwirtschaftsforscher Peter Tschmuck "der größte anzunehmende Unfall", die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen für Österreich und Wien werden sich jedoch in Grenzen halten. Eine Stornowelle in den Wiener Hotels blieb vorerst aus. Veranstalter Ewald Tatar, Chef von Barracuda Music, betonte, dass die Entscheidung zur Absage richtig gewesen sei. Die Maßnahme wurde "in Koordination mit dem Management der Künstlerin" getroffen.
Einen "Super-GAU" stellt die Absage freilich für alle Taylor-Swift-Fans dar, die am Tag nach der Absage zum Teil nach wie vor unter Schock standen, sich aber gegenseitig trösteten, auch mit gemeinsamen Gesangseinlagen in der Wiener Innenstadt. Immerhin werden ihnen die Ticketkosten zurückerstattet. Der Veranstalter hat angekündigt, dass die Rückvergütung innerhalb der nächsten zehn Tage automatisch erfolgen soll. Auf anderen Kosten, etwa für die Anreise oder das Hotel vor Ort, dürften die sogenannten Swifties aber sitzen bleiben.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zeigte Verständnis für die Enttäuschung der vielen Fans: "Als Stadt Wien bedauern wir diese außergewöhnlichen Umstände zutiefst." Die Sicherheit aller habe "oberste Priorität".
Von der Regierung zu wenig eingebunden fühlt sich die Opposition. Auch werde die Öffentlichkeit im Unklaren gelassen, lautete die Kritik. Die SPÖ verlangte aus diesem Grund die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates, die FPÖ zudem die sofortige Einberufung des Ständigen Unterausschusses des Ausschusses für innere Angelegenheiten. Die NEOS forderten indes eine Lagebesprechung im Kanzleramt mit allen Parlamentsparteien. Die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates wurde jedenfalls von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) begrüßt, der dazu aufrief, "Wahlkampftaktik hintanzustellen".
Dieser Artikel wurde zuletzt am 8.8.2024 um 16.16 Uhr aktualisiert.