Salvadorianischer Ex- Präsident Cristiani wegen Mordes angeklagt
SAN SALVADOR. In El Salvador ist der frühere Präsident Alfredo Cristiani (1989-94) wegen seiner mutmaßlichen Verwicklung in die Ermordung von sechs Jesuiten und zweier Frauen im Jahr 1989 angeklagt worden.
Laut der Staatsanwaltschaft wird Cristiani vorgeworfen, die Morde während des Bürgerkriegs angeordnet oder gebilligt zu haben, wie der Nachrichtendienst UCA News laut Kathpress am Samstag (Ortszeit berichtete.
Ein Richter in San Salvador erließ am 18. November eine Entscheidung, die den ehemaligen Präsidenten, einen ehemaligen Kongressabgeordneten und neun weitere Personen anweist, sich wegen ihrer Rolle als Drahtzieher des Mordangriffs vor Gericht zu verantworten. Cristiani wurde 2022 wegen Mordes, Verschwörung und Terrorismus angeklagt. Sein Aufenthaltsort ist laut Medienberichten weiterhin unbekannt.
Die Ermittlungen gegen Cristiani sind Teil eines neuen Anlaufs zur juristischen Aufarbeitung des Falls, der Jahrzehnte lang von Straffreiheit geprägt war. Erst 2016 hatte der Oberste Gerichtshof El Salvadors ein Amnestiegesetz aufgehoben, das die Täter bis dahin geschützt hatte.
Forderung nach Gerechtigkeit
Menschenrechtsorganisationen und die Jesuitenorden weltweit fordern seit Jahren Gerechtigkeit für die Opfer und eine umfassende Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen während des Bürgerkriegs (1980-92), in dem über 75.000 Menschen ums Leben kamen.
Cristiani, der von 1989 bis 1994 Präsident war, weist die Vorwürfe zurück. Er erklärte, er habe keine Kenntnis von der Mordplanung gehabt und betonte, die Anklage sei politisch motiviert.
Er soll nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft an einem Treffen teilgenommen haben, bei dem die Militäroperation koordiniert und angeordnet worden sein soll. Den Beschuldigten werden Mord, terroristische Handlungen, Verschwörung zur Begehung terroristischer Handlungen, Verfahrensbetrug und Vertuschung vorgeworfen.
Blutiger 16. November 1989
Die Ermordung am 16. November 1989 auf dem Gelände der Universidad Centroamericana Jose Simeon Canas (UCA) hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. Damals stürmte eine Todesschwadron der salvadorianischen Streitkräfte im Morgengrauen das Gelände der Universität, die unter der Trägerschaft des Jesuitenordens steht.
Die Soldaten holten fünf spanische und einen einheimischen Jesuiten aus ihren Betten, schleiften sie nach draußen und erschossen sie dort kaltblütig auf einem Rasenstück. Auch die Haushälterin und deren 15-jährige Tochter wurden getötet, um keine Zeugen zurückzulassen.
Die Geistlichen hatten die Menschenrechtsverletzungen des Militärregimes kritisiert und waren so ins Fadenkreuz der Junta gerückt. Unter den Ermordeten befand sich auch ihr Wortführer, der Universitätsrektor, Pater Ignacio Ellacuria, der Jahre zuvor wie ein weiterer der ermordeten Jesuiten in Innsbruck studiert und seine Priesterweihe in Tirol empfangen hatte.
Bis heute keine vollständige Aufklärung
Der Fall der Jesuitenmorde gilt als ein Meilenstein in der internationalen Strafverfolgung von Kriegsverbrechen und steht für den Kampf gegen die jahrzehntelange Straffreiheit in El Salvador.
Der Fall ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Oberst Inocente Orlando Montano - zum Zeitpunkt des Massakers stellvertretender Minister für öffentliche Sicherheit in El Salvador - sitzt derzeit eine 133-jährige Haftstrafe für den Mord an fünf der sechs spanischen Jesuiten in Spanien ab. Er nahm laut Medienberichten an dem Prozessbeginn per Videoschaltung aus dem Konsulat in Madrid teil.
Einen ersten Prozess gab es bereits 1991. Damals wurden allerdings nur acht Offiziere niederen Ranges angeklagt, während die politischen und geistigen Urheber der Tat bisher keine juristische Verfolgung zu befürchten hatten. Zudem wurden einige Tatverdächtige freigelassen und später - von der Regierung Cristiani - begnadigt.