Ein EU-Gipfel fast nur mit Gewinnern
EU-Staatenlenker schaffen Weihnachtsfrieden im Atomstreit und besiegeln grünen Deal.
Keine Rede mehr davon, wie sehr man das Ausscheiden Großbritanniens bedauere. Gratulationen an Wahlsieger Boris Johnson. Die Aufforderung an das britische Parlament, jetzt so schnell wie möglich den Brexit-Deal zu ratifizieren – Charles Michel und Ursula von der Leyen, das neue Duo aus Ratspräsident und Kommissionschefin, haken das Thema Brexit am Tag nach der britischen Parlamentswahl kühl ab.
Die Briten treten laut Plan per 31. Jänner aus der Union aus. "Eine ausgezeichnete Beziehung zwischen guten Nachbarn" beginnt, so von der Leyen. Wie diese aussehen wird, verhandelt in bewährter Form ab Februar Michel Barnier, der schon den Brexit-Vertrag unter Dach und Fach gebracht hatte.
Das war’s. Die verbleibenden 27 EU-Länder kümmern sich wieder um die Fortentwicklung ihrer Union. Und sind auf dem EU-Gipfel um Friede, Freude, Freundschaft bemüht. Das gelingt gut.
Vor allem die Kommissionspräsidentin dürfte erleichtert sein. Sie hatte viel gewagt mit ihrem "Green Deal", der nichts weniger fordert als den Komplettumbau der europäischen Wirtschaft in rund 50 Einzelschritten: Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent sein. Und genau auf dieses Ziel haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs in ihrer Gipfel-Schlusserklärung festgelegt. Wie übrigens bereits 2015 beim Klimavertrag in Paris.
Polen will mehr Zeit
Alle? Nein. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki will mehr Zeit – und bekommt sie auch, vorerst bis Juni 2020. Dann will die EU erneut auf das Thema zurückkommen. Hintergrund: Polens Energie kommt zu fast 80 Prozent aus der Kohle. Das Land will und braucht finanzielle Umstiegshilfen. Die wird es mittels eines neuen Übergangsmechanismus auch geben. Darin sind 100 Milliarden Euro für jene Regionen vorgesehen, die aus der Förderung und Verbrennung von Kohle aussteigen müssen, damit das Klimaziel erreicht wird. Polen wird wohl um ein möglichst großes Stück von diesem Kuchen pokern und – das ist Kalkül der anderen EU-Staaten – das 2050er-Klimaziel dann auch annehmen.
Tschechien und Ungarn, die ebenfalls als Bremser aufgetreten waren, sind nach stundenlangen Verhandlungen eingeschwenkt. Andrej Babis, der Regierungschef in Warschau, hat sich für sein Ja zum grünen Deal ein Wort in der Schlusserklärung des Gipfels ausbedungen: "Atomkraft". Diese wird nun erstmals explizit mit dem Hinweis genannt, dass sie "einige Mitgliedsstaaten als Teil ihres Energiemixes nutzen". Babis wollte eigentlich eine Anerkennung von Nuklearstrom als "klimaneutral und sauber" erreichen, womit er sich mit Österreichs Kanzlerin Brigitte Bierlein angelegt hatte.
Letztlich ist Babis gescheitert, feiert aber trotzdem einen "riesigen Erfolg". Der ist bestenfalls symbolisch. Bereits bisher war festgeschrieben, dass jedes Land autonom über seinen Energiemix bestimmt, was die Atomkraft ohnedies miteinschließt.
Streit ums Geld steht bevor
Förderzusagen sind mit der nun expliziten Nennung der Atomenergie nicht verbunden. Dagegen hätten sich Österreich und Luxemburg auch mit allen Mitteln gewehrt. Nun können auch Bierlein und ihr Kollege Xavier Bettel ohne Gesichtsverlust nach Hause fahren. Und noch jemand geht gelassen in die Ferien: die deutsche Kanzlerin Angela Merkel: "Ich bin unter den gegebenen Umständen recht zufrieden. Denn wenn wir mal ein Jahr zurückdenken, da war von Klimaneutralität 2050 noch gar nicht die Rede."
Der Weihnachtsfriede unter den Staatenlenkern ist auch deshalb gesichert, weil der Streit ums Geld erst bevorsteht. Diesmal glichen die Verhandlungen um den nächsten Finanzrahmen von 2021 bis 2027 noch einem Abtasten. Die Vorstellungen liegen weit auseinander. Es geht darum, wer wie viel zum Haushalt von deutlich mehr als einer Billion Euro beisteuert. Österreichs Position: nicht mehr als bisher, also ein Prozent der Gesamtwirtschaftsleistung.
Das heikle Thema geht ins nächste Jahr. Nach den Finnen sind ab 1. Jänner die Kroaten an der Reihe der Ratspräsidentschaft. Vorsorglich erhielt Regierungschef Andrej Plenkovic von der finnischen Amtskollegin einen "Anti-Stress-Schneeball", verbunden mit den Wünschen für viel Glück. Beides kann er brauchen. Im Mai steht in Zagreb der Westbalkan-Gipfel auf dem Programm. Da wird die Frage wieder virulent, ob die EU, wie versprochen, Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien aufnimmt.
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Des is ein schiacha Hund.Die greift den noch an.brrrrrrrrrrrrrr
mir gefällt „fast“ sind damit die Superreichen gemeint ?😉
Die EU geht in mutigen Herzens und Schrittes der Zukunft entgegen.
Wer mitmachen will, kann mitmachen. GB will nicht mitmachen, auch gut.
Mit Erstaunen lese ich, dass sich unserer Bundeskanzlerin, frisch vom Frisör und Visagistin, zu Wort meldete und sich gar mit Polens PM "anlegte!" Ja, wie das denn, schmetterte sie wie weiland Maggie Thatcher ihre Handtasche auf den Tisch "No money for atomic energy!!!" und rief zur Präsidentin "No more money from Austria to fill the financial GB gap, sorry Ursula!"???
Ja sowas, da rissen alle Gipfelmenschen die Augen, Ohren und Mäuler auf. Hoffentlich wird der junge Mann aus Wien umgänglicher sein wie diese "new iron lady!" raunten sich die Gipfelherren beim Abgang zu.
Eine schöne Überschrift:
"Ein EU-Gipfel fast nur mit Gewinnern"
und einen ganz großen Verlierer: Das Volk.
"Eine ausgezeichnete Beziehung zwischen guten Nachbarn" beginnt, so von der Leyen.
Friede, Freude, Honiglebkuchen!
Pseudoeliten haben noch nie draufgezahlt.
"Die verbleibenden 27 EU-Länder kümmern sich wieder um die Fortentwicklung"......
Also Erweiterung um jeden Preis bis das Boot untergeht