Großprozess um Wirecard findet in früherem Flughafen-Terminal statt
MÜNCHEN. Das Gerichtsverfahren um Schadenersatzforderungen von mehr als 27.000 Anlegern des früheren Dax-Konzerns Wirecard beginnt im November in einer früheren Flughafen-Empfangshalle auf dem Münchner Messegelände.
In einem der bisher größten Prozesse in Deutschland tagt das Bayerische Oberste Landesgericht zum Auftakt am 22. November in der 700 Quadratmeter großen sogenannten Wappenhalle aus den 1930er-Jahren, wie das Gericht am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters bestätigte.Wien. Man erwarte zwar, dass bei weitem nicht alle Beteiligten kommen, sei damit aber auf bis zu 500 Anwesende vorbereitet, sagte ein Gerichtssprecher. Das Münchner Messegelände wurde in den 1990er-Jahren auf dem Areal des ehemaligen Flughafens im Stadtteil Riem errichtet.
Der einst als erfolgreiches Start-up gefeierte Zahlungsdienstleister Wirecard war 2020 zusammengebrochen. Damals war aufgeflogen, dass dem Münchner Konzern auf Treuhandkonten in Asien vermutete 1,9 Milliarden Euro fehlten. Um die strafrechtliche Verantwortung und die Milliardenschäden ist eine ganze Reihe von Prozessen entbrannt. In einem Strafprozess vor dem Landgericht München muss sich der frühere österreichische Wirecard-Chef Markus Braun wegen der Vorwürfe der Bilanzfälschung, des Betrugs und der Marktmanipulation verantworten. Er betrachtet sich allerdings selbst als Betrogenen. Brauns Ex-Vorstandskollege Jan Marsalek, ebenfalls Österreicher, gilt als Schlüsselfigur der Affäre, ist untergetaucht.
8000 Einzelprozesse gegen Wirecard, Manager und EY
Großinvestoren, kreditgebende Banken und zahlreiche Kleinaktionäre verloren Milliarden. In weiteren 8.000 Einzelprozessen verklagen Anleger vor dem Landgericht München Wirecard, frühere Manager, das Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY und andere Beteiligte auf Schadenersatz. Gemeinsame Kernfragen dieser Verfahren sollen in dem nun anberaumten Prozess vor dem Obersten Landesgericht gebündelt werden. So sieht es das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) vor. Weitere 19.000 Personen haben Schadenersatzansprüche direkt beim Obersten Landesgericht angemeldet. Auf dieser Basis sollen dann später individuelle Urteile in Einzelprozessen fallen. Beobachtern zufolge dürfte sich das noch über Jahre hinziehen.