Meike Winnemuth: „Einmal um die ganze Welt...“
Meike Winnemuth gewann bei Günther Jauch 500.000 Euro und machte eine Weltreise
Diesem Buch wird alles Mögliche nachgeschmissen werden: Sinnsucherlektüre, Frauenbuch, Ratgeber für eh alles, „Ich bin auf etwas draufgekommen“-Text, Spaßbändchen. All das ist Meike Winnemuths Buch „Das große Los“ auch tatsächlich – und es ist fantastisch darin.
Möglicherweise erinnern Sie sich an diese Journalistin, die im Oktober 2010 bei Günther Jauchs Fernsehquiz „Wer wird Millionär“ 500.000 Euro gewann: eine große blonde Frau, gescheit wie ein Lexikon und mit norddeutschem Witz veredelt. Das war Meike Winnemuth, der sie in gegenwärtig schwierigen Zeiten für Print-Magazine den dritten Arbeitgeber hintereinander „unter dem Hintern weggeschossen“ hatten. Am Ende wollte Jauch wissen, was sie mit dem Geld anstellen werde. „Eine einjährige Weltreise!“
Wenn Journalisten im Fernsehen etwas versprechen, dann halten sie es auch. Also flog Winnemuth los, immer am Ersten jeden Monats von einer Stadt zur nächsten, ein Jahr lang. Es entstand dabei eine Sammlung getexteter Postkarten mit emotionalen und physischen Wahrnehmungen, mit berauschenden Erlebnissen und unerfüllten Hoffnungen.
Das Buch besteht aus zwölf Briefen, die der Alleinreisenden jeweils ein Gegenüber ermöglichen. Es sind innere Monologe mit Adressaten. Winnemuth schreibt an beste Freundinnen, an ihren Ex, an diesen Jonas, der ihr Publikumsjoker bei der letzten Quizfrage war, und an Carl Djerassi, den Entwickler der Antibabypille, in dessen Wohnung sie wegen eines Internet-Zufalls in London wohnte.
Sie reiste in Städte, in die es die 51-Jährige nie geschafft hatte, „obwohl sonst schon jeder da war“, wie Barcelona oder San Francisco. Sie ließ sich an Orten nieder, die sie besucht hatte, aber besser kennenlernen wollte, wie Sydney und Kopenhagen – außerdem in Metropolen, die in Liedern von Hans Albers vorkommen und deshalb zum Pflichtprogramm einer Hamburgerin gehören: „Einmal noch nach Bombay, einmal nach Shanghai...“
Winnemuth wollte raus aus dem Staat Kakanien, der in Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ beschrieben wird, wo sich alle – inklusive Staat – nur mehr selbst mitmachen, ohne Ahnung, wie es anders ginge.
In Buenos Aires erfuhr sie, dass Tango nicht ihr Tanz ist. In Mumbai mochte sie die Person nicht, die diese Stadt aus ihr machte. In Honolulu kultivierte sie den Müßiggang, und warum Äthiopien bloß mit verhungerten Kindern bebildert wird, fragte sie sich, als sie das wunderschöne Umland von Addis Abeba für sich eroberte.
„Das große Los“ entfacht sprachsensibel und klug die Sehnsucht, es der Autorin gleichzutun, trotz kleiner Wiederholungen gegen Ende. Es ist die humorvollste Reiseanleitung seit „Die Letzten ihrer Art“ von Douglas Adams – mit der Erkenntnis, dass man Jauchs Geld gar nicht braucht.
Meike Winnemuth: „Das große Los“, Knaus Verlag, 336 Seiten, 20,60 Euro, auch als Hörbuch.
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