40 Jahre Superfeucht: „Wir verbiegen uns nicht“
Mit ihrem neuem Album „Herzmaschine“ im Gepäck und musikalischen Freunden eröffnet die Linzer Kultband Superfeucht am 28. August die neue Linzer Eisenbahnbrücke. Ein Interview mit Martin Seimen und Ewald Tröbinger über Einst und Jetzt.
OÖN: Wie habt Ihr es geschafft, ein Open Air-Konzert auf der neuen Linzer Eisenbahnbrücke spielen zu dürfen?
Martin Seimen: Wir haben um die Chance, auf der Brücke auftreten zu können, hart gekämpft. Zuerst hat es geheißen, wir sollen unter der Brücke auftreten. Das haben wir dann aber abgelehnt, denn die Chance, öffentlichkeitswirksam auf einer Brücke zu spielen, ist ja nur gegeben, wenn sie eröffnet oder abgerissen wird und dazwischen können mehrere 100 Jahre liegen. Wir haben uns also für das Eröffnungsfest und nicht für das Abrissfest entschieden.
Ewald Tröbinger: Für mich ist es eine besondere Ehre, mit Superfeucht und anderen Bands auf der neuen Eisenbahnbrücke zu spielen. Mit dem Linz Marathon sind wir ja bereits auf der Autobahnbrücke unterwegs, nun schließt sich der Kreis.
OÖN: Seit 2017 findet am Linzer Pfarrplatz, wenn es nicht Pandemie-bedingt abgesagt werden muss, immer Ende August das AK Summerstage Open Air statt. Warum musste diese Veranstaltung dem Brücken Opener weichen?
Ewald Tröbinger: Von weichen kann keine Rede sein, wir haben die beiden Events zusammengelegt. Eigentlich wollten wir ja am 27. August unser AK Summerstage Open Air veranstalten. Die Stadt Linz und die Linz AG sind dann aber an uns herangetreten und haben angefragt, ob wir nicht Teil der Brückeneröffnung sein möchten. Wir haben dann ein Konzept präsentiert, das beide Events bestens vereint, damit überzeugt und die Großveranstaltung mehr oder weniger geerbt.
OÖN: Was das Live-Programm und die Musik-Acts angeht, bleibt Ihr bei Eurem Erfolgsrezept „80s forever“, oder?
Martin Seimen: Absolut, nachdem bei der AK Summer Stage am Linzer Pfarrplatz das Konzept „80er Jahre-Musik“ zu spielen gut aufgegangen ist, haben wir uns im Zuge des Live-Programms überlegt, auch Lieder von damals in unser Set aufzunehmen. Die Leute nehmen das sehr dankbar an. Schon 2017 war „Highdelbeeren“ von Wilfried dabei. Wilfried hat ja Superfeucht früher produziert. Somit zählen seine Lieder auch zu unserer Vergangenheit.
Ewald Tröbinger: Es werden ja auch unsere Freunde von Spliff, das ist die ehemalige Nina Hagen-Band, aus Berlin Headliner sein. Und da schauen wir natürlich, dass wir ein rauschendes Fest organisieren und rundherum alles stimmig ist. Das Rahmenprogramm beginnt ja schon um 10h und um 16h starten wir dann mit der Musik-Schiene.
OÖN: Apropos Spliff: Potsch Potschka, Gründer dieser legendären NDW-Band hat Euch bei der Produktion zum neuen Album „Herzmaschine“ musikalisch kräftig unter die Arme gegriffen. Auf einigen Nummern wie dem Spliff-Cover „Heut´ Nacht“ spielte er die Gitarre.
Ewald Tröbinger: „Heut´ Nacht“ wird auch die Single sein, die wir aus dem Album auskoppeln werden. Ein wunderbarer Song über ein Liebespaar aus der Feder von Manfred Praeker, der unglaublich gut auf unser Album „Herzmaschine“ passt. Martin hatte die Idee, Potsch Potschka, der ja im Original die Gitarre spielt, zu fragen, ob er sich nicht auch auf unserer Platte mit seinen Gitarren-Riffs die Ehre gibt.
OÖN: Für die neuen Superfeucht-Songs habt Ihr Euch originelle Titel ausgewählt. Was steckt zum Beispiel hinter „Kumda“?
Martin Seimen: Es geht um einen Typen, der sich wegen eines Hangovers verspätet. Ich bin dagesessen und dachte, „kumda oder kumda ned“. Nachdem sich das Wort „kumda“ ziemlich afrikanisch anhört, habe ich den Song gleich mit einem afrikanischen Chor gestartet und Potsch Potschka spielte dazu wieder ein mörderisch gutes Gitarrenriff ganz im Stil von „Deja Vu“.
OÖN: Insgesamt ist „Herzmaschine“ ein sehr persönliches Album geworden.
Ewald Tröbinger: Wir betrachten „Herzmaschine“ sogar als eine Art Lebenswerk. Es sind 14 Titel drauf, die uns sehr viel bedeuten: Coverversionen von einigen unserer Helden aus den 1980er Jahren wie Spliff, Udo Lindenberg oder auch Hansi Lang. Dazu kommen mit „Glas“ oder „Wer bist Du“ auch Titel aus der Superfeucht-Geschichte.
Martin Seimen: Alle Songs sind völlig neu arrangiert, denn wir wollten keine Rückschau halten, sondern einfach ein geiles Album machen. Den Titelsong „Herzmaschine“ hat Harry Zuschrader von Eela Craig komponiert. Harry ist ein sehr lieber Kollege, auf den ich in jungen Jahren aufgeschaut habe. Und der Text stammt von Fritz Weismann. Es ist ein rockiger Titel im Stile von Rammstein, auch sehr martialisch. Der Song kommt vom Herzen und ist für uns daher ein super Albumtitel.
OÖN: Insgesamt sind es 25 Musiker, die im Booklet des Albums angegeben sind. Die einzelnen Titel wurden also mit großem Aufwand produziert?
Ewald Tröbinger: Als wir vor 40 Jahren begonnen haben, hätten wir niemals gedacht, dass einmal Leute auf unserer Produktion spielen, die teilweise eine Weltkarriere hingelegt haben. Martin Seimen: Ja, Ewald Pfleger von Opus ist mittlerweile ein lieber Kollege, der auch im Video „Jerusalem“ mitgespielt hat, so wie Helmut Bibl von der Falco-Band und ganz viele mehr. Für unsere Version von „Montevideo“, einem Hansi Lang-80s Hit konnten wir sogar die Originalband von damals engagieren.
OÖN: Im Gründungsjahr von Superfeucht, also 1981, brodelte es gewaltig in der heimischen Musikszene. Falco brach mit „Ganz Wien“ zu seinem Höhenflug auf und in Linz war Willi Warma mit „Stahlstadtkinder“ in aller Munde. Welche Erinnerungen habt Ihr an diese Zeit?
Martin Seimen: Nicht zu vergessen: The Mollies. Willi Warma und The Mollies waren hervorragende Live-Bands, die das Cafe´ Landgraf in Linz zum Kochen gebracht haben. Wir waren mit Superfeucht damals später dran. Heute sind ja drei bis vier Jahre schon ein musikalischer Generationswechsel.
Ewald Tröbinger: Ich habe an den Erfolg von Superfeucht ohne Wenn und Aber geglaubt und den Entschluss gefasst, eine Schallplatte zu produzieren. Demoaufnahmen entstanden im Domino Studio in Braunau. Da waren auch schon „Erdbeeren“ und unser spätere Superfeucht-Hymne „Jetzt oder Nie“ drauf. Peter Leopold, ein Musikjournalist aus Wien, stellte dann den Kontakt zu Wilfried her, damals schon ein großer Star in Österreich, der Mitte der 1980er Jahre unser erster Produzent wurde. Dank Wilfried bekamen wir auch einen Plattenvertrag. und wurden im Radio gespielt. Wir waren fassungslos.
OÖN: Um kein One-Hit-Wonder zu bleiben, musste der eingeschlagene Weg konsequent weitergeführt werden, bis eines Tages Markus Spiegel, Falcos damaliger Manager bei Euch anklopfte...
Ewald Tröbinger: Vorher waren wir noch auf Bundesländer-Tour, um uns als Live-Act österreichweit zu etablieren. Nach Falcos Hit „Rock Me Amadeus“ bereitete Markus Spiegel die Europatournee „Amadeus“ vor. Er meinte, Superfeucht passe ideal als Support-Act zu Falco. Wir hatten damals schon einen guten Namen und wurden in Wien „die feuchten Buben“ genannt.
OÖN: Wie wichtig war diese Erfahrung?
Ewald Tröbinger: Für mich waren diese Auftritte bei der Falco-Tournee eine musikalische Meisterprüfung und eine Erfahrung, die mich später auch in anderen Belangen sehr geprägt und gestärkt hat. Wir haben jedes Konzert vor ausverkauftem Haus gespielt. Da ging es vor allem darum sich zu trauen, vor 15.000 Leuten aufzutreten. Als ich die Bühne betreten habe und der Schlagzeuger hat hinten eingezählt, hatte ich noch ein paar Sekunden um nachzudenken, ob ich jetzt der „Hosenscheißer“ sein will oder mutig an den Bühnenrand gehe, wo die Falco-Fans mit den Mozartperücken auf ihren Helden gewartet haben und mir den Stinkefinger entgegenhielten. Der Support-Act hat ja auch immer den Nachteil, nicht den besten Sound und das beste Licht zu bekommen und er hält auch den Beginn des Haupt-Acts auf, daher muss man doppelt liefern. Kurz danach habe ich gesundheitliche Probleme bekommen. Um wieder fit zu werden habe ich mich Schritt für Schritt der Marathon-Szene zugewendet.
OÖN: Martin, Du warst damals nicht mehr an Bord, warum hast Du Superfeucht frühzeitig verlassen?
Martin Seimen: Ich war von 1980 bis 2000 am Linzer Landestheater für Musicals zuständig, diese Arbeit hat mich teilweise so beansprucht, dass ich aussteigen musste. Aber ich habe dabei unglaublich wichtige Erfahrungen gesammelt. Hauptsächlich wie man eine Produktion auf die Bühne stellt, also von der Idee bis zum fertigen Produkt.
OÖN: Nach der Zeit mit Falco folgte noch der Hit „Der erste Schritt“, dann wurde es ruhig um Superfeucht, warum?
Ewald Tröbinger: Ende der 1980er Jahre wurde auf österreichische Musik in den Medien immer weniger Wert gelegt, also mussten wir Superfeucht auf Eis legen. Für mich ist diese Entwicklung bis heute völlig verwunderlich, denn es würde keinem Musikchef der BBC in Großbritannien einfallen, zum Beispiel Phil Collins nicht mehr zu spielen. Das ist aber bei uns passiert. Selbst Legenden wie Wolfgang Ambros werden ja kaum mehr gespielt. Aus dieser Zeit stammt auch ein interessanter Ausspruch von Sting. Seiner Meinung nach sei aktuelle Radiomusik mit einer Kaffeekapsel vergleichbar: Man trinkt schnell den Kaffee und wirft dann die Kapsel weg.
Martin Seimen: Zehn Jahre Bandgeschichte sind ohnehin eine lange Zeit. Es gibt sehr wenige Bands die länger bestehen beziehungsweise länger einen guten kreativen Output haben.
OÖN: Was hat Euch 2008 veranlasst, wieder gemeinsam auf die Bühne zu gehen?
Ewald Tröbinger: Nach dem Hype um Superfeucht wurde ich Eventmanager und habe den Linz Marathon aufgebaut. Martin habe ich in dieser Zeit kaum gesehen. Er hat namhafte österreichische Künstler produziert und ich bin in der Laufszene groß geworden. Im Brucknerhaus, Martin war bei einem Klangwolken-Projekt eingebunden, sind wir uns wieder über den Weg gelaufen und haben beschlossen, in weiterer Folge nahtlos dort wieder anzuknüpfen, wo wir aufgehört haben.
Martin Seimen: Unsere neuerliche Zusammenarbeit war eigentlich ein logischer Schritt ohne Sentimentalität. Wir haben einfach ganz normal wieder losgelegt und Gas gegeben.
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