Warum muss sich Kunst rechtfertigen?
Feierliche Übergabe der Bruckneruni-Rektorenkette an Martin Rummel.
Mit Aaron Coplands "Fanfare for the Common Man" – musiziert von Studierenden des Instituts für Blechblasinstrumente und Schlagwerk mit Leonhard Schmidinger (Solo-Paukist des Bruckner Orchesters) unter der Leitung von Josef Eidenberger – eröffnete am Donnerstagabend die festliche Inauguration des neuen Bruckneruni-Rektors Martin Rummel. Ritual dieser universitären Festlichkeit ist die Übergabe der Rektorenkette von Vorgänger an Nachfolger. Die Vorgängerin Ursula Brandstätter, die ihr Amt um ein Jahr früher als vertraglich vereinbart verlassen hatte, blieb dem Akt allerdings fern. Deshalb legte Landeshauptmann Thomas Stelzer dem seit 1. Oktober werkenden Martin Rummel die metallene Kette an. Trotz der Buchstäblichkeit dieser Zeremonie wird es unerlässlich sein, dieser im hundertprozentigen Eigentum des Landes stehenden Bildungs- und Forschungsinstitution uneingeschränkten Auslauf zu gestatten.
Es sei eine stürmische See, "von der wir alle gebeutelt werden", in der Rummel die Bruckneruni-Verantwortung übernehme, sagte Stelzer und meinte die galoppierenden Corona-Infektionszahlen damit. Es war nicht der Abend, um deren Ursachen zu erörtern, sondern es ging um Bekenntnisse zum Exzellenz-Anspruch der Bruckneruni. Stelzer legt Wert darauf, mit der Institution "international wahrgenommen und sichtbar zu werden". Spätestens 2024, wenn Anton Bruckners 200. Geburtstag gefeiert wird, soll Oberösterreich "weltweit auffallen", sagte Stelzer – obendrein habe im gleichen Jahr auch das Salzkammergut als Europas Kulturhauptstadt Bedarf an kreativem Input.
Die kulturelle, künstlerische Ausbildung leiste nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Zivilisation, vielmehr sei sie der offensichtlichste Ausdruck von Zivilisation, sagte Rummel. Darüber hinaus rief der Rektor die Erkenntnisse des deutschen Musikpädagogen Hans Günther Bastian in Erinnerung, wonach das Erlernen von Musikinstrumenten sämtliche kognitive Fähigkeiten verbessere.
Tatsächlich ist es bedauerlich, dass sich Kunst und Kultur in einer aufgeklärten Gesellschaft stets aufs Neue rechtfertigen müssen. Stattdessen sollte das Bekenntnis dazu außer Streit stehen. Dass Rummel diese Argumente anführt, ist ihm nicht vorzuwerfen. Sie stehen bloß als Beleg dafür, dass diese Selbstverständlichkeit längst nicht eingesickert ist.
Inwiefern die Bruckneruni die Grenzen des Landes längst überwunden hat, veranschaulichen unter anderem die jüngsten Erfolge der Studierenden des Instituts "Gesang und Musiktheater" (Kooperation mit dem Landestheater): Die Sopranistin Nicole Lubinger gewann beim Strecker-Cross-Over-Wettbewerb (Oper) in Baden den ersten Preis, Tina Jäger holte beim Internationalen Gesangswettbewerb in Köln genauso den zweiten Platz wie Johanna Falkinger beim Concours Corneille de Rouen. Und Julia Grüter landete beim ARD-Gesangswettbewerb auf Platz drei. Hedwig Ritter, Hanyi Jang, Svenja Kallweit, Lenka Jombikova (allesamt Sopran) und der Bariton Navid Taheri wurden von Theaterhäusern quasi wegengagiert. Es sind Künstlerinnen und Künstler, denen risikolos internationale Karrieren prophezeit werden können. Und in ihren Biografien steht unübersehbar "Bruckneruniversität".
Es hat schon seinen Grund, dass sich Kunst rechtfertigen muss.
Immerhin sind wir Publikum unmittelbar davon betroffen, und wir stützen Kunst mit Eintrittsgeldern und Käufen.
Da darf auch Qualität und ein Preis- Leistungsverhältnis erwartet werden und nicht Veräppelung durch abgehobene "Künstler" und Selbstdarsteller.
Diese haben wir in der Politik schon in Hülle und Fülle.
Es ist zu verstehen, dass der LH sich lieber auf diesem Event zeigt, als Entscheidungen gegen Corona zu treffen.