Wenn der Stöffö s'Kindl in d'Händ nimmt, wird's stad
Ischler Krippenspiel: Am 26. Dezember wird eine 365-jährige Tradition neu belebt.
Leise rieselt der Schnee, und langsam wachsen den Bad Ischlern die Vollbärte: untrügliche Zeichen dafür, dass in der Kaiserstadt wieder Zeit ist für das Laienspiel um die Geburt Christi. Alle vier Jahre finden sich 70 bis 80 Mitglieder der Bad Ischler Volksspielgruppe zusammen, um das "Ischler Krippenspiel" einzustudieren.
So wie es ihre Ahnen seit dem Jahr 1654 – als die "Theatralische Vorstellung der Geburt Jesu Christi" erstmals erwähnt wurde – getan haben. Heuer ist wieder Zeit für dieses älteste religiöse Volksspiel Österreichs. Seit einem Jahr laufen die Vorbereitungen für die vier Vorstellungen am 26. und 28. Dezember sowie 4. und 6. Jänner in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus. Die vielen Fäden laufen geschickt bei Martin Stögner, dem Leiter der Volksspielgruppe, zusammen.
Christi Geburt auf Ischlerisch
Zum dritten Mal steht Stögner, im Zivilberuf Bankangestellter, als Hirt "Stöffö" auf der Bühne dieser ganz auf Bad Ischls bäuerliche Welt abgestimmten Version der Geburt Christi. Die Hirten treten in Lederhosen auf, die Frauen im Dirndl, und gred’t wird selbstredend im Ischler Dialekt.
Auch Stögners Bart hat bereits stattliche Ausmaße angenommen. Das Krippenspiel hat ihn schon als Kind fasziniert: "Die Freude der Menschen damals über die Ankunft des Erlösers, das ist etwas, das mich schon immer sehr berührt hat." Der 56-Jährige hat beim Krippenspiel als Hirterbua angefangen, die Rollen werden "fast a bissl vererbt". Stögner hat seinen Stöffö von Franz Zopf buchstäblich geerbt. Der ehemalige Friedhofsverwalter Zopf hatte der "Ischler Hirtenoper" neue Impulse verliehen, ehe er am 13. November 2011, wenige Tage vor der Premiere, im 79. Lebensjahr gestorben war.
Der Altar weicht der Bühne
Stögner führt das Kulturerbe seither weiter. Die Bühne in der Stadtpfarrkirche, in der 500 Menschen Platz finden, hat in diesen Tagen ein anderes Gesicht. Selbst der Altar musste dem Bühnenbild weichen. Ein buntes Treiben herrschte bei der Generalprobe am 21. Dezember. Ein Lampö "mähte" sich durchs Volk, das einen Querschnitt der Ischler Bevölkerung darstellt. Vom Briefträger, ÖBBler, Verkäufer bis zum Krankenhauschef, Bankleiter und HAK-Lehrer: Alle spielen mit. Sogar zwei Pfarrer stehen auf der zweckentfremdeten Bühne: Christian Öhler und sein evangelischer Kollege Martin Sailer agieren zum Zeichen gelebter Ökumene als Propheten.
Eine neue Maria
Den Josef spielt wieder Florian Stögner, die Maria ist mit der 23-jährigen Theresa Schlögl neu besetzt. Warum? "Wir schauen schon, dass die Maria im richtigen Leben noch ledig ist oder noch keine Kinder hat", erklärt Stögner. An ihrer Seite ist mit Alexandra ein besonderer, weil beeinträchtigter Engel. Beim Ischler Krippenspiel ist für alle Platz. Auch im Handlungsstrang zeigen die Ischler Selbstvertrauen und Bodenständigkeit: "Bei uns geben Bauersleute Maria und Josef Herberg’. Wenn das Geschehen vor gut 2000 Jahren bei uns gewesen wäre, dann hätten wir sie schon untergebracht, auch wenn’s uns nicht gut gegangen wär’."
Regie führt Martin Neureiter, im Zivilberuf Malermeister in Bad Ischl. Es ist seine dritte Produktion. Mit seiner ersten Regiearbeit im Jahr 2010 hat er die in die Jahre gekommene Stückversion mutig und liebevoll entstaubt und lebendiger gemacht: "Es war eine große Verantwortung der historischen Substanz gegenüber und der Notwendigkeit, neues Feuer in den Stoff zu bringen." Heuer hat Neureiter bei der Herbergsuche auf die Version des Jahres 1860 zurückgegriffen. Damals hatte das Krippenspiel unter Pfarrer Ferdinand Auböck und dem Kaplan Anton Reidinger ("Es wird scho glei dumpa") eine Blütezeit erlebt. Mit dem Höhepunkt am 18. August 1870, als man Kaiser Franz Joseph zu dessen 40er eine hochsommerliche Aufführung im K&K Hoftheater schenkte.
Da muss auch der Stögner Martin schmunzeln. Noch größer ist die Vorfreude auf seinen großen Auftritt. Ganz stad wird es wieder sein, wenn der Stöffö das Kindl in d’Händ’ nimmt und behutsam an seine Kollegen weiterreicht. So stad, dass man eine Stecknadel in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus fallen hören könnt’.
Dann spürt sich alles so echt, so wahrhaftig an. Nur s’Kindl ist nicht echt, hat aber selbstredend auch einen Ischl-Bezug, verrät Martin Stögner: "Unser Butzi ist eine Übungspuppe aus dem Ischler Krankenhaus."
Termine: 26. und 28. Dezember 2019 sowie am 4. und 6. Jänner 2020 jeweils um 16.30 Uhr in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus Bad Ischl.
Karten: Tourismusverband Bad Ischl, Tel. 06132/27757-0, und Salzkammergut Touristik, Tel. 06132/24000-51, Kartenpreise 19 bzw. 16. Euro. Kinder haben freien Eintritt, www.krippenspiel.at.