Poetische Transparenz
In Kremstal schuf das Dornbirner Büro Berktold Weber Architekten ein ökologisch optimiertes Einfamilienhaus, das vielfältige Innen- und Außenraumbezüge gestaltet.
Offene Grundrisse und fließende Räume gehören seit rund 100 Jahren zum gestalterischen Repertoire der Architektur. Vorreiter wie Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969) propagierten die Idee, dass die Wohnbereiche und -funktionen in einem räumlichen Kontinuum miteinander verbunden werden sollten. Die starre Addition von Einzelräumen wurde ersetzt durch dynamische räumliche Bewegung und eine bis dahin unbekannte Transparenz.
Dies alles ist heute – auch im Wohnungs- und Hausbau – für uns nahezu selbstverständlich. Trotzdem zeigt ein Einfamilienhaus wie das 2019 vom Dornbirner Architekturbüro Berktold Weber in Kremstal fertiggestellte "Haus am Eulenwald" hinsichtlich Offenheit und Transparenz ungewöhnliche Qualitäten. Es schafft innerhalb einer zunächst einfach wirkenden Auslegung als Langhaus mit flachem Satteldach einen hohen Grad differenzierter räumlicher und atmosphärischer Wirkungen. Auf gestalterische Manieriertheit und räumliche "Pseudo"-Komplexität wird dabei verzichtet. Philipp Berktold und Helena Weber schaffen stattdessen großzügig wirkende Räume in einem normal großen Einfamilienhaus.
Haus im Haus
Die grundsätzliche Aufteilung des Gebäudes erscheint einfach und klar. Im teilweise in den Hang eingetieften Untergeschoß befindet sich ein flexibel nutzbarer Raum. Über eine in die Mitte des Hauses gesetzte Treppe gelangt man in das Obergeschoß, das dem Familienleben dient und die entsprechenden Funktionen aufnimmt. Alle Räume des Obergeschoßes sind auf einer Achse angeordnet. Diese Raumfolge wird von einer gangartigen Raumschicht umgeben, die die notwendigen Verbindungen ermöglicht. Sie dient allerdings nicht nur der Erschließung: Im Wohnzimmerbereich wird durch diese Anordnung der Raum großzügig aufgeweitet.
Zum auf der Südseite ebenerdig erreichbaren Garten wird dem Obergeschoß eine zweite Raumhülle vorgelagert, die eine Übergangszone zwischen Außen- und Innenraum schafft. Der so entstehende Außengang wird vom durchlaufenden Satteldach überdeckt. In der Kombination mit den raumhoch verglasten Wohnräumen entsteht eine reizvolle Haus-im-Haus-Situation.
Handwerkliche Sorgfalt
Trotz der scheinbar klaren Disposition handelt es sich um ein komplexes, im Wortsinn vielschichtiges Haus. Seine Komplexität erhält es durch den reflektierten Einsatz von Transparenz und Durchblicken. Sie werden einerseits innerhalb des klar umrissenen Gebäudevolumens geschaffen, andererseits ergeben sie sich durch die differenziert gestalteten Bezüge zum Außenraum, zur Umgebung und zur Landschaft. Der Bezug zum Außen spielt eine wesentliche Rolle für die Atmosphäre im Inneren. Die helle, zurückhaltende Materialität und Lichtfülle der Räume unterstreichen dies.
Von wenigen Elementen (z.B. dem großen, frei in den Wohnraum gestellten Speicherofen) abgesehen, wurde das gesamte Haus innen und außen aus hellem Holz errichtet. Dabei wurden die strukturierenden Potenziale des Materials durch Rhythmisierung, differenzierte Fugenabstände etc. reizvoll ausgespielt. Der Holzbau gestattet es, aus konstruktiv bedingten Strukturen ästhetisch wirksame Formen zu generieren. Im Falle des Eulenwaldhauses entstehen dabei im Zusammenspiel mit den geschlossenen, halbtransparenten und voll geöffneten Flächen lebendige, grafische, teilweise feinplastische Oberflächen und Schichten. Und etwas anderes wird bei diesem Haus exemplarisch deutlich: Eine sorgfältige – oft unterschätzte – Detaillierung und handwerklich perfekte Ausführung sind essenziell für die Gesamtwirkung.
Für Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) gehörte der Ausgleich zwischen architektonischer "Abstraction", der funktional bestimmten Dominanz der Konstruktion und dem "Poetischen" zu den Kernproblemen der Baukunst. Im "Haus am Eulenwald" ist vieles davon verwirklicht. Es bietet eine Wärme des Materials und der Oberflächen, die zusammen mit der Schlichtheit der Grundform, den konstruktiv-grafischen Linien und den vielfältigen Blick- und Raumbezügen innerhalb und außerhalb des Hauses eine feine, zurückhaltende Poesie entfalten.
Das Projekt
Planung: Berktold Weber Architekten, Dornbirn
Bauherr: privat
Wohnfläche: 138 m2
Fertigstellung: 2019
Bauweise: Weißtannenfassade naturbelassen; Holzelementbau mit
Zellulosedämmung; Böden Esche geölt
Energie/Heizen: Niedrigenergiehaus / Wärmeschutzverglasung / Luftwärmepumpe
Ofen: gemauerter
Speicherofen, kalkgespachtelt, mit integriertem Backofen
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Ja, ein schönes Haus.
Aber so nur in absoluter Alleinlage machbar!
Da dürfen nichtmal Förster oder Jäger vorbeikommen- denn auch die sehen alles!
Holz ist fein - ist auch Geschmacksache und so fein wird es nicht lange aussehen:
- entweder es ergraut, oder
- es muss da viel gestrichen werden.
Holz im inneren hingegen ist immer gut.
Am Bild mit dem Kamin: Mich würde der meines Erachtens zu lange Gang stören - da hätte eine Trennung in der Mitte reingehört.
Ach - und ja:
Viel Spaß beim Fensterputzen!
Ein ungewöhnliches Haus mit vielen Aus- und Einsichten.
So sicher nur in Einzellage machbar, um sich nicht in der Auslage zu fühlen.
Die Materialauswahl ist sehr nachhaltig getroffen worden und ästhetisch und stimmig zusammengefügt.
Stimmt.