Ode an den Dorfkick
Wer sich Gedanken darüber macht, was er für den Klimaschutz tun kann, landet immer wieder beim Thema "Nähe": beim Reisen, beim Essen, beim Nahversorger, bei den regionalen Wirtschaftskreisläufen. Aber auch abseits der Klimadebatte glaube ich, dass die Globalisierung bei Menschen eine Sehnsucht nach regionaler Authentizität ausgelöst hat. Zumindest bemerke ich das an mir. (Es könnte natürlich auch sein, dass ich nur langsam alt und biedermeierlich werde.)
Sogar im Fußball lernte ich die Nähe inzwischen lieben. Eigentlich wollte ich mir immer schon einmal ein Spiel der Premier League ansehen. Flüge nach London gibt es ja schon für rund 50 Euro. Aber warum fortfahren, wenn ich den besten Verein von der Welt vor der Haustür habe? Fußballkenner wissen natürlich, dass ich jetzt von der Union Gschwandt rede – derzeit auf Platz drei in der Landesliga West.
Es ist ja so: Fußball im Fernsehen zu sehen, ist wie ein Musikvideo auf TikTok: steril und auf Hochglanz poliert. Fußball auf dem Platz zu erleben, ist dagegen wie ein räudiges Live-Konzert. Da geht es um die Atmosphäre, um die Menschen und das Rundherum – insbesondere im Dorffußball. Man kennt einander, kann miteinander plaudern (muss aber nicht), und hin und wieder schmeißt einer eine Runde Bier. Die Spielerfrauen auf der Tribüne konzentrieren sich auf ihre Smartphones. Mütter von Spielern verlieren jede Contenance, wenn ihr Sohn angerempelt wird, und brüllen auf den Schiedsrichter ein. Du riechst den Rasen, hörst die Spieler keuchen, und nirgendwo schmeckt eine Leberkässemmel besser als in der frischen Luft am Spielfeldrand.
Ich kenne außerdem keinen Ort mit mehr Integrationskraft als den Fußballplatz. Gymnasiasten spielen hier mit Kindern von Migranten, Jonas-Noah aus der Montessorischule kickt mit Kevin, der vom ersten Audi träumt. Und Männer, die am Wirtshaustisch über Ausländer herziehen, applaudieren begeistert, wenn ein junger Bursche vom Balkan ein Tor für ihr Team erzielt. Fußball ist 90-minütiges Teambuilding – ganz ohne Sesselkreis.
Wenn wir ehrlich sind, geht es auf dem Platz natürlich um genau gar nichts. Aber alle in der Arena reden sich ein, es gehe um alles. (Beim Klimaschutz ist es genau umgekehrt.)
Am Dienstag trotzte uns der SC Schwanenstadt ein gerechtes 2:2-Unentschieden ab. Sonst wären wir jetzt Tabellenführer. Aber selbst wenn wir einmal absteigen sollten, werde ich immer am Spielfeldrand stehen.
An dieser Stelle schreiben abwechselnd Ulrike Rubasch und Edmund Brandner.