Linzerin mit seltener Erkrankung: "Ich bin meine eigene Ärztin"
Katharina Sigl (37) hat das Ehlers-Danlos-Syndrom.
Schon früh bemerkte Katharina Sigl, dass bei ihr etwas anders ist. Etwa, dass sie beim Sport trotz Training immer schwächer war als andere. Mit 18 Jahren brachte sie ihren Sohn zur Welt, eine Frühgeburt. "Es dauerte nur 40 Minuten, weil mein Bindegewebe so weich ist. Im Nachhinein waren das erste Anzeichen, aber da alles gut gegangen ist, hat keiner nachgeforscht", berichtet die Linzerin.
Mit der Zeit wurden ihre Kreislaufschwäche und die ständigen Schmerzen im Bauch schlimmer. "Langes Sitzen war mir zum Beispiel nicht möglich." Sie hatte viele Ohnmachtsanfälle, aber keiner wusste, warum. Damals lebte und arbeitete sie im Ausland.
"Man nahm mich nicht ernst, weil ich ein fröhlicher Mensch bin. Wer lacht, kann keine schwere Erkrankung haben, hieß es." Katharina Sigl war bei mehr als 80 Ärzten, aber niemand konnte ihr helfen. "Viele meinten auch, meine Schmerzen seien psychosomatisch. Aber ich wusste, dass mehr dahintersteckt."
Diagnose nach 20 Jahren
Nachdem sie wieder monatelang unter Bauchschmerzen gelitten hatte, kam sie zu Georg Spaun, Leiter des Endoskopie-Zentrums im Ordensklinikum Barmherzige Schwestern in Linz. Bei einer Endosonografie bemerkte er, wie weich Sigls Bindegewebe war – und erinnerte sich an eine sehr seltene Krankheit namens "Ehlers- Danlos-Syndrom" (EDS).
2015 wurde Katharina Sigl am Genetischen Institut der Med-Uni Wien untersucht. "Endlich hatte ich das Gefühl, da kennt sich jemand aus", berichtet die 37-Jährige. Auf die Diagnose musste sie weitere eineinhalb Jahre warten, aber dann stand fest: Ehlers-Danlos-Syndrom, hypermobiler Typ. Eine angeborene Erkrankung des Bindegewebes. "Dieser Typ ist der komplexeste, es gibt keine Therapie, Schmerzmittel wirken nicht", sagt Sigl, die in 20 Jahren viel Wissen angesammelt hat. "Ich bin jetzt meine eigene Ärztin."
Ihr Leben beschreibt Katharina Sigl, die in der Anästhesie-Ambulanz im Ordensklinikum arbeitet, als "haltlosen Balanceakt". 60 klinische Symptome wurden für das Ehlers-Danlos-Syndrom bisher erhoben, 46 davon treffen auf sie zu. Sie hat Schmerzen im Bauch, aber auch Muskel- und Gelenksschmerzen. In Schmerzgrafiken zeichnet sie ein, wie stark diese sind. "Wie geht es dir heute, fragt mein Lebensgefährte. Und ich sage drei – was gut ist – oder acht, was gar nicht gut ist", erzählt sie.
Verzweifelte Momente
In der Früh ist ihr oft schlecht, der Kreislauf ist schwach. "Zuletzt bin ich vor einem Jahr in Ohnmacht gefallen – ich habe das gut im Griff", sagt Sigl. Die Ernährung spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben. "Ich habe eine eigene Diät für mich zusammengestellt. Ich esse zum Beispiel gluten- und histaminfrei, kleine Portionen, nicht zu kalt oder zu heiß, nichts Blähendes."
Routine, Rituale und Disziplin sind wichtig in Sigls Leben. "Ich muss auf vieles verzichten und habe auch verzweifelte Momente, in denen ich weine und warte, bis der Schmerz wieder aufhört."
Um die Schmerzen auszuhalten, hat sie Techniken gelernt – "und ich vergesse schnell wieder, das ist das beste Mittel". Katharina Sigl hat sich einfach entschieden, das Beste aus ihrem Leben mit dieser Erkrankung zu machen, wie sie selbst sagt.
Um anderen mit ihrem Wissen und ihrer positiven Einstellung zu helfen, startet die Linzerin jetzt eine Selbsthilfegruppe, die erste in Oberösterreich. Auf ihrer Homepage www.daisy-day.com schreibt sie über ihre Erfahrungen und möchte ein großes Netzwerk für Betroffene und Angehörige gründen. "Beim Schreiben kann ich abschalten – und den Schmerz ausblenden", sagt sie. Und manchmal hilft es auch über schlaflose Nächte hinweg, wie sie in ihrem Blog beschreibt.
Ehlers-Danlos-Syndrom
Es gehört zur Gruppe der seltenen Erkrankungen, beim hypermobilen Typ (wie im Fall von Katharina Sigl) geht man von einer Häufigkeit von 1:10.000 aus.
Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ist eine angeborene Störung im Bindegewebe, gekennzeichnet durch 60 klinische Symptome wie überbewegliche Gelenke, extrem dehnbare Haut, Schmerzen. Das weiche Bindegewebe beeinflusst Gefäße, Muskeln, Bänder, Sehnen, innere Organe.
Bei jedem Betroffenen äußert sich die Krankheit anders. Es gibt keine Heilung. Patienten mit dem vaskulären Typ sind besonders gefährdet.