Gottfried von Einem zum 100. Geburtstag
Salzburger Festspiele: Die Kafka-Oper "Der Prozess" begeisterte auch konzertant.
Anlässlich des 100. Geburtstages von Gottfried von Einem setzten die Salzburger Festspiele die im August 1953 ebenda uraufgeführte Kafka-Oper "Der Prozess" auf das Programm und bereiteten einem weiteren Jubilar damit die größte Freude. Der Dirigent dieser fulminanten Aufführung war der Komponist und Einem-Schüler Heinz Karl (HK) Gruber, der heuer seinen 75. Geburtstag feierte und dem gerade diese Oper ein ungeheures Anliegen ist. Der damals erst 32-jährige Einem war nach dem sensationellen Erfolg von "Dantons Tod" ins Direktorium der Festspiele berufen worden und zählte zu den meistgespielten lebenden Opernkomponisten.
Das hängt mit seiner der Tradition stark verbundenen Tonsprache zusammen, die sich nicht scheut, Dur und Moll in höchst effektvoller Weise zu verwenden, und doch dazwischen neue Klänge einzufügen und mit den vielfältigen Stilen bis hin zum Jazz zu experimentieren. Dazu kommt eine von seinem Lehrer Boris Blacher, der auch für den "Prozess" das Libretto geschrieben hat, gelernte glückliche Hand für dramatische Stoffe und ein ebenso geschicktes Umgehen mit der menschlichen Stimme. So finden sich – nicht nur anlässlich des heurigen Jubiläumsjahres – immer wieder Produktionen seiner Opern, die ungebrochen gut beim Publikum ankommen. So auch am Dienstag in der Felsenreitschule. HK Gruber hat mit dem äußerst motivierten und intensiv musizierenden ORF-Radio-Symphonieorchester Wien die Partitur ungemein präzise erarbeitet, folgt dabei den oft sehr genauen Angaben Einems und positioniert die Musik des Orchesters als psychologisierende Kernschicht des ganzen Werks. In diesen symphonischen Klang werden die Sänger integriert, die sowohl simpel parlierend eingesetzt werden als auch ausladende Phrasen zugedacht bekommen. Großartig Michael Laurenz als ungemein stimmgewaltiger, textdeutlicher und die Musik ideal erfühlender Josef K., der der Partie alle feinen Nuancen abgewinnen kann.
Präsent: Matthäus Schmidlechner
Nicht minder herausragend: Jochen Schmeckenbecher, der in mehreren Rollen, speziell aber als Geistlicher höchst eindrücklich agierte. Lars Woldt begeisterte als Untersuchungsrichter und Prügler, Jörg Schneider als Titorelli, Ilse Eerens in mehreren Rollen und Anke Vondung als Frau Grubach. Überzeugend auch Johannes Kammler und Tilmann Rönnebeck, sowie Alexander Hüttner, Martin Kiener und Daniel Gutmann. Matthäus Schmidlechner machte als Student und Direktor-Stellvertreter eine gute Figur und war nach dem 1. Juden in "Salome" in seiner zweiten Festspielrolle höchst präsent.
Fazit: Eine rundum geglückte und vom Publikum heftig beklatschte Aufführung von Gottfried von Einem nicht ganz so häufig zu erlebender Oper "Der Prozess", die die Qualitäten dieses höchst spannenden Werks ideal zur Geltung brachte.