„Wir sind ganz normal – nur kleiner“
ENGELHARTSZELL. Maren Wimmer ist ein ganz normales Mädchen. Die 13-Jährige schwimmt, fährt Rad, trifft Freunde und verschickt SMS im Großpaket. Wie sie damit umgeht, dass sie nur 119 Zentimeter groß ist, erzählt die Kleinwüchsige mit ihren Eltern im OÖN-Interview.
OÖN: Maren, wie groß bist du?
Maren Wimmer: 119 Zentimeter.
OÖN: „Zwerg“ kannst du wahrscheinlich auch nicht mehr hören.
Maren Wimmer: Zwerg finde ich nicht so schlimm. Viel öfter kommt eigentlich Liliputaner. Das mag ich überhaupt nicht. Ich bin kein Liliputaner. Ich bin kleinwüchsig. Wir sind ganz normal – nur kleiner.
Thomas Wimmer: Aber wir haben das auch nicht gewusst, bis es uns betroffen hat. Das hatte man einfach immer so drinnen, das mit dem Liliputaner.
OÖN: Wann haben Sie erfahren, dass Ihre Tochter kleinwüchsig ist?
Edith Wimmer: Eine Woche vor der Geburt. Es war ein Schock. Zuerst haben sie die Glasknochenkrankheit vermutet, dann wurde die dicke Schädeldecke festgestellt. Die ist typisch für Kleinwuchs.
Thomas Wimmer: Aber eine endgültige Diagnose konnten sie nicht stellen. Erst nach der Geburt.
OÖN: Eine schwierige Situation...
Edith Wimmer: Es war niederschmetternd, wir waren völlig unvorbereitet. Ich hätte noch acht Tage gehabt bis zum Geburtstermin, aber wir sind dann ins Krankenhaus gefahren. Die waren sehr verständnisvoll. Ich wollte es einfach vorbei haben und wissen, was mit dem Kind ist.
OÖN: Hadern Sie mit dem Schicksal?
Edith Wimmer: Hadern ist der falsche Ausdruck. Natürlich ist man nicht immer gleich gut drauf. Wenn man dann selbst auf der Straße schief angeschaut wird oder die Kleine, dann tut es weh. Aber ich lebe damit. Und die Sorgen, die wir hatten – es hat sich alles ins Positive gewendet. Sie ist so eine Bereicherung für unsere Familie! Auch ihre große Schwester geht wunderbar damit um.
Thomas Wimmer: Man kann sagen: Mah, jetzt wird sie wieder angeschaut. Oder man sagt, sie ist etwas Besonderes.
OÖN: Maren, wie geht es dir dabei, wenn dich jemand anschaut?
Maren Wimmer: Das ist mir eigentlich wurscht. Aber wenn jemand über mich tuschelt, das mag ich überhaupt nicht.
OÖN: Ist es dir lieber, wenn die Leute dich direkt anreden?
Maren Wimmer: Genau. Die sollen es einfach direkt raussagen. Dann kann ich es ihnen erklären.
Edith Wimmer: Mir ist es auch lieber, wenn ich direkt angesprochen werde, was mit meinem Kind ist. Wie es eine andere Mutter gesagt hat: „Man wird schon ein bisserl zur Löwenmutter.“ Aber ich glaube, das ist normal.
OÖN: Sie sind zum ersten Mal zum Bundestreffen der Kleinwüchsigen gefahren.
Edith Wimmer: Genau. Es ist klasse. Es tut sehr gut, andere Betroffene zu treffen und zu sehen, dass die Kinder auch den Führerschein machen. Oder, welche Hilfsmittel es gibt.
Thomas Wimmer: Es ist ja alles nach Normen gebaut. Ist man zu groß oder zu klein, wird es schwierig.
OÖN: Wo wird es denn zum Beispiel schwierig?
Maren Wimmer: Wenn ich mir ein Spielzeug holen will zum Beispiel. Dann muss ich auf einen Sessel steigen.
Edith Wimmer: Öffentliche Toiletten sind auch ein Problem. Oder so etwas Einfaches wie Liftfahren –, weil sie nicht an die Knöpfe kommt.
OÖN: Sie machen aber den Eindruck, entspannt mit der Situation umzugehen.
Edith Wimmer: Ich weiß nicht, wie es anderen geht. Aber ich denke mir, wir haben den richtigen Weg gefunden.
Thomas Wimmer: Wir hatten aber sicher auch Glück mit dem Umfeld.
Edith Wimmer: Das Schöne war: Als sie auf der Welt war, ist mein Mann gekommen und hat gesagt: „Wirst sehen, das schaff’ ma schon.“
OÖN: Maren, wenn eine gute Fee kommen würde, und du könntest dir etwas wünschen – war wär’ das?
Maren Wimmer: Nicht, groß zu werden.
OÖN: Nein?
Maren Wimmer: Nein. Weil ich bin, wie ich bin. Ich wäre dann nicht mehr dieselbe. Ich bin klein, das ist so. Da würde ich mir eher wünschen, ich wäre reich.
Thomas Wimmer: (lacht) Das ist eine gute Idee!
Stichwort: Rund 10.000 Menschen in Österreich sind kleinwüchsig
Mehr als 100 verschiedene Formen von Kleinwuchs sind registriert. Nur ein geringer Teil, acht bis zehn Prozent, können mit Wachstumshormonen behandelt werden. Der Großteil der Betroffenen bleibt jedoch kleinwüchsig. In Österreich sind das rund 10.000 Menschen, die als Erwachsene unter 150 Zentimetern Körpergröße bleiben. Etwa 2500 von ihnen erreichen eine Größe von 70 bis 130 Zentimetern.
In St. Georgen im Attergau findet noch bis Sonntag das 15. Treffen des österreichischen „Bundesverbandes kleinwüchsige Menschen und ihre Familien“ (BKMF) mit Vorträgen statt.
Info: www.kleinwuchs.at