Der Rabbiner und der Imam: Eine Freundschaft, die Vorurteile abbauen soll
LINZ. Schlomo Hofmeister und Ramazan Demir besuchen Schulen, um mit Jugendlichen über Religion, Gemeinsamkeiten und Trennendes zu diskutieren.
Als ein Schüler den Rabbiner fragt, ob er Palästina als Staat anerkenne, geht ein Raunen durch den Saal. Die Brisanz der Frage ist allen bewusst. Schlomo Hofmeister hört sie nicht zum ersten Mal, die Antwort fällt diplomatisch aus: „Ich anerkenne das Recht, dass es einen Staat Palästina geben soll. Aber die Frage ist, innerhalb welcher Grenzen?“ Den Konflikt darüber sehe man derzeit ohnehin hautnah.
Ansonsten sind die Schülerinnen und Schüler der 6. Schulstufe der HAK Rudigierstraße in Linz zurückhaltend. Das sei nicht immer so, werden Hofmeister und Imam Ramazan Demir später über ihren ersten Schulbesuch in Oberösterreich sagen.
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Seit zehn Jahren sind die beiden gemeinsam unterwegs, um über Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Religionen zu sprechen. Die Kernbotschaft, die vermittelt werden soll, ist so einfach wie kontrovers zwischen einem Juden und einem Moslem: „Wir sind Freunde.“ Man wolle „zum Denken anregen“, zur Bereitschaft, andere Sichtweisen zu hören. Missionieren wolle man auf keinen Fall.
Die Aussage einer Schülerin, dass im Koran stünde, dass Palästina den Muslimen gehören werde, nimmt Imam Demir zum Anlass, seinem Ärger über das Halbwissen vieler Islamerklärer Luft zu machen. „Das wird zu vielen Themen behauptet. Fragt man nach, wo genau das im Koran steht, gibt es keine Antwort.“ Bei vielen Zitaten und Textpassagen sei zudem der Kontext wichtig: „Ansonsten kann man jeden Satz missverstehen.“
Ist Kritik an Israel antisemitisch?
Rabbiner Hofmeister ist bemüht, den Unterschied zwischen Israel und dem Judentum herauszuarbeiten: „Der Staat Israel hat für Juden eine politische und historische Bedeutung. Aber es ist ein säkulärer Staat, das Staatsoberhaupt spricht nicht für die Juden.“ Deshalb sei Kritik am Staat Israel auch nicht antisemitisch. Sehr wohl sei es aber antisemitisch, alle Juden in Sippenhaft zu nehmen und sie zu diffamieren.
Es geht bei diesem Schulbesuch aber auch darum, das Wissen über die unterschiedlichen Religionen zu vermitteln. Im Saal sind etwa gleich viele Christen wie Muslime. Dass ein Rabbiner nicht das Pendant zum Pfarrer ist, wird ebenso erklärt, wie die Rolle von Jesus in den unterschiedlichen Glaubensrichtungen und ob denn nun Honig koscher ist oder nicht. Eines sei aber in allen Religionen obersters Gebot, sagt Hofmeister: „Wir sollen gute Menschen sein.“ Imam Demir, der auch Erfahrung als Gefängnisseelsorger hat, nutzt die Gelegenheit, den jungen Menschen viele Botschaften mitzugeben. Die wohl wichtigste, egal ob es um Religion oder Kriminalität geht: „In den Sozialen Medien gibt es sehr viel Blödsinn. Geht vorsichtig damit um und schützt euch.“
"Die Jugendlichen im direkten Gespräch erreichen"
Seit dem 7. Oktober haben die Schulbesuche und gemeinsamen Vorträge an Brisanz gewonnen. Gerade Jugendliche seien interessiert, emotional involviert, aber würden oft „falsche Schlussfolgerungen“ ziehen. „Wir sind Europäer und als solche müssen wir unsere Maßstäbe anlegen und dürfen keine Konflikte importieren,“ sagt Hofmeister. Man dürfe nicht zulassen, dass sich das Klima vergiftet, ist auch Demir überzeugt: „Es gibt in unseren Communitys Antisemitismus und es gibt Rassismus. Da müssen wir Aufklärungsarbeit leisten.“ Die sozialen Medien würden dies nicht unbedingt einfacher machen. Das bestätigt auch Harjet Beluli, islamischer Religionslehrer an der HAK Rudigierstraße: „Wenn ein Thema auf TikTok trendet, weiß ich, dass wir das in der nächsten Unterrichtseinheit diskutieren.“
Umso wichtiger sei es, dem entgegenzutreten, sagt Demir: „Wir müssen die Jugendlichen im direkten Gespräch erreichen. Schon dass ein Rabbiner und ein Imam gemeinsam vor ihnen stehen, hat eine Wirkung."
Workshops an Oberösterreichs Schulen geplant
Der Schulbesuch von Imam Ramazan Demir und Rabbiner Schlomo Hofmeister wurde vom Integrationsressort des Landes Oberösterreich organisiert. Geht es nach dem zuständigen Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (VP) soll dies auf keinen Fall der einzige Besuch bleiben: „Wir wollen den Dialog stärken und aus diesen Schulbesuchen ein Modell für Oberösterreich machen.“
Das Ziel ist ein Workshop-Format, um möglichst viele junge Menschen zu erreichen. Dass die antisemitischen Vorfälle zuletzt ebenso gestiegen sind, wie jene gegen Muslime, sei Anlass zur Sorge: „Umso klarer müssen wir dagegen auftreten.“
Soll das eine Art Ethikunterricht sein oder doch nur niederschwellige Meinungsbildung?
eine sehr gute Sache ! Freunde trotz verschiedener Religionen - das wäre die Lösung für den Weltfrieden !
Gab es schon immer - siehe nur als Beispiel Spanien im Mittelalter, die Christen nicht zu vergessen!.
In Spanien aber nur bis zur sogenannten Reconquista im 12./13. Jahrhundert. Nachdem die Christen wieder die Herrschaft in Spanien übernommen hatten, war es nichts mehr mit der friedlichen Koexistenz der verschiedenen Religionen. Ab 1492 nach der Kapitulation von Emir Muhammad XII. und der Übergabe von Granada war dann endgültig Schluss mit Lustig.