"Es ist für mich nach wie vor unbegreiflich"
PERG. Gedrückte Stimmung, Trauer, Verständnislosigkeit: Auch fünf Tage nachdem in der kleinen Perger Ortschaft Mitterberg eine dreiköpfige Familie tot in ihrem Haus aufgefunden worden war, konnten die Nachbarn ihre Gedanken am Mittwochvormittag nur schwer in Worte fassen. Auch, weil die Tragödie nach wie vor noch so viele Fragen offenlässt und sich einige selbst vorwerfen, nicht früher wegen der durchgehend geschlossenen Rollläden am Haus sowie des übervollen Postkastens gehandelt zu haben. "Vielleicht hätten wir dann zumindest der Sylvana noch helfen können", fügte eine Nachbarin beim gestrigen Lokalaugenschein mit leiser Stimme an.
Rückblick: Es war am vergangenen Freitag, als eine Bekannte der Familie bei der Polizei Alarm schlug. Sie habe seit längerem nichts mehr von ihrer Freundin, der 75-jährigen Hausbewohnerin Brigitta H., gehört und mache sich daher große Sorgen.
Als die Beamten kurz darauf in dem gepflegten Einfamilienhaus Nachschau hielten, fanden sie sowohl das betagte Ehepaar als auch deren 57-jährige geistig stark beeinträchtige Tochter tot auf.
Wie die Obduktion ergab, dürfte der Ehemann, Johann H. (82), in dem im ersten Stock gelegenen Schlafzimmer seine Frau mit einem Kopfschuss getötet und sich danach selbst mit der illegalen Langwaffe gerichtet haben. Die Ermittler sprechen von Mord und Selbstmord. Passiert ist die Tat vermutlich bereits Ende August. Johann H. soll an einer unheilbaren Krankheit gelitten haben. Auch dessen Frau sei krank gewesen, sagte ein Nachbar (der wie alle Befragten namentlich nicht erwähnt werden möchte), weshalb sie im Sommer länger im Spital habe behandelt werden müssen. Es könnte daher sein, dass sich Johann H. mit dieser neuen Situation überfordert gefühlt habe, wird über ein mögliches Tatmotiv gerätselt.
"Ich mach mir Vorwürfe"
Sylvana E., die aus einer früheren Beziehung der Mutter entstammte und mit dieser und dem Stiefvater in dem Haus wohnte, fanden die Kriminalbeamten ebenfalls leblos in einem im Keller gelegenen Waschraum. Ihre Todesursache stehe aber nach wie vor nicht fest, sagte gestern der Sprecher der Staatsanwaltschaft Linz, Florian Roitner. Da der Leichnam keine äußeren tödlichen Verletzungen aufweise, sei davon auszugehen, "dass die 57-Jährige später als ihre Eltern gestorben ist", sagte er. Weitere Untersuchungen seien angeordnet, um den genauen Todeszeitpunkt eingrenzen zu können.
"Ich mach mir Vorwürfe, wenn ich doch früher einmal nach ihnen geschaut hätte", sagte eine Pensionistin, die in unmittelbarer Nachbarschaft der Familie wohnt. "Ich hab mir gedacht, dass sie, wie sonst so oft, ins Waldviertel gefahren sind." Sie war eine der wenigen, die mit der dreiköpfigen Familie näheren Kontakt hatten. Sehr zurückgezogen habe der ehemalige Elektriker mit seiner Gattin und der Tochter gelebt, sagte auch eine Frau, die eine Querstraße weiter wohnt. Brigitta H., die zuletzt "sehr ausgebrannt" gewirkt habe, sei oft mit ihrer Tochter in der Siedlung spazieren gegangen. "Doch zum Plaudern stehen geblieben ist sie da nie", erinnerte sich die Frau. Johann H. sei oftmals beim Garteln vor dem Haus gesehen worden, näheren Kontakt zu anderen Siedlungsbewohnern habe auch er nicht gesucht. Das Ehepaar habe sich aber gemeinsam und sehr aufopfernd um die geistig stark beeinträchtigte Tochter gekümmert, war von mehreren Seiten zu hören. Die gelernte Grafikerin sei im ungefähren Alter von "Anfang bzw. Mitte 20" unmittelbar vor einer Fernreise mit ihrem damaligen Ehemann derart stark erkrankt, sodass ihr nur geringe Überlebenschancen eingeräumt worden seien, sagte die Nachbarin. "Doch ihre Mutter hat sich damals aufopfernd um sie gekümmert, hat ihr wieder gehen und sprechen gelernt."
Doch dass sich in diesen vier Wänden – in der eigenen unmittelbaren Nachbarschaft – eine derartige Tragödie abgespielt hatte, konnte gestern noch niemand glauben. "Es ist so unwirklich und für mich nach wie vor unbegreiflich", sagte die Nachbarin von gegenüber. Sie habe "in der Früh immer gesehen, wie die Rollos aufgegangen sind. Auch jetzt ertappe ich mich dabei, dass ich hinüberschau und warte, dass sie aufgehen", sagte die Frau mit Tränen in den Augen. Völlig rätselhaft sei für sie der Hintergrund der Tat. Sie selbst sei überzeugt davon, dass Johann H. aus einer Art Kurzschlussreaktion gehandelt habe. Denn "die Gitti hätt’ sicher nichts ohne die Sylvana gemacht. Das wär’ unvorstellbar."
Keine Schüsse gehört
Auch ein anderer Nachbar zeigte sich fassungslos. "Ich hab keine Schüsse gehört. Es war aber im Haus auch immer alles zu." Er habe zwar bemerkt, "dass sich im Haus nichts rührt". Nachdem die Tochter allerdings nicht wie sonst hinter dem Fenster gestanden sei, habe er gedacht, die Familie sei verreist, meinte er kopfschüttelnd. "Es ist alles so tragisch."
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