Das Wasser ist weg, die Verzweiflung da
MAUERKIRCHEN. "Vor drei Jahren haben wir alles aufgebaut. Jetzt haben wir alles verloren", sagt Danijela Stanojevic. In zehn Minuten hat der Wasserschwall einen Teil ihres Lebenstraums einfach weggespült. Bis in die hintersten Schubladen der neuen Einbauküche strömte das Brunnbachwasser an diesem verheerenden Montagabend. Die Situation ist für viele Bewohner dieser Neubausiedlung existenzbedrohend, die Kredite für das Haus nach dieser kurzen Zeit alles andere als abbezahlt. Die Versicherung übernehme 15.000 Euro, der Schaden würde mindestens 50.000 Euro ausmachen. Die Fläche wurde 2017 als Bauland gewidmet und das wirft Fragen auf.
"Wir sind aufgeschmissen!"
Fast unverschämt strahlt die Sonne an diesem herrlichen Septembertag wenige Tage nach dem Hochwasser. Nachbarskinder düsen mit Rollern durch die Siedlung, auch die vier- und sechsjährigen Geschwister, die mit einer Scheibtruhe vor dem Hochwasser in Sicherheit gebracht worden waren. "Die beiden haben tief und fest geschlafen, als wir evakuiert wurden. Der Schock sitzt schon noch tief", erzählt die Mutter Fakta K. in Mitterbrunning, jener Ortschaft, in der in der Nacht auf Dienstag der Brunnbach über die Ufer getreten ist und 20 Häuser evakuiert werden mussten. Die junge Familie ist vor zwei Jahren in das moderne Haus mit Flachdach eingezogen. Jetzt erinnert das Innere wieder an einen Rohbau: Die aufgeweichten Parkettböden herausgerissen, ebenso alle Türen samt Rahmen. In die großen Bodenfließen wurden Löcher gebohrt, um die Trocknungsschläuche einzuführen, denn sogar der Estrich hat sich mit Wasser vollgesaugt. "Wie es jetzt weitergeht, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Wir sind aufgeschmissen, von den 15.000 Euro werden wir höchstens die Küche und die Trocknung zahlen können. Dann haben wir jetzt halt keine Möbel mehr, wir haben eh keine Wahl." Die Wäschespinne im Garten ist überladen, alles muss gewaschen und getrocknet werden, die Waschmaschine im Freien läuft auf Hochtouren. Hausrat stapelt sich in den Hauszufahrten, die freien Stellen werden gekärchert.
Siedlung sichern
Das Wenige, das übriggeblieben ist, hat Danijela Stanojevic in Kisten und Wäschekörbe gepackt. Sie wohnt mit ihrer Familie in einem Bungalow, ebenerdig blieb kein einziges Zimmer verschont, 40 Zentimeter hoch stand das Wasser in den Räumen. Die Versicherung hat auch ihr 15.000 Euro zugesichert, das wird nicht reichen. Die Einzelhandelskauffrau ist nicht auf der Suche nach Schuldigen, es sei eben eine Naturkatastrophe, die sich nicht wiederholen darf. Sie hofft, dass die Siedlung rasch entsprechend geschützt wird. Genau das hat sich die Gemeinde zur Aufgabe gemacht: "Wir sind alle tief betroffen, natürlich werden wir uns anschauen, wo wir etwas verbessern können, natürlich liegt uns viel dran, dass wir die Sicherheit der Siedlungsbewohner und für ganz Mauerkirchen gewährleisten können", sagt Sabine Breckner, die seit Sommer 2022 SP-Bürgermeisterin ist. 2017 wurde das private Grundstück zu Bauland. Für "eingesessene" Mauerkirchner unerklärbar, auf dieser Wiese sei "immer Wasser gestanden". "Wir haben uns vor dem Grundstückskauf extra informiert und gefragt, ob von dem Bach eh keine Gefahr ausgeht. Als uns dann erst die sechste Versicherung versichern wollte, wussten wir, dass etwas nicht stimmt. Nur stand da unser Haus schon," sagt Marina. Im Garten, zum Bach hin, hat die Familie kürzlich eine Mauer aufgezogen, um für den Fall der Fälle geschützt zu sein. Die Wassermassen gelangten über die Einfahrt ins Haus. Laut Auskunft der Gemeinde ist das Areal nicht als Hochwassergebiet eingestuft. "Jetzt einen Schuldigen zu suchen, wäre infam, hier sind viele widrige Umstände zusammengetroffen. Bei einer Umwidmung muss alles von allen Instanzen geprüft werden und letztendlich gibt das Land das Okay oder eben nicht. Und wenn es ein Okay gibt, dann darf bebaut werden", betont Breckner. Erst vor drei Wochen feierten die Neo-Mitterbrunninger ihr zweites Siedlungsfest. Der Zusammenhalt unter den Bewohnern ist spürbar, man hilft sich, wo man kann und ist dankbar für die Unterstützung der vielen Helfer und der Gemeinde. Bis zur Normalität wird es noch dauern, für die 16-jährige Someja ist inzwischen zumindest wieder etwas Alltag eingekehrt: Nach einer Woche Aufräumarbeiten geht sie wieder in die Schule. "Es ging alles so schnell, unsere Sachen waren irgendwo. Ich wusste lange nicht einmal, wo meine Kleidung war. Zum Glück hatten wir so viele Helfer, danke!"