Industriechemikalie im Wildschwein - Schadenersatz für Jäger vereinbart
INNVIERTEL, BEZIRK VÖCKLABRUCK. Bejagen und entsorgen: das ist seit Monaten in 81 Jagdgebieten in den Bezirken Braunau, Ried und Vöcklabruck Standard, denn das Wildbret ist belastet. Jetzt erhalten Jäger Schadenersatz. Der mutmaßliche Verursacher, der Industriepark Gendorf im Landkreis Altötting, zahlt 110 bzw. 220 Euro Entschädigung pro erlegtes Tier.
Bejagen und in der Tierkörperverwertung entsorgen: Dieses unübliche Vorgehen ist seit einem halben Jahr Standard in vielen Jagdgebieten der Bezirke Braunau, Ried und Vöcklabruck. Im September wurde bekannt, dass Wildschweine im Weilhartsforst und Kobernaußerwald mit Industriechemikalien aus dem Chemiepark Gendorf (Landkreis Altötting) belastet sind und das Wildbret nicht zum Verzehr geeignet ist. Rückwirkend mit 1. Jänner 2024 werden jetzt die Jäger der insgesamt 81 betroffenen Jagdgebiete für jedes erlegte Tier entschädigt. Es zahlt der mutmaßliche Verursacher Dyneon, die heutige Betreiberin des Chemieparks Gendorf.
Gültig bis Dezember 2025
Eingefädelt hat die Schadenersatzvereinbarung das Agrar- und Jagdressort mit der zuständigen Landesrätin Michaela Langer-Weninger. Zu den Details: Der Jäger erhält 110 Euro je Jungtier und 220 Euro je adultes Wildschwein. Diese Beträge sind gleich hoch wie jene in Bayern. Dort erhalten Jäger seit 2018 zum Schadensausgleich eine Wildschweinprämie. Hintergrund ist die großflächige Bodenverunreinigung mit der giftigen Substanz PFOA. Sie wird „Ewigkeitschemikalie“ genannt, weil sich die Säure in der Umwelt kaum abbaut. Der Vertrag mit Dyneon auf österreichischer Seite ist für zwei Jahre gültig, danach wird erneut verhandelt. Jährlich sind in den 81 Jagdgebieten circa 270 Tiere, überwiegend Jungtiere, zu entschädigen, das entspricht einer Schadenersatzsumme von etwa 35.000 Euro. „Wir haben erfolgreich im Sinne der Jagd und des Grundbesitzes verhandelt. Durch den Schadensausgleich bleibt die Motivation der Jägerinnen und Jäger hoch, die Wildschweinpopulation zu regulieren und so der Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest entgegenzuwirken“, erklärt Langer-Weninger.
In 77 Gemeinden in den drei Bezirken wird seit Monaten kein Wildschweinfleisch auf den Markt gebracht. Landesjägermeister Herbert Sieghartsleitner sprach von einer „noch nie da gewesenen Dimension“. Was die Zukunft betrifft, so fehlen zufriedenstellende Antworten. Das Finanzielle ist vorerst geregelt. „Grundsätzlich ist die Situation für die Jagd durchaus unglücklich. Wildschweine zu erlegen und sie zu entsorgen, ist niemals die Zielsetzung der Jagd. Aber in Hinblick darauf, dass die Schwarzwildbejagung in der üblichen Intension fortgeführt werden muss, ist die Entschädigungsvereinbarung ein sehr wichtiger Beitrag, weil zumindest der wirtschaftliche Schaden abgefangen werden kann“, sagt Sieghartsleitner, der die Vereinbarung mitverhandelt hat.
Wie berichtet, sind im Landkreis Altötting, den nur die Salzach vom Innviertel trennt, 90 Prozent aller Wildschweine nicht zum Verzehr geeignet. PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) sind eine Gruppe von Industriechemikalien, die eine große Anzahl von Substanzen umfasst. Ein Hauptvertreter dieser Gruppe ist die Perfluoroctansäure (PFOA), die im Chemiepark bis 2003 hergestellt wurde. Die Chemikalien sind im Boden, im Wasser, im Blut vieler Menschen – und durch eine „vorherrschende Westwindrichtung auch im benachbarten Bezirk Braunau bzw. im Kobernaußerwald“, heißt es aus dem Ressort. Wildschweine sind deshalb mit der Chemikalie belastet, weil sie im Boden wühlen und bei der Nahrungssuche vergleichsweise viel Erdreich und möglicherweise verseuchte Kleinlebewesen aufnehmen. Andere Wildtiere, wie Reh oder Hase, sind nicht betroffen.
Zur Sicherheit der Menschen
Noch nicht eindeutig geklärt ist, was die giftige Substanz mit dem Körper macht. Vermutet werden eine verminderte Immunantwort, erhöhte Cholesterinwerte sowie Nieren- und Hodenkrebs bei Erwachsenen. „Die Sicherheit der Menschen stand an erster Stelle. Es war sofort klar: Kontaminiertes Wildbret soll keinesfalls in den Verkehr gelangen. Gleichzeitig wollten wir rasch eine Lösung für die betroffenen Jagdreviere finden. Sie sollten nicht unschuldig zum Handkuss kommen“, sagt Langer-Weninger.
"Durch den Schadensausgleich bleibt die Motivation der Jägerinnen und Jäger hoch, die Wildschweinpopulation zu regulieren und so der Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest entgegenzuwirken" - diese Aussage hat's aber in sich.
Bedeutet das, dass die Jäger ohne finanzielle Förderung kein Interesse hätten ihrer Schutzaufgabe nachzukommen?