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Auschwitz. Was geht mich das an, Herr John?

Von Manfred Wolf, 27. Jänner 2025, 09:11 Uhr
Auschwitz. Was geht mich das an, Herr John?
Bild: EPA

LINZ, OSWIECIM. Holocaust-Gedenktag: Am 27. Jänner vor 80 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit

Der Linzer Historiker und Politikwissenschafter Michael John hat sich seit Langem mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt – speziell auch mit Linz und Oberösterreich. Und Auschwitz. Er war wissenschaftlicher Beirat der neuen Österreich-Ausstellung in Block 17 des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz im heutigen Polen. Ein Gespräch über den Holocaust und die Aufarbeitung.

Michael John
Michael John bei einer Exkursion nach Auschwitz Bild: VOLKER WEIHBOLD

80 Jahre Befreiung Auschwitz – viele Menschen denken allerdings nach so langer Zeit: "Was geht mich das an?" Was antworten Sie auf diese Frage?

Mindestens 1,1 Millionen Menschen wurden in Auschwitz ermordet. Aber Auschwitz ist mehr als das, was konkret dort geschehen ist, es ist zum Symbol des Holocaust geworden, zum weltweiten Symbol eines menschenverachtenden Regimes, des Nationalsozialismus und der Unmenschlichkeit per se. Das allein wäre schon Grund genug, dessen zu gedenken.

Was noch?

Deutschland und Österreich waren die Kernländer des Nationalsozialismus. Ein großer Teil der österreichischen Bevölkerung hat das System getragen, viele Täter und Täterinnen stammten etwa auch aus Oberösterreich.

Überhaupt hat Oberösterreich eine spezielle Bedeutung: Es war der Heimatgau des "Führers", Linz war Adolf Hitlers Patenstadt, es wurde viel investiert. "Oberdonau", also Oberösterreich, war ein privilegierter Gau – und ein Gau der Konzentrationslager und der massiven Repression.

Unter jenen, die in Auschwitz als SS-Täter aktiv waren, ist Maria Mandl, Oberaufseherin im Frauenlager in Auschwitz-Birkenau, zu nennen. Eine Innviertlerin, die besonders brutal vorgegangen ist. Sie stammte aus Münzkirchen, eine ehemalige Hausangestellte. Mandl hat sich als Aufseherin beworben, war zunächst im KZ Ravensbrück und kam 1942 nach Auschwitz. Sie ist eine der wenigen Frauen, die im Kontext von Nachkriegsprozessen hingerichtet worden ist. Sie hat nicht nur Frauen selektiert, ihr wurde besonderer Sadismus vorgeworfen. Im Jänner 1948 hat man sie hingerichtet. Insgesamt wurden in der SS-Wachmannschaft Auschwitz 16 SS-Männer aus Oberösterreich aufgelistet.

In Oberösterreich gab es wesentlich mehr SS-Männer, die Täter waren – es gab den Lagerkomplex Mauthausen, der in ganz Österreich rund 50 Nebenlager hatte.

Oberösterreich war ein Land der Konzentrationslager. Mauthausen, Ebensee, die Tötungsanstalt Hartheim – das sind weltweit bekannte Orte, symbolische Orte nationalsozialistischer Verbrechen. All das wurde in Österreich aufgearbeitet, zuerst mit eher geringer Intensität, später dann doch nachhaltiger. Letzteres ab den 1990er-Jahren großteils "von oben" kommend, über die Bildungssysteme und durch die Politik – konkret durch die Gedenkpolitik. Die Medien haben dabei auch eine große Rolle gespielt. Ausgangspunkt für die breite Diskussion war der Anstoß von außen, die sogenannte Waldheim-Affäre.

Innerfamiliär war die Aufarbeitung hingegen nicht sehr stark ausgeprägt, oder?

Aus mehreren Gründen, die Sache ist komplex. Aber immerhin: In letzter Zeit verstärkten sich Kontakte mit Menschen, die von Ereignissen aus dem familiären Umfeld berichten – auch wenn sie wenig schmeichelhaft sind. Sie berichten von Untaten und Involvierungen in grausame Vorkommnisse.

Zum Beispiel?

Im Vorjahr kam ein Mann zu mir. Er berichtete darüber, was ihm sein Vater auf dem Sterbebett gesagt hat: dass er zusammen mit anderen mehr als hundert Frauen und Kinder ermordet habe. In einer nationalsozialistischen Maßnahme. Der Vater hat auch erklärt, warum er nie darüber gesprochen hat: auch weil er Angst davor hatte, dass seine Familie zerbricht, die Kinder nichts mehr von ihm wissen wollen, die Frau nicht mehr mit ihm schläft.

Weltweit erstarken rechte und ausgrenzende Ideologien. Was sagen Sie dazu?

Wenn ein US-Präsident vom "Krieg gegen Fremde" spricht mit dem Zusatz "Deport them" und einer seiner Experten öffentlich so etwas wie einen Hitlergruß macht, ist das bedenklich. Auch in Deutschland gibt es neuerdings diese Tendenz, aber eine Formulierung wie "Deport them" findet sich dort nicht. Allerdings wird massiv von "Remigration" gesprochen. Man muss schon aufmerksam sein, es ist nicht immer einfach zu erkennen, was hinter solchen Formulierungen steckt.

Was gewissermaßen eine weitere Antwort ist auf die Frage "Was geht mich das an?" – nämlich die Querverbindungen zwischen Vergangenem und Gegenwart zu erkennen?

Gedenken ist nicht nur historisch, sondern hat auch aktuelle Auswirkungen. Österreich und Deutschland waren die Kernländer, auf deren Boden die NS-Katastrophe und in deren Gefolge unermessliches Leid ihren Ausgang genommen haben. Gedenken heute bedeutet auch – noch – Gedenken mit den letzten Zeitzeugen, die authentisch von Auschwitz berichten können. Danach entsteht eine andere Situation.

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Autor
Manfred Wolf
Ressortleiter Lokales
Manfred Wolf

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6  Kommentare
6  Kommentare
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Augustin65 (3.048 Kommentare)
vor 16 Stunden

Schön wäre täglich ein Artikel zum Thema, nicht nur fünf mal die Woche......

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santabag (7.767 Kommentare)
vor 15 Stunden

Fühlen Sie sich mit Ihrem traurigem Gedankengut ertappt?

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Augustin65 (3.048 Kommentare)
vor 14 Stunden

Traurig dürfte eher ihr Dasein sein, Santi.....

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hasta (3.106 Kommentare)
vor 17 Stunden

Die Gedenktage anl. der Befreiung in Auschwitz und Birkenau sollten dort begangen werden wo sich diese Lager befinden. Wir in Österreich sollten den Gedenktag der Befreiung des Lagers Mauthausen würdigen.
Darüber hinaus bedarf es in Österreich keiner Gedenktage betr. div. Lager in anderen Ländern.

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danadella (968 Kommentare)
vor 18 Stunden

Wer einmal in den Lagern Auschwitz und Birkenau war, vergisst das nie wieder. Gestandene Männer in unserer Reisegruppe haben dort geweint, als sie durch die Gedenkorte gegangen und vor der Todesmauer gestanden sind.

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Floh1982 (2.475 Kommentare)
vor 18 Stunden

Leider hat das Thema Nationalsozialismus an Schrecken verloren. Nur noch wenige von uns haben noch Großeltern, welche diese Zeit miterlebt haben und davon erzählen können. Immer mehr rechte Schwachköpfe finden es lustig, am 20. April Eiernockerl-Fotos auf Facebook zu posten. Immer öfter hört man: "Was geht mich dieses Thema an?" oder "Was können wir dafür was damals passiert ist?" Ich sage daraufhin immer: Nein, wir können nichts dafür was vor 100 Jahren passiert ist. Aber es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen dass es nicht wieder passiert!

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