Prozess um Vergewaltigung: Siebeneinhalb Jahre Haft für Schartner Bürgermeister
WELS. Der Bürgermeister von Scharten, der bei den Kommunalwahlen als Ortschef wiedergewählt wurde, ist am Montag zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Er soll eine ehemalige Mitarbeiterin sexuell belästigt, mehrmals vergewaltigt und verleumdet haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Sollte es das werden, ist damit ein Amtsverlust verbunden.
Sein Landtagsmandat hat der Angeklagte im Zuge des seit Jahresbeginn laufenden Verfahrens zurückgelegt und er war bei der Landtagswahl auch nicht mehr aufgestellt worden. Als Ortschef ist er aber weiter im Amt. Ihm wird vorgeworfen, eine Mitarbeiterin in der Zeit von 2014 bis 2016 zweimal sexuell belästigt, dreimal vergewaltigt und - als sie ihr Schweigen schließlich brach - verleumdet zu haben. Die Anklage stützt sich u.a. auf ein vom mutmaßlichen Opfer vorgelegtes Taschentuch, auf dem Scheidensekret der Frau und Sperma des Angeklagten nachgewiesen wurden.
Bürgermeister ortet Intrige
Der Bürgermeister leugnet alle Vorwürfe vehement und ortet eine Intrige. Er will niemals eine Affäre mit der Frau gehabt haben und meint, das Beweisstück müsse manipuliert sein. Er hatte die Mitarbeiterin, nachdem sie Vorwürfe gegen ihn erhoben hatte, wegen Verleumdung angezeigt und eine Unterlassungsklage eingebracht. "Ohne diese Unterlassungsklage würden wir hier nicht sitzen", sagte die Anklagevertreterin im Prozess. Denn die Staatsanwaltschaft stellte letztlich ihre Ermittlungen gegen die Frau ein und erhob gegen den Politiker Anklage.
Kollegen vom Gemeindeamt berichteten sinngemäß, dass das mutmaßliche Opfer die Nähe des Angeklagten gesucht habe, aber auch, dass die Frau im Umgang schwierig gewesen sei. Die Geschädigte wiederum meint, dass der Bürgermeister einige Mitarbeiter auf sie angesetzt habe, sie sei gemobbt worden. Für Aufregung sorgte, als herauskam, dass sich mehrere Zeugen zuvor im Büro des Verteidigers getroffen hatten.
Datenexperte nahm Handy unter die Lupe
Ein EDV-Experte wertete Handy und Computer des Schartner Ortschefs aus, übrig blieben vor Gericht mehr Fragen als Antworten. Hat der Bürgermeister von Scharten - Jürgen Höckner (VP) wurde bei den Kommunalwahlen im September mit 55 Prozent der Stimmen zum Ortschef wiedergewählt - eine ehemalige Gemeinde-Mitarbeiterin vergewaltigt und sexuell belästigt? Seit Jänner prüfte ein Schöffensenat des Landesgerichts Wels die schweren Vorwürfe.
Am Montag wurde die Verhandlung in Wels fortgesetzt. Zu Wort kam im Schwurgerichtssaal ein per Videokonferenz zugeschalteter forensischer Datenexperte. Dieser hatte im Auftrag des Gerichts ein Handy und einen Computer des Angeklagten unter die Lupe genommen. In der Hoffnung, damit noch Zeit-Weg-Diagramme erstellen zu können und festzustellen, wann der Bürgermeister wo war. Denn wie berichtet streitet er die Taten vehement ab.
Leider sind das Mobiltelefon und ein Computer, die der Bürgermeister im angeklagten Tatzeitraum verwendet hatte, nicht mehr vorhanden. Die Hoffnung des Gerichtsgutachters: die in den Handy-Apps gespeicherten Geodaten sind auch auf das neue Handy übertragen worden. Doch dem war nicht der Fall. Normalerweise seien diese Daten noch in der „Cloud“ von Google gespeichert. Doch dem war Großteils nicht so. „Ich gehe davon aus, dass die Cloud durchgeputzt, also gelöscht worden ist“, so das Fazit des Gutachters.
Interessant war dafür, welche Google-Suchanfragen für die Geräte des Bürgermeisters im Zeitraum Jänner bis März 2021 noch ausgelesen werden konnten. „Was speichert Google von mir“, „speichert Google WhatsApp“, „Windows DPM löschen“, „SIM Karte im Auto BMW“: auf diese Fragen soll der Angeklagte nach Antworten gesucht haben.
Der Gutachter wollte sich damals bei seiner Befunderhebung nicht geschlagen geben und noch einen alten PC, „Bürgermeister-Computer“ genannt, beantragen. „Es hieß, dass er formatiert und an eine Schule weitergegeben worden sei“, schilderte der Sachverständige. Eine Formatierung wäre für ihn kein Problem gewesen, meinte der Datenexperte. „Ich finde, was ich brauche.“ Doch schließlich teilte ihm auch das Gericht mit, dass der Computer „nicht zur Verfügung“ stehe.
"Alles versucht, um Handy noch aufzutreiben"
Besonders bemerkenswert: Zwei Tage, nachdem heuer im Jänner die erste Verhandlung vertagt worden war, googelte Höckner die Wortfolge: „was passiert mit Handy in ASZ“. Mit ASZ war Altstoffsammelzentrum gemeint, wie auch der Beschuldigte einräumte. Sein Sohn habe das alte Handy damals zur Entsorgung gebracht.
Er habe eben „alles versucht“, das alte Gerät noch aufzutreiben. „Ich habe geschaut, ob alte Handys im Altstoffsammelzentrum noch registriert werden“, meinte der Bürgermeister. Das brachte den Richter ins Grübeln: „Mich wundert, dass Sie als Obmann des Bezirksabfallverbandes selbst nicht wissen, was dort mit einem Handy passiert.“ Diese Tätigkeit übe er schon „mehrere Jahre“ nicht mehr aus, antwortete Höckner.
Während der Abspielung der kontradiktorischen Opfer-Einvernahme wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Eine ergänzende Video-Einvernahme der Frau scheiterte dann daran, dass sie keine Fragen des Verteidigers beantworten wollte und sich schließlich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berief.
Staatsanwältin hält "Racheplan" nicht für glaubwürdig
Die Staatsanwältin sah in ihrem Schlussplädoyer die Schuld des Angeklagten als erwiesen an. Der Angeklagte habe seine Rechtfertigungen immer wieder geändert, mehrere Zeugen haben sich nach Ansicht der Anklagevertreterin hingegen in manchen Details nach Jahren zu genau erinnern können. Einen "Racheplan" der ehemaligen Mitarbeiterin gegen den Politiker hält sie nicht für glaubwürdig. Wenn die Frau das geplant hätte, hätte sie viel mehr vorgelegt als das eine Taschentuch. Der Verteidiger präsentierte in seinem Schlussvortrag u.a. etliche Fotos, die zeigen sollen, dass die Frau bei Veranstaltungen meist recht fröhlich und mit dem Bürgermeister vertraut gewirkt habe - sie hatte das in ihrer Einvernahme mit "ich habe gute Miene zum bösen Spiel gemacht" erklärt.
Ist Urteil rechtskräftig, muss Bürgermeister Amt abgeben
Das Taschentuch lasse nur einen Schluss zu, so das Gericht in der Urteilsbegründung: Es habe Geschlechtsverkehr gegeben. Da einvernehmlicher Sex immer bestritten wurde, wurde der Politiker schuldig gesprochen. Er wurde bei einem Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren zu siebeneinhalb Jahren verurteilt und muss dem Opfer 7.000 Euro bezahlen. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, muss er sein Amt abgeben
Als mildernd wurde die Unbescholtenheit gewertet, als erschwerend u.a. der lange Tatzeitraum, die mehrfache Wiederholung und die Ausnutzung eines Autoritätsverhältnisses. Die Verteidigung meldete Nichtigkeitsbeschwerde, Strafberufung und Berufung gegen die Privatbeteiligten-Ansprüche an, die Staatsanwältin ebenfalls Berufung und der Opfervertreter gab keine Erklärung ab. Der Politiker zeigte sich im Gerichtssaal fassungslos und sagte immer wieder: "Ich habe keine einzige dieser Taten begangen."