Baby zu Tode geschüttelt - Vater: "Nehme Schuld auf mich"
WIEN. Ein 32-Jähriger und eine 23-Jährige haben sich am Mittwoch wegen Mordes an ihrer Tochter vor einem Wiener Schwurgericht verantworten müssen.
Der Vater soll das wenige Monate alte Baby wiederholt derart heftig geschüttelt haben, dass es am 12. Juni in einem Spital an den Verletzungsfolgen verstarb. "Ich nehme die Schuld auf mich", sagte der 32-Jährige. Er habe seine Tochter "maximal drei Mal geschüttelt", aber nicht mit deren Ableben gerechnet.
Der 32-Jährige weigerte sich, an einer Reanimationspuppe, die der beigezogene Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp mitgebracht hatte, das inkriminierte Handeln zu demonstrieren. Daraufhin übernahm Klupp diese Aufgabe, wobei er handgestoppte sieben Sekunden lang die Puppe durchschüttelte. Das Baby habe keine Überlebenschance gehabt, sagte der Sachverständige. Es habe ein Schüttel-Trauma erlitten, die Wachstumsfuge sei eingerissen. Ein fünf bis zehn Sekunden langes, zehn bis 30-maliges Schütteln - laut Klupp ein körperlich anstrengender" Vorgang - sei Voraussetzung für ein Trauma.
Mutter: "Habe nie etwas gesehen, wenn sie geschüttelt wurde"
Der Mutter wird Mord durch Unterlassung vorgeworfen - sie soll die Gewalttätigkeiten mitbekommen und hingenommen haben. "Sie hat damit nix zu tun", sagte der Ex-Partner der 23-Jährigen, die sich zuvor "nicht schuldig" bekannt hatte. "Ich habe nie etwas gesehen, wenn sie geschüttelt wurde", versicherte die Angeklagte. Bei dem Vorfall, dessentwegen das Baby am 4. Juni auf eine Intensivstation gekommen war, sei sie "vom Klo zurückgekommen" und habe ihre Tochter "teilnahmslos" und ohne Bewusstsein vorgefunden. Sie habe sich das nicht erklären können, habe die Rettung gerufen und erst am 8. Juni erfahren, dass ihr Gewalt angetan worden war.
"Ich habe das nicht gesehen", schluchzte die 23-Jährige, mit deren Befragung das Verfahren begonnen hatte. Sie denke ständig an ihre verstorbene Tochter: "Ich rede jeden Tag mit ihr. Ich bete mit ihr. Ich sage ihr jeden Tag, wie sehr ich sie liebe."
Der Vater gab dann in seiner Beschuldigteneinvernahme zu, seine wenige Wochen alte Tochter "maximal drei Mal" geschüttelt zu haben, zuletzt - am 4. Juni - "länger, weil es mir zu viel war". Danach sei das Baby "regungslos" gewesen. Er habe das weinende Kleinkind "zur Ruhe bringen" wollen, es sei ihm darum gegangen, "dass sie nicht so schreit".
"Habe nicht gewusst, was es anrichtet"
Dass er mit seinem Tun seine Tochter in Lebensgefahr brachte, sei ihm nicht bewusst gewesen: "Ich habe es nicht gewusst, was es anrichtet. Sie hat nicht geschrien." Nach dem ersten Mal, "wo ich es gemacht habe", habe sie gelacht. Seine Tochter habe "danach nie aus der Nase geblutet oder aus den Ohren oder sich anders verhalten." Er sei davon ausgegangen, dass ihr nach dem Schütteln "vielleicht schwummrig ist, aber nie, dass das an ihre Organe, ihr Hirn oder so etwas geht." Er habe keine bösen Absichten gehabt: "Warum sollte ich so dumm sein?" Er habe sich ja wochenlang "mit Herzblut, trotz Schlafmangel" um das Kind gekümmert. "Ich wollte das meiner Tochter nicht antun", versicherte der Angeklagte und ergänzte: "Nachdem, was ich getan habe, bin ich natürlich ein sehr schlechter Vater gewesen."
Bis zu seiner Festnahme habe er "verschwiegen, dass ich sie geschüttelt habe, weil ich zu enttäuscht von mir selbst war. Weil ich mich geschämt habe." Seine mitangeklagte Freundin habe vom letzten Schüttelakt "das Ende mitbekommen". Sie sei damals "im Raum gewesen. Ansonsten hat sie nichts gesehen."
Es sei "traurig", dass die Kleine "auf qualvolle Weise von ihren Eltern getötet wurde", hatte Staatsanwältin Anna-Maria Wukovits in ihrem Anklagevortrag ausgeführt. Das Paar hatte sich im Jänner 2020 kennengelernt, bald danach zogen sie in eine 37 Quadratmeter große Ein-Zimmer-Wohnung. Für die Frau war es der erste richtige Freund. Sie wurde ungewollt schwanger. Wie die Staatsanwältin den Geschworenen berichtete, wurde eine Abtreibung erwogen. Dafür war es aber zu spät, wie man dem Paar bei einer Vorsprache in einer Klinik beschied. "Sie haben sich gezwungenermaßen für ein Kind entschieden, das sie nie wollten. Sie (die Tochter, Anm.) war von Anfang an nicht gewünscht", meinte die Staatsanwältin.
Der Vater - ein Büroangestellter - habe sich nach der Geburt schon im Krankenhaus verhaltensauffällig benommen, sagte Wukovits. Er sei aufbrausend, aggressiv gewesen. Es gab auch eine Gefährdungsmeldung ans Jugendamt. Die Eltern bekamen aufgrund dessen eine Hebamme und soziale Betreuung beigestellt. All diese intensiven Bemühungen hätten nicht verhindern können, dass das Baby ein "Martyrium" mitmachen musste, stellte die Staatsanwältin fest.
Im April soll der Vater laut Anklage das Baby erstmals misshandelt haben, als das Kind zu schreien begann und nicht zu beruhigen war. Die Staatsanwältin sprach in diesem Zusammenhang von "wiederholten brutalen Übergriffen". Am 2. Juni sei das Mädchen vom Vater "heftig hin- und hergeschüttelt worden, bis das Kind erbricht. Erst dann hört er auf. Sie (die Mutter, Anm.) steht daneben und tut nix".
Immerhin begaben sich die Eltern mit dem Baby in ein Spital, wo das Kind der Staatsanwältin zufolge aber deshalb nur oberflächlich untersucht wurde, weil die Mutter dem Arzt verschwieg, dass ihre Tochter geschüttelt worden war. Daher hätten die Eltern die Kleine wieder mit nach Hause nehmen dürfen.
"Am 4. Juni hat sich das Martyrium wiederholt", setzte die Anklägerin fort. Diesmal habe das Schütteln des Vaters beim wehrlosen Opfer ein unkontrolliertes Rotieren des Kopfes bewirkt: "Das Kind erbricht, wird bewusstlos. Die Lippen verfärben sich blau." Die Mutter habe den Rettungsdienst angerufen, das Kleinkind sei dann per Hubschrauber "mit massivsten, lebensbedrohlichen Verletzungen" in ein Krankenhaus gekommen. Dort wurden unter anderem Hirnblutungen, Hirnschäden und zwei gebrochene Oberschenkel festgestellt. Nach einem tagelangen Überlebenskampf habe das Baby diesen schließlich verloren, schilderte Wukovits abschließend.
Wie später die Obduktion ergab, waren die für ein Schütteltrauma typischen Blutungen im Bereich der Hirnwand aufgetreten. Todesursächlich war der fachärztlichen Expertise zufolge eine Sauerstoffunterversorgung des Hirns.
"Es war sicher kein Mord", betonte Christa Scheimpflug, die Verteidigerin des Vaters. Er habe die Kleine beruhigen wollen. Diese sei zwar kein Wunschkind gewesen, "aber in dem Moment, wo das Kind auf der Welt war, hat er für das Kind gesorgt."
Timo Gerersdorfer, der Verteidiger der Mutter, bezeichnete diese als "schüchterne, liebenswerte junge Dame", die im Gefängnis - beide Elternteile befinden sich seit Juni in U-Haft - zum Glauben gefunden habe. Er verwies auf eine Intelligenzminderung seiner Mandantin: "Sie gehört zum untersten einen Prozent ihrer Altersklasse". Ihr Freund sei in der Beziehung dominant gewesen, sei "aus ihrer Sicht ein guter Vater" gewesen: "Beide haben sich auf das Kind gefreut." Die Misshandlungen seitens des Vaters habe die 23-Jährige nicht mitbekommen: "Sie hat es zu keinem Zeitpunkt gesehen. Sie ist vier bis fünf Mal in der Woche einkaufen gegangen, war auf der Toilette, im Badezimmer. Sie hat schöne lange Haare, sie hat sich die Haare geföhnt." Der Vater habe "Fehler gemacht, die sind nicht meiner Mandantin zuzurechnen", insistierte Gerersdorfer.
Diese Verantwortung nahm die Staatsanwältin der Kindesmutter nicht ab. "In welcher Ecke dieses kleinen Zimmers hat sie sich verkrochen, dass sie das nicht sieht", fragte sich Wukovits. Und ortete "sehr, sehr schwache Versuche, sich aus der Verantwortung zu ziehen". Sie forderte die Geschworenen auf, Folgendes zu bedenken: "Sieht man, dass ein Kind derart misshandelt wird, hat man einzugreifen. Das sagt einem nicht nur das Gesetz. Das sagt einem die Moral."
Die Angaben der angeklagten Mutter in der Verhandlung widersprachen auch fundamental ihren Aussagen vor der Polizei und vor der Haft- und Rechtsschutzrichterin. Dort hatte sie jeweils zu Protokoll gegeben, ihr Partner habe die Tochter "sehr oft" bzw. "ab der vierten Woche" unter den Armen erfasst und geschüttelt, "bis sie zum Weinen aufgehört hat". Sie habe deshalb "mit ihm so oft geredet, wie es ging", habe sich aber "leider nicht getraut, mehr Widerstand zu leisten".
Damit konfrontiert, merkte die Angeklagte an, sie habe sich seinerzeit leider zu diesen unrichtigen Angaben hinreißen lassen. Ihr gegenüber sei ihr Freund nie gewalttätig gewesen.
Die Verhandlung ist auf zwei Tage anberaumt. Die Urteile sollen am 24. Jänner fallen. Am kommenden Montag wird noch ein psychiatrischer Sachverständiger gehört. Beide Angeklagte waren laut Gutachten im Tatzeitraum zurechnungsfähig, der 32-Jährige soll aber derart gravierende psychische Auffälligkeiten aufweisen, dass im Fall eines Schuldspruchs haftbegleitende therapeutische Maßnahmen angebracht erscheinen. Die Staatsanwaltschaft hat daher zusätzlich zur Verurteilung die Einweisung des Mannes in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt.
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