Entschleunigung im Modezirkus – Corona fördert ein Umdenken
"Nichts wird wieder so, wie es war", lautet ein Mantra in der Krise. Für die Modewelt könnte die Prophezeiung wahr werden
Während die Boutiquen und Kaufhäuser geschlossen waren und die Menschen in Jogginghosen im Homeoffice arbeiteten, machten sich die Designer Gedanken über die Zukunft ihrer Branche.
Und viele kamen zu dem Schluss: Der Wahnsinn des Modezirkus muss ein Ende haben – die vielen Fashion Weeks, die Überproduktion, die dann schon vor Beginn der Saison verramscht wird.
Den Anfang machte Anthony Vaccarello, Designer der Nobelmarke Saint Laurent, mit seiner Ankündigung, dieses Jahr nicht an der Fashion Week in Paris teilzunehmen. Von nun an werde "die Marke ihrem eigenen Rhythmus folgen und das Tempo selbst bestimmen", erklärte er.
Vergangene Woche schloss sich Alessandro Michele von Gucci der Revolte an. "Kleider sollten ein längeres Leben haben", sagte er auf einer virtuellen Pressekonferenz in Mailand und kündigte an, dass seine Kollektionen von nun an nicht mehr an eine Saison gebunden sein würden. Statt bei fünf Modenschauen will er die Models nur noch zwei Mal pro Jahr über den Laufsteg schicken.
Nicht nur die jungen Designer wollen das Hamsterrad der Modewelt abbremsen. Es sei an der Zeit, das mörderische Tempo zu zügeln, verkündet Altmeister Giorgio Armani (85). Der belgische Designer Dries Van Noten fordert in einem offenen Brief, das System der Luxusmode zu überdenken. Mehrere hundert Akteure der Branche – Marken, Modeschöpfer und Kaufhäuser – schlossen sich dem Aufruf an. Sie wollen einen "Wandel, der die Unternehmen umwelt- und sozialverträglicher macht". Van Noten will auch dem Rabattwahnsinn wie dem Black Friday ein Ende bereiten. Die Kleidung solle der Jahreszeit entsprechend verkauft werden und länger in den Geschäften bleiben. "Es ist doch nicht normal, Winterkleidung im Mai zu kaufen." Unklar bleibt, ob die Unternehmen hinter den großen Luxusmarken die Forderungen der Designer mittragen.