Anschlag in Magdeburg: Das ist über den Verdächtigen bekannt
MAGDEBURG. In den sozialen Netzwerken präsentierte er sich als vehementer Kritiker des Islam und Saudi-Arabiens: Doch zuletzt äußerte sich der Verdächtige auch kritisch zu deutschen Behörden und warf ihnen "geheime Operationen" vor.
Der mutmaßliche Todesfahrer, der auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt zahlreiche Menschen mit einem Auto überfuhr, tötete und schwer verletzte, machte zuletzt eine Wandlung durch.
Der Mann sei den Behörden nach bisherigen Erkenntnissen nicht als Islamist bekannt gewesen, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) noch am Abend der schrecklichen Tat. In den sozialen Netzwerken zeigte sich der 50 Jahre alte Arzt als radikaler Islamkritiker und Aktivist für die Belange vor allem von Frauen aus Saudi-Arabien. Auf der Plattform "X" hatte er vor der Tat mehr als 40.000 Follower und gab in den vergangenen Jahren auch einige Interviews zur Situation von Frauen in Saudi-Arabien.
Facharzt für Psychiatrie
Der 50-Jährige kam nach Angaben Haseloffs bereits 2006 nach Deutschland. Zuletzt lebte er in Bernburg, einer kleinen Stadt knapp 50 Kilometer von Magdeburg. Wie eine Sprecherin der Betreibergesellschaft Salus mitteilte, war er im Maßregelvollzug tätig. Er habe mit suchtkranken Straftätern gearbeitet und sei seit März 2020 in der Einrichtung tätig gewesen. "Seit Ende Oktober 2024 war er urlaubs- und krankheitsbedingt nicht mehr im Dienst", hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. "Wir unterstützen die Arbeit der Ermittlungsbehörden seit den Nachtstunden in jeder nur möglichen Form." Nach Informationen der dpa hatte das Gesundheitsministerium von Sachsen-Anhalt noch in der Nacht die Personalakte des Mannes angefordert und den Ermittlungsbehörden übergeben.
Im Juni 2019 erschien ein Interview mit dem Verdächtigen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der Geschichte", sagte der Mann damals. Neben seinen Beiträgen in den sozialen Netzwerken beriet er nach eigenen Aussagen Frauen unter anderem aus Saudi-Arabien bei Asylfragen und vermittelte deren Kontakt auch an internationale Medien.
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Saudi-Arabien hat Deutschland nach eigenen Angaben gewarnt
Saudi-Arabien hatte Deutschland saudischen Sicherheitskreisen zufolge vor dem Mann gewarnt. Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt. Darauf habe Deutschland nicht reagiert, hieß es. Den Sicherheitskreisen zufolge stammt er aus der Stadt Al-Hofuf im Osten Saudi-Arabiens und war Schiit. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung in dem mehrheitlich sunnitischen Land sind schiitisch. Es gibt immer wieder Berichte von Diskriminierungen gegenüber Schiiten im Land.
"Wir können nur gesichert sagen, dass der Täter offensichtlich islamophob war", sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser am Tag nach der Tat in Magdeburg. Alles Weitere sei Gegenstand der Ermittlungen. Was es an Warnungen im Vorfeld gegeben habe oder nicht, obliege den Ermittlungsbehörden, betonte die SPD-Politikerin.
Hilfe für saudische Frauen und Verschwörungstheorien
Seit einiger Zeit veränderte sich das Auftreten des saudischen Arztes in den sozialen Netzwerken, wurde aggressiver. "Ich erwarte ernsthaft, dieses Jahr zu sterben", hieß es auf seinem X-Account im Mai dieses Jahres. "Ich werde Gerechtigkeit um jeden Preis herbeiführen." Die deutschen Behörden würden alle Wege zur Gerechtigkeit blockieren. Ob der Saudi die Beiträge wirklich alle selbst verfasste, war zunächst nicht klar. Für Irritation sorgte etwa ein Post, der noch um die Zeit des Angriffs auf dem Account veröffentlicht wurde.
Erst vor rund zehn Tagen veröffentlichte die amerikanische Plattform "RAIR", die sich selbst als antimuslimische Graswurzel-Organisation beschreibt, ein mehr als 45 Minuten langes Interview mit dem Arzt. Darin wirft er unter anderem der deutschen Polizei vor, "geheime Operationen" durchzuführen und das Leben von saudischen Asylsuchenden, die sich vom Islam losgesagt hätten, gezielt zu zerstören. Zudem äußerte er sich als Fan von X-Inhaber Elon Musk und der AfD, die die gleichen Ziele wie er verfolge. Gleichzeitig bezeichnete er sich aber politisch als links. "Ich bin nicht rechts, ich bin ein Linker."
Dass Deutschland in den vergangenen Jahren Hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien - mehrheitlich Muslime - aufnahm, störte ihn, wie aus dem Video hervorgeht. Nach dpa-Informationen stellte der Arzt selbst, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre in Deutschland aufhielt, im Februar 2016 einen Asylantrag, über den im Juli desselben Jahres entschieden wurde. Der saudische Staatsbürger erhielt damals Asyl als politisch Verfolgter.
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