EU-Parlament stimmt über Asylreform ab: 9 Fragen und Antworten
BRÜSSEL. Jahrelang wurde über das europäische Asylrecht gestritten - nun will das EU-Parlament über eine Reform abstimmen. Geplant ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Antworten auf wichtige Fragen.
Warum soll die Asylpolitik in der EU reformiert werden?
An einer Reform wird bereits seit 2015 und 2016 intensiv gearbeitet. Damals waren Länder im Süden Europas wie Griechenland mit einer Vielzahl an ankommenden Menschen aus Ländern wie Syrien überfordert. Hunderttausende kamen unregistriert in andere EU-Staaten. Dies hätte eigentlich nicht passieren dürfen, denn nach der sogenannten Dublin-Verordnung sollen Asylwerber da registriert werden, wo sie die Europäische Union zuerst betreten haben.
Wie soll es in Zukunft ablaufen, wenn Geflüchtete an einer EU-Außengrenze ankommen?
Die Reform sieht einheitliche Grenzverfahren an den Außengrenzen vor. Geplant ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Bis zur Entscheidung über den Asylantrag sollen die Menschen bis zu zwölf Wochen unter haftähnlichen Bedingungen in Auffanglagern untergebracht werden können.
Menschen, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent kommen, sowie solche, die als Gefahr für die öffentliche Sicherheit gelten, müssen künftig verpflichtend in ein solches Grenzverfahren. Ankommende Menschen können dem Vorhaben nach mit Fingerabdrücken und Fotos registriert werden, auch um zu überprüfen, ob sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sind.
Was passiert bei Ankunft besonders vieler Asylsuchender?
Bei einem besonders starken Anstieg der Migration könnte von den Standard-Asylverfahren mit der sogenannten Krisenverordnung abgewichen werden. Zum Beispiel kann der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis derjenigen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt. Das gälte dann für Menschen aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von maximal 50 Prozent.
Sind Familien mit Kindern vom Grenzverfahren ausgenommen?
Nein, und das, obwohl Deutschland gefordert hatte, Familien mit Kindern aus humanitären Gründen von den Grenzverfahren auszunehmen. Dieses zentrale Anliegen scheiterte jedoch. Nur unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bilden eine Ausnahme.
Wie werden die Geflüchteten dann verteilt?
Die Verteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Staaten wird den Plänen zufolge mit einem "Solidaritätsmechanismus" neu geregelt: Wenn die Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssen sie Unterstützung leisten, etwa in Form von Geldzahlungen.
Ab wann soll das neue Recht gelten?
Die Einigung muss noch von den EU-Staaten bestätigt werden. Das ist normalerweise eine Formalität. Die Mitgliedstaaten haben dem Vernehmen nach eine zweijährige Umsetzungsfrist vereinbart. Das soll den Staaten an den Außengrenzen genügend Zeit geben, entsprechende Einrichtungen zur Unterbringung von Menschen aus Staaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent zu schaffen.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson beteuerte, dass die Mitgliedstaaten um Schnelligkeit bemüht seien. "Einige der Mitgliedsstaaten haben bereits mehr oder weniger mit der Umsetzung begonnen."
Was heißt das jetzt für die einzelnen EU-Länder?
Kurzfristig wird sich an der Situation in Deutschland nichts ändern. Denn bis die nun politisch geeinten Regelungen in die Praxis umgesetzt werden, werden noch Jahre vergehen. Häufig sind noch rechtliche, praktische, technische und sonstige Anpassungen nötig.
Könnte die Reform die Zahl der Geflüchteten verringern?
Ja, denn ein Teil der Schutzsuchenden wird dann von den Außengrenzen direkt zurückgeschickt, und die verschärften Regeln könnten abschreckend wirken.
Kommt die Reform ganz sicher?
Eigentlich gilt die Abstimmung über die einzelnen Verordnungen, die am Ende die Reform bilden, im Parlament als Formalie, da Unterhändler der Mitgliedstaaten und des Parlaments den Kompromiss im Dezember ausgehandelt hatten. Allerdings sind viele Abgeordnete unzufrieden damit. Laut dem deutschen EU-Abgeordneten und Grünen-Migrationsexperten Erik Marquardt wollen etwa die europäischen Grünen nicht allen Verordnungen zustimmen.
Für die österreichischen Grünen ist der Pakt zu streng. Für die FPÖ zu mild. Laut Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, markieren die Gesetzestexte "einen Rückschritt für die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden. Hingegen kritisierte FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky: "Der EU-Migrationspakt wird an der Massenzuwanderung in die EU genau nichts ändern."
Zu spät, zu wenig und wirkungslos!