Europa wird bunter: Der große Rechtsruck blieb aus
BRÜSSEL. Das Ringen um Spitzenposten beginnt: Nach der Wahl ist vor der Personalauswahl. Die Wahlbeteiligung war mit fast 51 Prozent so hoch wie seit 25 Jahren nicht.
Die EU-Wahl hat Europa verändert. Die Große Koalition ist Geschichte. In Brüssel hat nun das Ringen um Mehrheiten und die Spitzenposten begonnen.
Veronika Fllitz (ORF) über den EU-Sondergipfel:
Gibt es einen Trend, mit dem sich das gesamteuropäische Ergebnis zusammenfassen lässt?
Europas Parteienlandschaft ist im Umbruch. Die etablierten Großparteien EVP (Europäische Volkspartei) und die Sozialdemokraten (S&D) erlitten einen Dämpfer und können erstmals seit 40 Jahren in Brüssel keine Große Koalition mehr stellen. Dennoch sind die pro-europäischen Parteien als Sieger hervorgegangen. Denn die Liberalen haben kräftig zugelegt und sind nun drittstärkste Kraft im Parlament. Und die Grünen sind von der sechst- zur viertstärksten Kraft aufgerückt. Die rechtspopulistischen Parteien waren zwar in wichtigen Ländern wie Italien, Großbritannien, Frankreich, Polen, Ungarn und Tschechien erfolgreich, doch konnten sie nur wenige zusätzliche Sitze erobern.
Warum blieb der vorhergesagte große Rechtsruck aus?
Einerseits waren die Rechtspopulisten in der Wahlkampfberichterstattung überdurchschnittlich stark vertreten und verzerrten dadurch die wahre politische Lage. Andererseits wurden gerade deswegen auch viele Wähler aus anderen Lagern mobilisiert.
Welche Mehrheiten sind jetzt im EU-Parlament möglich?
Die seit Jahrzehnten im EU-Parlament gewöhnte Mehrheit aus Europäischer Volkspartei (EVP) und Sozialdemokraten (S&D) gibt es nicht mehr. Sie benötigen jetzt zumindest einen Partner. In Frage kommen hier die deutlich gestärkten Liberalen (zu ihnen zählen die Abgeordneten von Emmanuel Macrons Partei LREM) bzw. die ebenfalls gestärkten Grünen, beide übrigens europafreundlich.
Was bedeuten die neuen Mehrheitsverhältnisse für die kommende Arbeit?
Die Union und damit das Parlament steuern auf eine stärkere Polarisierung zwischen den pro-europäischen Kräften und den EU-Skeptikern und -gegnern zu. Allerdings: An einen weiteren Austritt aus der Europäischen Union nach den Briten ist aufgrund des Brexit-Dramas auf der Insel vorerst nicht zu denken.
Wer wird neuer Kommissionspräsident?
Nach den Verlusten von EVP und S&D ist das völlig offen. In der EVP und hier vor allem in Deutschland wird am Spitzenkandidaten Manfred Weber festgehalten. Sollte allerdings bei der EZB, also der Europäischen Zentralbank, Jens Weidmann Nachfolger von Mario Draghi werden, ist eine Kür eines weiteren Deutschen so gut wie ausgeschlossen. Auch für den Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten, Frans Timmermans, dürfte es sehr schwer werden, Zustimmung beim Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs sowie eine Mehrheit im Parlament zu erhalten. Alternativkandidaten wären die liberale dänische EU-Wettbewerbs-Kommissarin Margrethe Vestager, aber auch Brexit-Chefverhandler Michel Barnier. Für Letzteren schien sich in den vergangenen Tagen vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron erwärmen zu können.
Warum war die Wahlbeteiligung diesmal so hoch?
Tatsächlich lag sie mit fast 51 Prozent so hoch wie zuletzt vor 25 Jahren. Das lag daran, dass die Wahl als "Schicksalswahl" beworben wurde und Themen wie Einwanderung, Brexit und Klimawandel die Wähler interessierten.
Wie sieht der weitere Fahrplan aus?
Beim heutigen Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs beginnen die Beratungen darüber, wer EU-Kommissionschef werden soll. Am 2. Juni konstituiert sich das neue Parlament und der neue Parlamentspräsident wird gewählt. Die erste Abstimmung über den Kommissionspräsidenten erfolgt erst Mitte Juli.
Welche prominente Politiker schafften den Sprung ins EU-Parlament?
Italiens viermaliger Premier Silvio Berlusconi zieht als meistgewählter italienischer Kandidat ins EU-
Parlament ein. Mit 527.000 Vorzugsstimmen ist der 82-jährige Chef der rechtskonservativen Forza Italia der Kandidat mit den meisten Vorzugsstimmen in Italien. Er hat in den vergangenen Monaten bereits eine Wohnung in Brüssel gekauft, um längere Zeit dort zu verbringen. Der nach Belgien geflüchtete Ex-Regionalpräsident Kataloniens, Carles Puigdemont, hat in Spanien ein Mandat errungen. Es ist jedoch unklar, ob er dieses jemals wird annehmen können. Nach spanischem Recht muss er nämlich zunächst einen Amtseid in Madrid ableisten.
Bei einer Einreise in Spanien würden ihm aber eine Festnahme, ein Prozess wegen Rebellion und bis zu 30 Jahre Haft drohen. Puigdemont kündigte an, er werde beim Europäischen Gerichtshof gegen die Haftandrohung klagen.
Sieger in den Ländern: (PDF zum downloaden)
Sitze im EU-Parlament: (PDF zum downloaden)
Rumänien: Niederlage der Sozialisten
In Rumänien haben die regierenden Sozialdemokraten die Europawahl verloren. Die Partei unter dem Vorsitz des vorbestraften Liviu Dragnea kam auf 23,39 Prozent der Stimmen. Drei miteinander konkurrierende Oppositionsparteien erreichten zusammen 54,8 Prozent. Die bürgerliche Partei PNL liegt mit 26,8 Prozent vorne. Ein Berufungsgericht hat übrigens gestern die dreieinhalbjährige Haftstrafe für Dragnea wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch in einer Scheinbeschäftigungsaffäre bestätigt.
Polen: Deutlicher sieg für Konservative
Die Nationalkonservativen sind die eindeutigen Sieger der Europawahl in Polen. Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kommt auf 45,56 Prozent der Wähler, während auf das oppositionelle proeuropäische Parteienbündnis Europäische Koalition nur 38,3 Prozent entfielen. Zu dem Zusammenschluss gehören die liberalkonservative Bürgerplattform PO – politische Heimat von EU-Ratspräsident Donald Tusk – die Bauernpartei, die sozialdemokratische SLD, die liberale Nowoczesna und die Grünen.
Slowakei: Denkzettel für Regierungsparteien
In der Slowakei haben sich die Europawahlen zu einem Denkzettel etablierter Parteien entwickelt. Neben der Regierungskoalition, die eine gravierende Niederlage einstecken musste, hat auch die parlamentarische Opposition Rückschläge erlitten. 15,7 Prozent bedeuten für die Sozialdemokraten (Smer) Platz zwei. Der Sieg ging mit mehr als 20 Prozent klar an das Bündnis von zwei jungen, liberalen und eindeutig proeuropäischen Parteien, der Progressiven Slowakei (PS) und Spolu (Gemeinsam).
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Nur Geduld, der Ruck kommt schon noch.
Ob nun rinke oder lechte Unmündige, viel mehr als Rudelzugehörigkeit ist nicht drin.
Die Leithammelfunktionäre freuen sich über das unmündige Rudelmitgliedervolk.
Der Rechtsruck blieb nicht nur aus, die rechten Fraktionen haben insgesammt sogar verloren: EVP -4,9%, EKR -2,1% ENF +2,8% und EFDD +1,7% ergibt im Gesamten ein Minus von 2,5% für die gesamte Rechte in Europa. Gut so!
Der große Rechtsruck bliebt aus....
...das glaubt nur der Dumme, außer man wollte durch diesen Beitrag diesen Beitrag die Forumsteilnehmer auffordern tätig zu werden... 😛
naja ungarn, italien, frankreich.....
..........und gestern im Fernsehen wurden diese Länder unter der Titel "Eruroskeptiker" geführt und am Landkarte türkis angemalt.