Italiens Regierung erzielt Einigung über umstrittene Justizreform
ROM. Die italienische Regierung hat eine Einigung über eine umstrittene Justizreform erzielt.
Dies teilte ein Regierungssprecher am Donnerstagabend mit. Damit dürften wochenlange Reibereien in der Mehrparteienkoalition von Premier Mario Draghi beendet sein. Die Justizreform ist eine von mehreren Maßnahmen, die Draghi der Europäischen Union versprochen hat, um 200 Milliarden Euro aus mehreren EU-Konjunkturprogrammen zu erhalten. Die Fünf-Sterne-Bewegung, die größte Regierungspartei in Italien, hatte Änderungen an einer von Justizministerin Marta Cartabia vorgeschlagenen Reform gefordert, die am 8. Juli vom Kabinett verabschiedet, aber noch nicht dem Parlament vorgelegt wurde.
Verfahrensdauer als Kernpunkt
Wegen der Justizreform musste der seit Februar als Premier amtierende Draghi andere geplante Reformen wie jene des Steuersystems und der Wettbewerbsregeln verschieben. Der wichtigste Kernpunkt der Justizreform sind Fristen für die Dauer von Gerichtsverfahren. Prozesse sollen künftig einfach beendet werden, wenn innerhalb einer bestimmten Zeit kein letztinstanzliches Urteil gefällt wird.
Die Fünf-Sterne-Bewegung und viele Staatsanwälte erklärten, Cartabias Vorschlag hätte Zehntausende von Verfahren verkürzt und die Justiz untergraben, Straftätern die Möglichkeit gegeben, einer Verurteilung zu entgehen, und damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dargestellt. Daher wurde lang über Änderungen an dem Gesetzesvorschlag diskutiert.
"Das Kabinett hat die von der Regierung vorgeschlagenen technischen Anpassungen einstimmig angenommen", twitterte ein Regierungssprecher nach einer Sitzung, die am Donnerstag fast den ganzen Tag dauerte. Demnach werden die von Cartabia vorgeschlagenen Fristen zur Verkürzung der Prozesses nicht für Straftaten im Zusammenhang mit organisiertem Verbrechen, Terrorismus, sexueller Gewalt oder Drogenhandel gelten, so der Sprecher.
Zu viele Verjährungen
Das italienische Justizsystem sieht drei Urteilsstufen vor. Angeklagte können zwei Mal Berufung einlegen. Durch die langen Verfahrensdauern verjähren in Italien weit mehr Fälle als in anderen europäischen Ländern.
Nicola Gratteri, einer der bekanntesten Anti-Mafia-Staatsanwälte Italiens, sagte dem Parlament, dass die Reform in ihrer ursprünglichen Form dazu geführt hätte, dass 50 Prozent der Verfahren in der Berufungsphase beendet worden wären. Nach den am Donnerstag beschlossenen Änderungen können Mafiaverbrechen bis zu sechs Jahre lang bis 2024 und danach bis zu fünf Jahre lang in der Berufung verfolgt werden, so eine Regierungsquelle.
Der neue Fünf-Sterne-Chef und ehemalige Ministerpräsident Giuseppe Conte zeigte sich zufrieden mit dem erzielten Kompromiss. "Dies ist zwar nicht unsere Reform, aber wir haben konstruktiv daran gearbeitet, einen Beitrag zu ihrer Verbesserung zu leisten", sagte Conte gegenüber Reportern. Er fügte hinzu, er sei "absolut zuversichtlich", dass die Fünf-Sterne-Abgeordneten die Reform nun im Parlament unterstützen werden.